Vor 14 Jahren ist "Call of Duty" mit der Eroberung der Normandie-Küste am D-Day gestartet. Dorthin kehrt die Serie in "Call of Duty: WW2" zurück. Das Entwicklerstudio Sledgehammer Games hat nach vielen Ausflügen in die moderne und künftige Kriegsführung jetzt also wieder ein klassisches Weltkriegsszenario im Angebot. Ob das immer noch oder wieder funktioniert, soll unser Test zeigen.
"Call of Duty: WW2" hat drei Standbeine: Erstens eine Solo-Kampagne, zweitens den Koop-Modus "Nazi-Zombies" und natürlich den Multiplayer mit dem neuen Kriegsmodus – für den es aber momentan nur drei Maps gibt. Erklärtes Ziel der Entwickler war es, auch nach Kritik der Spieler und angesichts der wohl nicht mehr so guten Verkaufszahlen, vor allem in der Solo-Kampagne ein realistisches Bild des Zweiten Weltkriegs zu zeichnen. Das ist nur zum Teil gelungen – das sei schon einmal vorab verraten.
Zu Beginn wird die Normandie erobert – wieder mal
Wer sich noch an die Erstürmung der Normandie-Strände in "Medal of Honor: Allied Assault" erinnern kann, dürfte auch den großen Eindruck, den diese Episode des Spiels damals mit einer filmreifen Präsentation gemacht hat, nicht vergessen haben. Heute, 15 Jahre später, wird die Normandie erneut erobert und alles sieht im Grunde aus wie damals – und natürlich wie im Kino, etwa in "Der Soldat James Ryan".
Gut, die Grafik ist natürlich besser geworden, auch wenn die Entwicklung hier offenbar ein wenig stockt und nichts Spektakuläres liefert. Außerdem gibt es mehr Dialoge und einzelne kurze Cutscenes. Aber das Drehbuch scheint sich nicht verändert zu haben, was bis hin zu Details wie den anscheinend pflichtmäßig einzusetzenden Rohrminen Bangalores reicht. Klar, das ist historisch durchaus korrekt, aber so in Games, Film und Fernsehen eben auch alles ein bisschen zu oft schon mal dagewesen.
Der Spieler schlüpft in der Kampagne größtenteils in die Haut des Private Ronald Daniels, der am D-Day im Landungsboot die Ängste durchlebt, die Soldaten in dieser Situation hatten. Die Szenen am Strand dann sind nicht so drastisch, wie im Spielberg-Weltkriegsfilm, aber man sieht etwa auch Soldaten mit abgetrennten Beinen, was so in "Call of Duty" bislang nicht zu sehen war.
Insgesamt ist die Normandie-Szene zwar recht kurz, aber auch danach kommt nichts Neues: Die Erstürmung von Geschützen sieht fast genauso aus wie in der Fernsehserie "Band of Brothers" inklusive der Tatsache, dass man Sprengstoff in die Kanonen steckt. Mitunter sind sogar die Dialoge aus der Fernsehserie abgekupfert. Das starke Déjà-vu-Gefühl zieht sich durch fast die komplette Kampagne.
Schleichmissionen fühlen sich anders an
Abwechslung bringen die Schleichmissionen, von denen es ein paar gibt und die sich etwas anders als der Rest des Singleplayers anfühlen – vermutlich auch deshalb, weil manche Missionen einen anderen Verlauf nehmen, aber nicht unbedingt gescheitert sind, wenn man früh entdeckt wird. In der Regel aber läuft es so ab, dass man – eben wie bislang fast immer in "Call of Duty" – wie auf Schienen durch den Missions-Schlauch fährt und seine Ziele abhakt, um am Ende dann als großer Kriegsheld abgefeiert zu werden.
Eine ganz große und deutliche Ausnahme im Missionsreigen und eine der besten Aufgaben des Titels ist die Erstürmung des Pariser Wehrmacht-Hauptquartiers. Der Spieler schlüpft hier in die Haut der französischen Widerstandskämpferin Rousseau, die sich getarnt zusammen mit einem Mitstreiter in das schwer bewachte Gebäude mogelt. Drinnen muss sie einen Kontaktmann finden und allen möglichen Wachen und Offizieren beweisen, dass sie eine deutsche Soldatin ist. Die Mission ist gelungen und spannend und bietet vor allem mal etwas mehr Bewegungsfreiheit. Hier kommt endlich die ganze Kreativität des Studios zur Geltung.
Fahrverhalten von Jeeps hat mit der Realität nichts gemein
Geradezu grotesk wenig Bewegungsfreiheit hat der Spieler dagegen vor allem in Fahrzeugen. Ob im Panzer, im Jeep oder im Jagdflugzeug: Hier wird der Schießbudencharakter des Spiels auf drastische Weise deutlich, denn natürlich haben Steuerung und Verhalten der einzelnen Fahrzeuge mit der Realität nichts gemein. Das fällt vor allem bei Flugzeug und Jeep auf, gegen deren Steuerung Arcade-Racer die reinsten Rennsimulationen sind.
Wirklich ätzend und nur noch nervig ist die schwerfällige und umständliche Lenkung eines Panzers im Gefecht. Um den Geschützturm zu drehen, muss man mit der Maus hektisch dutzende Male auf dem Tisch in eine Richtung wischen. Vermutlich lautet die Begründung, dass das eben in der Realität auch nicht einfach ist – oder eben, dass das Spiel für die Steuerung mit Controller ausgelegt wurde. Damit es im Spiel Abwechslung gibt, werden diese Fahrzeugaufgaben teils halbherzig eingebaut, denn zu schwer soll es ja auch nicht sein. Wahrscheinlich wäre Weglassen die bessere Alternative gewesen.
