Assetto Corsa im Rennstrecken-Check: Realistischer gehts kaum

Nur Fliegen ist schöner: Bevor die Rennsimulation "Assetto Corsa" im Spätsommer die PlayStation 4 und die Xbox One erobert, durften wir uns den aktuellen Entwicklungsstand schon einmal ansehen – und auf der italienischen Rennstrecke Vallelunga mit dem Feeling im echten Rennwagen vergleichen.

Von Null auf Hundert in knapp drei Sekunden – einem untrainierten "Rennfahrer" wie mir entgleist da doch glatt das Gesicht. Mit extremen Kräften presst es mich in den Sitz, in meinem Bauch habe ich dauerhaft das Gefühl wie in einer Achterbahn, wenn sie zum ersten Mal fast senkrecht in die Tiefe stürzt. Sechs Sekunden später knacken wir die 200-km/h-Marke und zu dem Adrenalin-Gefühl mischt sich doch einiges an Angst. Genauso schnell, wie wir beschleunigen, bremst mein Fahrer plötzlich ab, denn die Kurve vor uns auf der Rennstrecke kam schon gefährlich nah.

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Entspannt ist anders! Bei der Beschleunigung entgleisen schonmal die Gesichtszüge... Bild: © TURN ON 2016

Wir befinden uns in Italien in der Nähe von Rom auf dem Autodromo Vallelunga. Ich sitze als Beifahrer in einem Lamborghini-Lookalike, dem McLaren MP4-12C mit Flügeltüren und erlebe ein wahres Feuerwerk an Gefühlen. Mein Fahrer ist ein gut aussehender Italiener, dem ich mein Leben anvertraue, ohne zweimal darüber nachzudenken. Mit Highspeed über eine Rennstrecke zu heizen ist unglaublich. Nach drei Runden taumele ich aus dem Auto – meine Beine denken, ich wäre betrunken. Es war geil. Absolut. Aber jetzt will ich selber fahren.

Im August dieses Jahres erscheint die Rennsimulation "Assetto Corsa" für Playstation 4 und Xbox One. Was auf dem PC bei den Fans schon extrem beliebt ist, soll nun also auf den Konsolen die Spieler in den Bann ziehen. Die Entwickler haben nach eigener Aussage die Rennstrecken mit ganz vielen Details nachgebaut. Am PC sieht man das auch, aber lässt sich so eine komplexe Simulation auch auf den technisch schwächeren Konsolen gut darstellen? In Italien haben sie den aktuellen Stand gezeigt und lassen uns den Vergleich ziehen: echte Rennstrecke vs. Simulation.

Echte Lenkräder und das Problem mit der Geschwindigkeit

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Selber fahren macht Spaß! Kann eine Rennsimulation da mithalten? Bild: © TURN ON 2016

Als ich selber am Steuer eines Nissan GT-R sitze, wurde mir auch etwas mulmig. Zum Glück hatte ich einen Guide neben mir sitzen, der mir das Gefühl für die hohen Geschwindigkeiten beibrachte und nebenbei meine GoPro-Kamera halten konnte. Er erklärte mir, wie ich die perfekte Fahrlinie auf der Strecke finde, an welchen Zeichen ich abbremsen sollte, in welchen Kurven ich außen oder innen fahre, um das Maximum rauszuholen und dass man bei orangefarbenen Markierungen in den Kurven das Gaspedal wieder durchtreten kann. Vor den Kurven hatte ich großen Respekt, doch auf der Zielgeraden traute ich mich und drückte mal ordentlich drauf. Das Beste – neben dem Achterbahn-Gefühl im ganzen Körper – ist wahrscheinlich der Sound, den die Autos produzieren. Oder der Geruch der Ledersitze sowie der Reifen auf dem heißen italienischen Asphalt.

