Nur ein Jahr nach "Assassin's Creed Origins" erscheint bereits der Nachfolger "Assassin's Creed Odyssey". Schon im Vorfeld hatte Ubisoft viele Änderungen angekündigt, die das Game im antiken Griechenland noch interessanter als den ägyptischen Vorgänger machen sollten. Ob es hält, was die Entwickler versprochen haben, erfährst Du in unserem Test.
Bereits auf der Gamescom 2018 konnte ich mich mit Alexios der Medusa stellen. Vom Kampfsystem und dem gezeigten Lategame-Content war ich da noch etwas überfordert, von den Charakteren, der Geschichte und dem Gameplay aber bereits sehr angetan. Deshalb hatte ich enorm hohe Erwartungen an "Assassin's Creed Odyssey" als ich das fertige Spiel dann auf der PS4 Pro testete – und zu meiner Freude wurden sie nicht enttäuscht.
Die Einbettung ins "Assassin's Creed"-Universum
"Assassin's Creed Odyssey" spielt lange vor der Gründung der Assassinen-Bruderschaft – ein Fakt, der sich auch im Gameplay bemerkbar macht. Das Spiel setzt noch mehr auf eine riesige Open-World mit unzähligen Quests und viel Entscheidungsfreiheit. Waren die Vorgänger durch den Einfluss der Bruderschaft stringenter in der Story, lässt sich das Storytelling in "Assassin's Creed Odyssey" viel individueller beeinflussen.

Eingebettet ist das Ganze aber immer noch in das "Assassin's Creed"-Universum – allerdings so lose, dass auch Einsteiger keine Verständnisprobleme haben dürften: Die Forscherin Layla Hassan, die bereits aus "Assassin's Creed Origins" bekannt ist, findet in "Assassin's Creed Odyssey" den legendären Speer von Leonidas. Mithilfe von DNA-Spuren auf dem Speer kann sie über den Animus die Erinnerungen von Alexios oder Kassandra wiederaufleben lassen.
Zwischen Rache, Krieg & persönlichen Schicksalen
Ich entscheide mich für Kassandra als Spielfigur, mit Alexios würde ich aber wohl das exakt gleiche Abenteuer erleben. Die Geschichte beginnt mit einem Familiendrama in meiner Kindheit, das ich nur knapp überlebe. Jahre später begebe ich mich, angetrieben durch Rache, auf die Reise. Die Hauptgeschichte nimmt aber schnell größere Dimensionen an und ich gerate als Söldnerin im Peloponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta zwischen die Fronten.
Bei den Hauptquests erwarten mich unterschiedliche Missionen: Teilweise kämpfe ich für die Fraktion, die mich angeheuert hat, teilweise handle ich aus eigener Motivation. Die Geschichte ist spannend erzählt und durch folgenreiche Entscheidungsmöglichkeiten in Dialogen habe ich stets das Gefühl, die Geschichte lenken zu können.

Folgenreiche Entscheidungen prägen die Story
Wie ich mit Questgebern und den beteiligten Personen umgehe, bestimme ich nämlich selbst. Dabei gibt es kein Richtig und Falsch, es gibt nur Konsequenzen. Als ich beispielsweise ein paar Bauern stelle, die ihre von den Spartiaten entwendeten Nahrungsmittel zurückholen, habe ich mehrere Handlungsmöglichkeiten: Entweder kann ich die Bauern für den "Diebstahl" mit dem Tod bestrafen oder Gnade zeigen, ihnen einen Teil des Essens überlassen und sie gehen lassen. Als moralisch flexible Söldnerin habe ich häufig auch noch eine dritte Möglichkeit: Für etwas Kleingeld erledige ich unangenehme Aufträge und drücke bei kleineren Verbrechen mal ein Auge zu.
Steht mir einmal nicht der Sinn danach, die Story voranzutreiben, dann kann ich auch in Nebenquests ein paar sehr interessante Geschichten erleben. Im Gegensatz zur Hauptstory stehen hier häufig die Schicksale der Questgeber im Mittelpunkt und die Geschichten sind etwas emotionaler gestaltet. So muss ich beispielsweise Kräuter für den kranken Vater einer Frau suchen oder nach einer verlorenen Halskette tauchen, die einem Ehepaar ein besseres Leben ermöglichen könnte.
Detaillierte Charaktere & eine belebte Spielwelt sorgen für tolle Atmosphäre
Grafisch und atmosphärisch überzeugt "Assassin's Creed Odyssey" auf ganzer Linie. Ubisoft hat die fantastische Grafik aus "Assassin's Creed Origins" nochmals übertroffen, besonders die Hauptcharaktere strotzen vor Details: Auf ihrer Haut befinden sich Narben und Schmutz, die Haare sind äußerst detailliert und es sind sogar die Venen auf den Armen zu sehen. In den Dialogen lassen sich Emotionen schön an der Mimik des Gesichts ablesen.

