DC und Marvel sollten sich warm anziehen: Verlags-Konkurrent Valiant Comics expandiert ins Kino und schickt mit "Bloodshot" seinen ersten eigenen Comic-Helden auf die Leinwand. Ob das eine gute Idee ist oder der Film gegen die übermächtige Konkurrenz untergeht, verrät unsere Filmkritik.
- Und täglich grüßt das Forschungslabor: Die Story
- Die Sache mit der Logik
- Bloodshot ist ein Comic-Held, kein Superheld
- Ein bisschen von allem
- Ein Film mit Vin Diesel ... und wem noch?
- Fazit
Und täglich grüßt das Forschungslabor: Die Story
Soldat Ray Garrison (Vin Diesel) kehrt nach einem Einsatz in die italienische Idylle zu seiner Freundin zurück. Doch das Glück währt nicht lange, denn die beiden werden von einem Psychopathen gekidnappt – und getötet.
Dann erwacht Garrison in einer Forschungseinrichtung, kann sich aber an nichts erinnern. Nicht einmal sein Name fällt ihm ein. Von Forschungsleiter Dr. Emil Harting (Guy Pearce) erfährt Garrison, dass er tot war, es den Forschern aber gelungen ist, ihn zurückzuholen. Zudem wurden ihm Nanoroboter injiziert, die ihn unverwundbar und damit unsterblich machen. Ach so, und übermenschlich stark ist er jetzt auch. Klar.
Mit der Zeit kommen allerdings einzelne Erinnerungsfetzen zurück. Sie verraten Garrison, was passiert ist – und wer für den Mord an ihm und seiner Freundin verantwortlich ist. Er macht sich auf, um dem Mörder das Handwerk zu legen. Was Garrison nicht weiß: Er durchlebt dieses Szenario wieder und wieder, nur ist sein Ziel immer wieder ein anderes.
Die Sache mit der Logik
Dave Wilson gibt mit "Bloodshot" sein Debüt als Spielfilm-Regisseur. Zuvor hat er eine Episode von "Love, Death & Robots" verantwortet, sein Steckenpferd sind aber eigentlich die Cinematic Trailer und visuellen Effekte in Videospielen.
Und das muss man ihm lassen: Die meisten Actionszenen sind spektakulär umgesetzt, vor allem in Kombination mit Slow-Motion-Effekten. An denen scheint Wilson einen Narren gefressen zu haben, denn sie kommen ausgesprochen oft zum Einsatz. Die wohl beste Szene gibt's relativ früh zu sehen: Auf seinem Rachefeldzug steuert Garrison in einem Tunnel mit einem LKW direkt auf eine Autokolonne zu. Diesen Moment gab es in Teilen schon im Trailer zu sehen: In rot getauchtes Licht nimmt Bloodshot einen Gegner nach dem anderen auseinander. Dass ihm dabei mit einer Schrotflinte das halbe Gesichte zerfetzt wird, ist nebensächlich. Die kleinen Nanoroboter sorgen dafür, dass Garrison im Nu wieder wie der Alte aussieht.
Aber bei jedem, der auch nur fünf Minuten im Physikunterricht aufgepasst hat, sollten nun die Alarmglocken läuten, denn die Szene findet inmitten einer dichten Mehlwolke statt. Das mag optisch zwar einiges hergeben, aber Handfeuerwaffen und Lichtraketen vertragen sich nicht sonderlich gut mit Wolken aus Mehl. Eigentlich so gar nicht! Ja, es ist ein Science-Fiction-Film, in dem Menschen mit Nanopartikeln herumlaufen, aber ich bezweifle stark, dass Mehl plötzlich nicht mehr explosiv ist. Alle Beteiligten hätten an diesem Punkt mit Pauken und Trompeten in die Luft fliegen müssen.
