Bericht: Ubisoft sträubt sich gegen weibliche Hauptfiguren in Spielen

Kassandra sollte die alleinige Hauptfigur von "Assassin's Creed Odyssey" werden – aber Ubisoft wollte auch noch einen Mann.
Kassandra sollte die alleinige Hauptfigur von "Assassin's Creed Odyssey" werden – aber Ubisoft wollte auch noch einen Mann. Bild: © TURN ON Screenshot 2018

Weibliche Heldinnen in Games sind längst keine Seltenheit mehr, offenbar aber immer noch nicht unumstritten: Ein neuer Bericht über Ubisoft zeichnet das Bild eines Publishers, der Frauen in Hauptrollen regelmäßig "kleinschreiben" lässt. Hintergrund der Enthüllungen sind weitreichende firmenkulturelle Probleme, die bis in die höchsten Etagen des Unternehmens reichen.

Der Bloomberg-Journalist Jason Schreier hat für seinen Artikel mit mehr als 40 aktuellen und ehemaligen Ubisoft-Angestellten gesprochen. Dabei erfuhr er unter anderem, wie sich der Publisher in den vergangenen Jahren immer wieder gegen Frauenfiguren in Hauptrollen seiner Spiele sperrte.

Im Zentrum der Kontroverse steht der ehemalige Chief Creation Officer Serge Hascoët, der bei Ubisoft lange Zeit fast absolute Entscheidungsgewalt über die Ausrichtung von Spielen hatte. Erst vor wenigen Tagen schied er nach zahlreichen Beschwerden über ihn wegen sexueller Belästigung, Beleidigungen und anderen übergriffigen Verhalten aus dem Konzern aus.

Nur die zweite Geige für "Assassin's Creed"-Heldinnen

Hascoët prägte dem Bericht zufolge vor allem in der "Assassin's Creed"-Reihe den Cast deutlich mit. In "Assassin's Creed Syndicate" etwa sollten die beiden Protagonisten Jacob und Evie Frey ursprünglich gleich häufig spielbar sein. Hascoët und andere Vorstandsmitglieder griffen in die Entwicklung ein, letztlich fiel die Balance deutlich zugunsten von Jacob aus. Ähnliches passierte bei "Assassin's Creed Origins": Zunächst war geplant, dass der Hauptcharakter Bayek früh im Spiel stirbt und Spieler dann die Rolle seiner Frau Aya übernehmen. Im fertigen Spiel hat Aya nur noch eine kleine Rolle, Bayek ist die klare Hauptfigur.

Quoten-Bruder für Kassandra

Beim Nachfolger "Assassin's Creed Odyssey" erschufen die Entwickler gleich einen zusätzlichen Hauptcharakter, um keine Frau an der Spitze zu haben: Kassandra sollte eigentlich die einzige spielbare Protagonistin sein. Hascoët und Mitglieder der Marketing-Abteilung waren aber der Meinung, dass Spiele mit Frauen sich nicht verkaufen – angesichts der Erfolge von Games wie der "Tomb Raider"-Reihe, "Horizon Zero Dawn" oder "The Last of Us" ein zumindest bemerkenswertes Statement. Letztlich wurde Kassandras Bruder Alexios als spielbare Alternative dazuerfunden.

Schreiers Bericht ist nur der jüngste in einer Reihe von Enthüllungen der letzten Wochen, die eine problematische Macho-Firmenkultur bei Ubisoft und deren Folgen für das Personal sowie die daraus entstehenden Spiele anprangern. Der Publisher hat mittlerweile erste personelle Konsequenzen gezogen und tiefgreifende Reformen angekündigt.

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