In "Spiritfarer" schippere ich die Seelen freundlicher Tierwesen ins Jenseits. Das Indie-Spiel nähert sich den Themen Tod und Sterben auf warmherzige Weise und mit schönen Gameplay-Ideen. Nach wenigen Spielstunden ist trotzdem klar: Die Abschiede können hart werden.
- Fröhliche Schifffahrt auf der Seelen-Fähre
- Bootsbau im Fegefeuer
- Genre-Mix aus Management und Metroidvania
- Der Kutter lebt, doch die ersten Abschiede nahen ...
Gestorben und über den Tod gesprochen wird in Videospielen traditionell viel, vergleichsweise selten geht es dabei aber optimistisch oder gar fröhlich zu. "Spiritfarer" ist anders: Das frisch für PC und Konsolen erschienene Spiel macht mich zur Kapitänin eines Seelen-Kahns, der die Geister der Verstorbenen einsammelt und sie beherbergt, bevor sie die letzte Etappe ihrer Reise antreten. Klingt erst einmal bedrückend? Keine Sorge, ist es nicht.
"Spiritfarer" weiß: Wir alle müssen irgendwann gehen. Wichtig ist, was wir aus dem Davor machen – und was von uns zurückbleibt.
Fröhliche Schifffahrt auf der Seelen-Fähre
Stella, so der Name der Kapitänin, und ihre Katze Daffodil bekommen den Auftrag als Jenseits-Schiffer von niemand Geringerem als Charon, dem Fährmann, der in der griechischen und römischen Mythologie die Seelen der Toten ins Totenreich geleitet. Und während die vermummte Gestalt auf dem Weg in die Rente ganz dem Klischee des Sensenmanns entspricht, ist Stella das Gegenteil: Aufgeweckt springt sie als meine Spielfigur über ihr Boot und kümmert sich liebevoll um ihre Gäste – vermenschlichte Tiere mit eigenen Persönlichkeiten.

Bootsbau im Fegefeuer
"Spiritfarer" vermischt Elemente aus unterschiedlichen Genres, um eine Parabel über Zuneigung, Dankbarkeit und den Abschied, der allen bevorsteht, zu erzählen. Stella schippert von Insel zu Insel und sammelt dort in kleinen Geschicklichkeitspassagen Rohstoffe ein, aus denen sie dann Gebäude für ihr Schiff baut – eine Herberge, eine Küche, einen Webstuhl, einen Garten und so weiter. In Minispielen produziert und verarbeitet sie weitere Rohstoffe, dazu managt sie ständig das Wohlbefinden ihrer Gäste: Geht es der etwas eingebildeten Hirschkuh Gwen gut oder braucht sie einmal eine Umarmung? Hat der gefräßige, aber tatendurstige Frosch Atul wieder Hummeln im Hintern? Dann sollte ich ihm etwas zu tun (oder zu essen) geben!

Genre-Mix aus Management und Metroidvania
Glückliche Tiere helfen auf dem Boot und bringen das Vorhaben, weitere Seelen einzusammeln, schneller voran. Denn: Je mehr Gefährten auf dem Schiff wohnen, desto mehr Fähigkeiten bekommt Stella – neben Jump'n'Run und tiefenentspannter Management-Simulation à la "Animal Crossing" ist "Spiritfarer" hier auch ein kleines bisschen Metroidvania. Neue Skills bedeuten schließlich neue Wege und Möglichkeiten, die Seelen zu bespaßen.

Falls das alles nach viel Arbeit klingt: Der Eindruck täuscht. "Spiritfarer" baut keinerlei Druck auf, lässt mich in meinem Tempo und ohne große Gefahr des Scheiterns spielen. In der Konsequenz ein absoluter Wohlfühl-Titel, in dem ich mich immer wieder über Kleinigkeiten freue. Wenn die lang ersparte Sägemühle endlich steht und Atul vor Freude und Tatendrang aus dem Häuschen ist, fühlt sich das nach echter Errungenschaft an.

Ein Kutter voller Leben, doch die ersten Abschiede nahen ...
Ohnehin wachsen mir die Bewohner des Schiffs schnell ans Herz. Auch wenn ich noch nicht allzu weit im Spiel vorangekommen bin, zeichnet sich ab, dass es emotional schwierig werden könnte.
Denn irgendwann wird mein Kahn sein Ziel erreicht haben und eine oder mehrere Seelen im Jenseits abliefern. Und ja, dann wird eine Leerstelle an Bord sein. Der Gameplay-Loop von "Spiritfarer" ist von Anfang an durchsichtig, sein Effekt wohlkalkuliert: Das Spiel lässt mich Gefährten einsammeln, die zu Freunden werden und dann gehen müssen. Alles deutet darauf hin, dass die Abschiede wirklich ein bisschen tränenreich werden. Noch hat sich niemand verabschiedet, aber Gwen ist jetzt so lange auf dem Schiff, dass sie nicht mehr in der Herberge mit den anderen wohnen will und ein eigenes Haus fordert (so typisch!). Allzu lange bleibt sie vielleicht nicht mehr.
Ich sollte sie sicherheitshalber noch einmal umarmen.
