Eben haben wir Brad Pitt noch in "Once Upon a Time in Hollywood" bewundert, da ist der Schauspieler mit "Ad Astra – Zu den Sternen" auf der Leinwand zu sehen. Als Astronaut Roy McBride gibt sich Pitt allerdings deutlich nachdenklicher als im jüngsten Tarantino. Warum "Ad Astra" keine leichte Kost und nicht für jeden geeignet ist, liest Du in unserer Kritik.
- Zu den Sternen! Darum geht's in "Ad Astra"
- Roy McBride als Grundpfeiler der Handlung
- Spektakuläre Szenen mit abgeklärter Ruhe präsentiert
- Weniger Action, mehr psychologische Zwischentöne
- Grandiose Leistung von Hauptdarsteller Brad Pitt
- Fazit
Zu den Sternen! Darum geht's in "Ad Astra"
Roy McBride (Brad Pitt) hat sich und sein Leben voll im Griff. Der Sohn des größten Weltraumhelden in der Geschichte der Raumfahrt ist selbst zu einem hochdekorierten Astronauten aufgestiegen. Selbst in brenzligsten Situationen bleibt McBride absolut cool. Das gilt aber auch fürs Privatleben, sodass ihn seine Ehefrau (Liv Tyler) aus Resignation über seine Unnahbarkeit verlassen hat. Kinder hat McBride keine. Warum, wird im Laufe der Handlung noch deutlich.
Als elektromagnetische Stürme zunehmend die Erde heimsuchen, häufen sich die tödlichen Zwischenfälle. Auch Roy wird während der Arbeit beinahe Opfer eines der als "Welle" bezeichneten Stürme. Als sein Arbeitgeber, die staatliche Raumfahrtbehörde SpaceCom, Roy nach seinem Unfall einbestellt, erwartet ihn eine Überraschung: Der Astronaut soll via Mond zum Mars reisen und eine Botschaft an die für verschollen gehaltene Forschungsstation Lima übertragen, die im Orbit des Neptun aufgespürt wurde.
Der Grund: Die Verantwortlichen vermuten, dass der tot geglaubte Leiter der Raumstation für die elektromagnetischen Stürme verantwortlich ist – und bei dem handelt es sich um Roys im All verschollenen Vater Clifford McBride (Tommy Lee Jones). Zeit, um diese Information zu verdauen, hat Roy nicht. Für ihn geht es beinahe vom Fleck weg auf zu den Sternen und auf eine lange Reise, bei der es um mehr als die Rettung der Menschheit geht ...
Roy McBride als Grundpfeiler der Handlung
"Ad Astra" eine beeindruckende One-Man-Show zu nennen, ist sicherlich nicht übertrieben. Zwar begegnet Roy McBride auf seiner Reise zum Mars und darüber hinaus anderen Figuren, die sind aber nur schmückendes Beiwerk, liefern nötige Hintergründe und/oder Informationen. Dann verschwinden sie wieder so schnell, wie sie aufgetaucht sind. Das gilt selbst für Figuren wie den pensionierten Colonel Pruitt (Donald Sutherland) und auch Roys Vater Clifford. Die übrigen Protagonisten – obwohl hochkarätig besetzt – dienen nur als Vehikel für Roys weitere Entwicklung.
Seine distanzierte Selbstwahrnehmung und die Art, wie Roy seine Umwelt registriert, werden von Anfang an zum zentralen Grundpfeiler der Handlung stilisiert: Der Astronaut bezieht regelmäßig aus dem Off Stellung, sinniert über sich und die Geschehnisse und betreibt fast schon Psychoanalyse.
Spektakuläre Szenen mit abgeklärter Ruhe präsentiert
Eine weitere Besonderheit: Regisseur James Gray arbeitet mit einer auffällig ruhigen Erzählweise, die selbst in Momenten dramatischer Zwischenfälle nicht aus dem Tritt kommt. Spektakuläre Bilder gibt es in "Ad Astra" dennoch zur Genüge zu sehen. Sei es nun die weite Mondlandschaft, auf der sich Roy und seine Gefährten eine Rover-Verfolgungsjagd mit Weltraumpiraten liefern, die "Mad Max" alle Ehre macht, oder der Anblick des Neptuns vor einem endlosen Weltraumhimmel. Nur macht Gray im Gegensatz zu den meisten seiner Genrekollegen daraus bewusst keine große Sache.