Nach diesem spannenden Erlebnis wollte ich es aber genau wissen: Wie soll ein Spiel, eine Rennsimulation, mit diesen krassen Gefühlen mithalten? Damit es ein bisschen realistischer wird, konnten wir beim Event mit Racing-Equipment zocken. Heißt: tiefliegende Rennschale, Lenkrad, Gangschaltung, Pedale für Gas und Bremse, der Monitor hing etwas höher. Und das kam dem Spiel auch sehr gelegen. Begeistert hat mich beim Zocken die realistische Fahrphysik. Diese kleinen Momente, wo das Lenkrad zur Seite zieht und wir gegensteuern müssen, habe ich eins zu eins so an meinen Händen gespürt, als ich am echten Steuer saß. Auch viele andere Parameter wie Reifenzustand, Tankfüllung, Traktion der Reifen, die simulierte Trägheit der Autos und allem voran natürlich die Streckenbeschaffenheit wirken sich auf die jeweiligen Fahrzeuge aus.

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Zum Testen der Konsolenversion gab es Rennsitz, Lenkrad, Pedale und Schaltknüppel. Bild: © TURN ON 2016

Das Problem, das aber alle Rennspiele und Rennsimulationen in meinen Augen haben, ist das fehlende Gefühl für Geschwindigkeit. Ich muss immer auf den Tacho schauen und abschätzen, ob ich mit dieser Zahl wirklich durch die nächste Kurve komme oder mich selbst wieder raus aufs Kiesbett schleudere und ein paar Steine einlade mitzufahren. Im echten Auto wären mir diese Fehleinschätzungen nie passiert.

VR-Brillen könnten helfen

Das italienische Entwicklerteam Kunos Simulazioni hat sich direkt auf dem Streckengelände von Vallelunga eingenistet. Sie sind an der Stelle zu Hause, wo ihre Detailarbeit beginnt. Mittels Laserscan haben sie die Rennstrecke mit allen Details erfasst und nachgebaut, sodass wir sogar Bodenwellen im Spiel wiedererkennen können. Eigentlich haben sich die Entwickler auf die Fahne geschrieben, eine Rennspiel zu erstellen – wem das aber zu kompliziert in der Handhabung ist, der kann elektronische Fahrhilfen aktivieren. So finden auch Tastatur- oder Gamepad-Spieler den Zugang zu den tollen Rennstrecken in "Assetto Corsa". Für das beste Simulationsgefühl ist aber zumindest ein hochwertiges Lenkrad vonnöten.

Um die Rennsimulation noch besser zu machen, hätte ich mir von der Umgebung grafisch mehr erhofft. Die Fahrzeuge sehen sehr detailreich und realitätsnah aus, doch die Gebäude sind einfache Klötze und die Zuschauer hin und her wippende Striche. In diesem Punkt sind wir noch weit von der echten Welt entfernt.

Wenn aber die Brillen für virtuelle Realität wie Oculus Rift, HTC Vive oder auch die Playstation VR von Sony bei Rennspielen zum Einsatz kommen, bin ich mir sicher, dass sich die Achterbahn-Gefühle aus meiner echten Rennstreckenerfahrung virtuell wiederholen werden. Denn VR-Brillen haben die Eigenschaft, meinen Körper komplett durcheinanderzubringen, wie ich auch beim Weltraumspiel "ADR1FT" feststellen musste.

Fazit: Der guten Fahrphysik fehlen noch die Gefühle

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Ende August soll "Assetto Corsa" für Konsolen erscheinen. Bild: © TURN ON 2016

"Assetto Corsa" ist eine sehr gelungene Rennsimulation, die auch auf der Konsole das Potenzial hat, Fans zu begeistern. Die Entwickler haben den Release noch einmal auf Ende August verschoben, weil sie wollen, dass die Konsolenversion genauso gut wird wie die auf dem PC. Das, was wir uns in Italien anschauen konnten, war ein guter Vorgeschmack und lässt uns glauben, dass die Entwickler ihr Ziel erreichen können.

Verglichen mit dem echten Rennfeeling kann die Simulation technisch gesehen schon gut mithalten. Doch das körperliche Gefühl, der Salto in meinem Bauch und der Rausch der Geschwindigkeit werden wohl erst durch VR-Brillen möglich. Wer "Assetto Corsa" auf dem PC zockt, kann es seit dem 19. Mai mit der Oculus Rift (und inoffiziell mit der HTC Vive) spielen.

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