Bloodshot ist ein Comic-Held, kein Superheld
Leider kann keine der folgenden Actionszenen mit der im Tunnel mithalten. Allzu viele sind es ohnehin nicht mehr. Da hätte ich mir echt mehr gewünscht, da schon an der Story ordentlich gespart wurde. Zwar kenne ich die Comics nicht, doch Bloodshot ist zunächst kein uninteressanter Charakter. Er ist das Gegenteil von mehr oder weniger aalglatten Superhelden, wie wir sie von Marvel oder DC kennen.
Am ehesten ist er noch mit dem Punisher zu vergleichen, der ebenfalls aus Rache handelt und nicht, um anderen Menschen zu helfen. Das trifft genauso auf Bloodshot zu: Er ist weder gut noch böse. Er macht sein eigenes Ding. Das hätte man meiner Meinung nach viel stärker herausarbeiten können. Verschenktes Potenzial.
Stattdessen sind die Dialoge austauschbar und auf teils flache One-Liner von Garrison beschränkt. Ohne zu viel verraten zu wollen: Das ergibt in der ersten Hälfte von "Bloodshot" auch Sinn. Etwas mehr Hirnschmalz hätte man der Figur im Verlauf des Films aber durchaus zugestehen können.
Ein bisschen von allem
Viele Szenen in "Bloodshot" fühlen sich an, als wurden sie direkt aus anderen Filmen zusammengeklaubt. Am besten lässt sich der Film vielleicht so zusammenfassen: Der Punisher gefangen in "The Edge of Tomorrow" mit den Superkräften von Wolverine und den kognitiven Fähigkeiten von Eddie Morra in "Ohne Limit", nachdem er sich eine Tablette eingeschmissen hat.
Mein Highlight – oder besser: Lowlight – ist allerdings der Kampf in einem Fahrstuhl. Ich fühlte mich nämlich plötzlich, als würde ich "Hobbs & Shaw" gucken, in der es eine nahezu identische Szene gibt. Ein Glatzkopf prügelt sich im freien Fall mit einem anderen Kerl, fernab jeglicher physikalischer Realitäten und ohne ernsthafte Verletzungen. Aber bei "Hobbs & Shaw" waren zumindest die Sprüche cooler. Mich beschlich sofort das Gefühl, dass das ein kleiner Seitenhieb gegen das "Fast & Furious"-Spin-off ist. Dass zwischen Dwayne Johnson und Vin Diesel dicke Luft herrscht, ist nichts Neues.
Abgesehen davon sind viele Einstellungen der actionreichen Auseinandersetzung am Computer entstanden – was ihnen deutlich anzusehen ist. Es ist wohl die schlechteste Animation im gesamten Film. Sie führt einem vor Augen, warum der Film nur 42 Millionen US-Dollar gekostet hat.
Ein Film mit Vin Diesel ... und wem noch?
Hinsichtlich der schauspielerischen Leistungen gibt es nichts groß hervorzuheben. Vin Diesel tut das, was er immer tut: Grimmig aus der Wäsche gucken, nicht viel sagen und im richtigen Moment austeilen. Von seinen Co-Stars ist mir keiner nennenswert im Gedächtnis geblieben. Am ehesten vielleicht noch Lamorne Morris ("New Girl"), der mit seinen Sprüchen und seiner nerdigen Art für den einen oder anderen Lacher gesorgt hat.
Fazit: Keine Gefahr für Marvel und DC
Leider hat "Bloodshot" zu viel von seinem Potenzial verschenkt, als dass der Film eine wirkliche Konkurrenz für Marvel oder DC sein könnte. Die Slow-Motion-Action hat ihren Reiz, wird allerdings viel zu häufig eingesetzt. Außerdem hätte es dem Film gut getan, mehr auf Innovation statt auf bekannte Szenen aus anderen Blockbustern zu setzen. So bleibt "Bloodshot" nicht mehr als ein netter Sci-Fi-Actionfilm, der sein Publikum finden wird, allerdings nach dem Verlassen des Kinos schon wieder aus den Köpfen der Zuschauer verschwunden sein dürfte.