Auch die Spielwelt kann sich sehen lassen: In den Wäldern streifen wilde Tiere wie Hirsche und Wölfe umher, die Vegetation ist vielseitig. Die Städte sind belebt und überall laufen Menschen und Vieh durch die Straßen. Überall tummeln sich Menschen und gehen ihrem Alltag nach. Die griechische Architektur ist mit ihren Tempeln und Statuen sehr beeindruckend und beim Erklimmen der Monumente kann ich die weite Landschaft des Spiels bewundern. Eine schönere Inszenierung des antiken Griechenlands habe ich bisher in keinem Spiel gesehen.
Auf der PS4 Pro und der Xbox One X kann das Spiel in 4K mit 30 FPS wiedergegeben werden. Einen Performance-Modus für 60 FPS gibt es nicht.
Auf dem PC hängen Auflösung und FPS natürlich von der verbauten Hardware ab. Eine 4K-Auflösung mit mehr als 60 FPS ist aber mit einer starken Grafikkarte problemlos möglich.

Ein besonderes Lob gebührt den deutschen Synchronsprechern. Besonders bei den Hauptcharakteren passen die Stimmen perfekt: Emotionen werden über die Stimme glaubhaft vermittelt, die Charaktere wirken äußerst lebendig. Kleiner Kritikpunkt: Das häufig verwendete Schimpfwort "Malaka" wirkt als einziges griechisches Wort irgendwie fehl am Platz – hier hätte auch getrost ein deutsches Wort verwendet werden können. Aber das ist eine Kleinigkeit – ansonsten ist die Sprachausgabe auf Top-Niveau.
Agiles und vielseitiges Kampfsystem
Die Kämpfe in "Assassin's Creed Odyssey" machen aufgrund der Waffenvielfalt und der unterschiedlichen Skilltrees besonders viel Spaß. Jede Waffenart hat ihre Vor- und Nachteile: Schwerter sind gute Allrounder, Speere haben eine enorme Reichweite, sind aber deutlich ungenauer. Keulen brechen problemlos durch dicke Schilde, sind aber enorm langsam. Die Vielzahl an Waffen hält für jeden Spielstil das Richtige bereit.
Bei meinen Spezialfähigkeiten kann ich zwischen den Klassen Jäger, Krieger und Assassine auswählen. Je nach Spielstil kann es von Vorteil sein, diese Fähigkeiten bunt zu mischen oder sich auf eine Klasse zu spezialisieren. In meinem Test habe ich mich größtenteils auf die Assassinenklasse beschränkt. Um im Fernkampf aber nicht absolut unterzugehen, habe ich mir aber noch ein paar nützliche Fähigkeiten aus der Jägerklasse herausgepickt. Und da sich nicht jede Quest durch heimliches Meucheln erledigen lässt, habe ich mir auch noch den ikonischen Spartiaten-Tritt aus der Kriegerklasse gegönnt, um Gegner von Klippen zu kicken.
Die Kämpfe fühlen sich flüssig, intuitiv und angenehm taktisch an. Zufälliges Tastengedrücke führt nicht zum Sieg, vielmehr ist geschicktes Ausweichen, Parieren und Kontern sowie der geschickte Einsatz von Fähigkeiten nötig. An Gegner mit höherem Level wage ich mich übrigens nicht mehr heran: Hier musste ich feststellen, dass ich kaum Schaden verursache und selbst Schleichangriffe nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Für Kämpfe jeglicher Art empfehle ich mindestens das gleiche Level.
Neue Features I: Söldner-System
"Assassin's Creed Odyssey" bringt ein paar spannende Gameplay-Systeme mit, die die Serie zwar nicht neu erfinden, aber frischen Wind ins Spiel bringen. Sehr unterhaltsam (und nur gelegentlich etwas nervig) ist etwa das Söldner-System, das entfernt an das Nemesis-System aus "Mittelerde: Schatten des Krieges" erinnert: Töte ich hochrangige Offiziere oder begehe Morde auf offener Straße, werden Söldner auf mich angesetzt. Diese besonders starken Gegner mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen verfolgen mich hartnäckig – sogar auf Quests. Die Kämpfe gegen die zähen Burschen sind äußerst fordernd und sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden: Nicht selten sorgte ein Söldner dafür, dass ich eine Quest abbrechen musste oder vorzeitig verstarb.
Loswerden lassen sich die Verfolger auf unterschiedliche Weise: Ich kann das Kopfgeld bezahlen, den Aussetzer des Kopfgelds umbringen oder mich dem Söldner im Kampf stellen. Ich bevorzuge meist letztere Methode, da die Kopfgeldjäger gute Ausrüstung abwerfen und ich im Söldner-Rangsystem aufsteigen kann – Kassandra ist ja schließlich auch Söldnerin.