Ähnlich wie seine Figur Roy McBride nimmt der Filmemacher die beeindruckenden Szenen zur Kenntnis, lässt sich von ihnen aber in keinem Moment aus der Ruhe bringen. Eine ungewöhnliche Herangehensweise für einen Science-Fiction-Film, die auch ein gewisses Maß an Wohlwollen seitens der Zuschauer erfordert. Lässt man sich nicht auf die Geschwindigkeit und Erzählweise von "Ad Astra" und vor allem auf die Hauptfigur Roy McBride ein, kann die Handlung schnell langweilig werden.
Weniger Action, mehr psychologische Zwischentöne
Bei genauem Hinsehen – und Mitdenken – entfaltet der Film jedoch einen besonderen Reiz. Statt eines Sci-Fi-Krachers präsentiert James Gray ein psychologisches Drama mit mal mehr und mal weniger subtiler Gesellschaftskritik.
Gray hat sich offensichtlich viele Gedanken über die mögliche Zukunft der Raumfahrt gemacht. Der Film bringt Aspekte wie ein ambitioniertes Weltraumantennen-Projekt und die kommerzielle Raumfahrt samt Besiedelung von Mond und Mars zur Sprache. Inklusive der Schattenseiten wie etwa die astronomischen Preise des Bordservice auf Roys Flug zum Mond.
Donald Sutherlands Colonel Pruitt bringt die paradoxe Situation auf der Mondbasis auf den Punkt: Er merkt an, dass die Menschen so weit wie möglich von der Erde entfernt sein wollen – um dann alles zu tun, damit es an ihrem neuen Aufenthaltsort genauso wie zu Hause ist.

Grandiose Leistung von Hauptdarsteller Brad Pitt
Über all dem schwebt der erdrückende Vaterkomplex, mit dem Roy seit seiner Jugend zu kämpfen hat. Sein Vater Clifford ist als übermächtiges Idol nicht nur verantwortlich für die Berufswahl des inzwischen erwachsenen Sohnes, sondern auch für dessen distanziertes Wesen. Die Reise zum Neptun wird für Roy zu einer Art erzwungenem Selbstfindungstrip. Je weiter sie ihn führt, desto stärker verarbeitet er den Verlust des Vaters und das Trauma, seit Jahrzehnten allein zurückgelassen zu sein. Am Ende hat sich nicht nur seine Selbstwahrnehmung deutlich geändert.
Vieles von diesem inneren Kampf wird über die Mimik von Hauptdarsteller Brad Pitt transportiert. Die Augen des Schauspielers verraten meist mehr als das Gesagte und der Kontext: eine einzelne stille Träne aus dem Augenwinkel, ein verdächtiges Zucken unter dem Auge, das Lid flattert leicht. All das sind Feinheiten, die Hauptdarsteller Brad Pitt grandios einsetzt und die Regisseur James Gray ebenso gekonnt in Szene gesetzt hat.

Fazit: Absolut sehenswert – aber nicht für Jedermann
"Ad Astra – Zu den Sternen" ist alles andere als ein typischer Science-Fiction-Film. Statt auf Action setzt Regisseur James Gray auf eine ungewöhnlich ruhige Erzählweise, zahlreiche psychologische Zwischentöne und mit Brad Pitt auf einen Hauptdarsteller, der mit seiner subtilen Darbietung brilliert.
Die Besonderheiten des Films bergen aber auch die Gefahr, dass "Ad Astra" bei Zuschauern auf Unverständnis stößt. Wer packende Action erwartet, wird sich im Kino langweilen. Wer sich auf die Gangart des Films und seine subtilen Zwischentöne einlässt, darf sich dagegen auf ein erwachsenes Sci-Fi-Erlebnis freuen, das auch nach dem Abspann noch lange im Gedächtnis bleibt.