Neue Features II: Schlachtfelder
Im Krieg um die Vorherrschaft in Griechenland kann ich die Siegeschancen für die Fraktion meiner Wahl vorantreiben. Durch das Zerstören von Vorräten, den Raub der Kriegsfinanzen und das Töten von Anführern sinkt die Kontrolle der herrschenden Fraktion im Gebiet und es kommt zu einer Schlacht um das Gebiet. Etwas schade: Obwohl die Schlachten sich für gute Gegenstände lohnen und es viel Spaß macht, sich hier ins Getümmel zu werfen, haben die Schlachten kaum Auswirkung auf den Verlauf der Geschichte.
Neue Features III: Seefahrt & Seeschlachten
Die Reise mit dem Schiff spielt in "Assassin's Creed Odyssey" eine äußerst wichtige Rolle. Meist ist die See friedlich – das Meer rauscht, Seevögel begleiten das Schiff und die Crew singt stimmungsvolle Shantys. Mit dem Bergen versunkener Schätze und der Entdeckung unbekannter Inseln lässt sich dann enorm viel Zeit verbringen.
Doch die hohe See birgt auch Gefahren in Form von Piraten und Schiffen der feindlichen Fraktion. Grundsätzlich stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung, gegnerische Schiffe zu versenken: Pfeilsalven, Speersalven oder Rammangriffe. Ist der Lebensbalken des gegnerischen Schiffs auf null reduziert, kann ich das Schiff entern und die Gegner im Nahkampf in den Hades schicken.
Kleiner Kritikpunkt: Teilweise lassen mich meine Kameraden beim Entern im Stich und ich finde mich allein zwischen einer Horde Piraten wieder. Ob das es sich hier um einen Bug handelt oder ob meine Crew einfach nur Angst hat, kann ich nicht genau sagen. Insgesamt sorgen die Seeschlachten aber für viel Spaß und Abwechslung.

Fazit: Noch ein Schritt in Richtung Rollenspiel
Grafisch und spielerisch kann "Assassin's Creed Odyssey" seinen Vorgänger "Assassin's Creed Origins" noch übertrumpfen. Eine spannende Story, unzählige Nebenquests und das riesige digitale Griechenland sorgen für viel Motivation und unzählige Stunden Spielspaß.
Die große Entscheidungsfreiheit gab mir dazu immer das Gefühl, das Schicksal meiner Spielfigur selbst in der Hand zu haben. Die "Assassin's Creed"-Reihe entfernt sich damit noch weiter von ihren Ursprüngen als Action-Adventure und macht nach "Origins" einen weiteren großen Schritt in Richtung RPG – eine Ausrichtung, die ihr mit jedem neuen Spiel besser zu Gesicht steht.
Das hat mir gut gefallen | Das hat mir weniger gut gefallen |
+ Aufstieg im Söldner-System ist sehr motivierend | - Teils extrem lange Ladezeiten (getestet auf PS4 Pro) |
+ Seefahrt und Seeschlachten sind eine gelungene Abwechselung | - Nebenquest-Zwang, um genug Erfahrung für die Hauptquest zu haben |
+ Tolles Kampfsystem mit Möglichkeit für individuelle Spielstile | |
+ Mitreißende Geschichte und sympathische Charaktere |