"Call of Duty: WW2" ist deutlich schwerer als die Vorgänger
Stichwort Schwierigkeitsgrad: "Call of Duty: WW2" ist deutlich schwerer als seine Vorgänger, was daran liegt, dass der Teil mit einigen Trademarks der Reihe bricht. Erstens hat man keine automatische Regeneration der Gesundheit mehr, sondern muss Erste-Hilfe-Pakete finden. Zweitens wirken auch die Gegner entschlossener und treffen besser. Das hat allerdings wenig mit der Intelligenz der vom Spiel gesteuerten Kontrahenten zu tun, denn die sind nach wie vor eher geistige Tiefflieger und agieren meist dümmlich. Aber das ist eben die Gratwanderung zwischen Intelligenz und Spielbarkeit. Dass das Game viel schwerer zu bewältigen ist, ist natürlich der Absicht der Macher zu verdanken, dass Krieg "realistisch" dargestellt werden soll. Und im Krieg stirbt man eben schnell.
Im Spiel führt das dazu, dass man in der Kampagne pro Minute gefühlte drei Mal ins Gras beißt – jedenfalls im normalen Schwierigkeitsgrad. Etwas besser sieht es dann als "Rekrut" aus. Die unterste Schwierigkeitsstufe hält zwar auch noch regelmäßig Zinksärge bereit, spielt sich aber in etwa so, wie frühere Folgen der Serie im normalen Modus. Beim heutigen "Normal" kommt aber ein richtiger Spielfluss leider kaum auf – zumindest, wenn man noch ungeübt ist. Andererseits wird man gezwungen, vorsichtiger zu sein, zu schleichen und Munition zu sparen. Wer in Rambo-Manier wild feuernd durch die Level rennt, kommt nicht weit.
Filmische Aufbereitung ist absolutes Highlight
Berühmt und auch berüchtigt ist "Call of Duty" ja vor allem für die zum Teil beeindruckende Effekthascherei. Das ist teilweise großartig und manchmal überdreht, aber immer sehr ambitioniert. Die filmische Aufbereitung ist auch in "Call of Duty: WW2" ganz klar ein absolutes Highlight. Die Choreographie der Szenen wirkt größtenteils wie aus einem Guss und ist immer – bis auf Details – gut anzuschauen. Dass Zwischensequenzen nicht abbrechbar sind, ist allerdings – trotz ihrer guten Qualität – eher störend. Weil sie ungünstig mit Speicherpunkten verknüpft sind, darf man sich den Zwischenfilm bei jedem Misserfolg immer und immer wieder zu Gemüte führen darf. Auch die langen Ladezeiten nagen am Geduldsfaden.
Story und Dialoge sind grundsätzlich ebenfalls gelungen, kommen aber manchmal etwas sehr platt rüber. Beispiele: "Sir, wir sind schon ausgedünnt" – "Es geht noch dünner" oder "Wenn wir Hitlers Kopf auf dem Silbertablett bringen, meckert er, dass es nicht poliert ist". Naja. Gern gezeigt wird der immer wieder in Filmen und Spielen bemühte Konflikt zwischen dem Überleben der Soldaten und dem Erreichen von Kriegszielen. Der eine Offizier will seine Männer schonen, ein anderer sieht nur das Ziel. Zusammen mit dem Schicksal der Zivilisten und anderen gezeigten Kriegsgräueln soll das für eine Verdichtung der Atmosphäre sorgen, was aber nur zum Teil gelingt.
Manchmal tropft dann eben doch nur das hohle Pathos aus einer Szene. Es wirkt auch wenig glaubwürdig, dass eine Armee anscheinend ständig mit teils handgreiflichen Rivalitäten zwischen Soldaten und Offizieren zu tun hat, wie das Spiel glauben machen will, um den Figuren Tiefe zu verleihen. Das klappt da viel besser, wo sich "Call of Duty: WW2" leise Momente gestattet – etwa dann, wenn der Protagonist sich nicht traut, Post seiner Liebsten Hazel zu öffnen, weil das ein Abschiedsbrief sein könnte. Hier erzählt das Spiel dann tatsächlich einmal realistische Kriegsgräuel, die nicht mit Geballer zu lösen sind.
Nazi-Zombies: Interessante Story, tolle Darsteller
Wieder mit von der Partie ist der Nazi-Zombie-Modus: Eine Truppe von Abenteurern muss sich in Koop-Manier durch immer neue Wellen von Zombies zu bestimmten Zielen vorkämpfen. Garniert ist das ganze mit einer interessanten Geschichte und guten Darstellern – etwa dem bekannten Filmbösewicht Udo Kier ("Iron Sky"), der den verrückten Wissenschaftler Doktor Peter Straub spielt. Der erschafft in seinen Katakomben untote Soldaten.
Als Straub den Bruder der US-Agentin Marie Fischer fängt und einsperrt, nimmt sie mit dem Ex-Kunstdieb Drostan Hand, Sergeant Jefferson Potts und der Résistance-Kämpferin Olivia Durant die Jagd auf. Für Einsteiger in den Modus gibt es erstmalig einen Prolog, der wie ein Tutorial funktioniert. Aber die Tipps sind knapp bemessen und das Team muss gemeinsam herausknobeln, wie Straub und seine Maschinen und Wesen zu bezwingen sind.
Multiplayer glänzt mit neuem Kriegsmodus
Prunkstück des Multplayer ist der neue Kriegsmodus. Dessen Missionen sind in Operationen unterteilt und erinnern damit an "Enemy Territory: Quake Wars" oder auch "Battlefield 1". Zuerst müssen die alliierten Soldaten beispielsweise eine Bunkeranlage stürmen, dann geht es durchs MG-Feuer am Strand, worauf sich die Verteidiger dann in einen anderen Bereich der Karte zurückziehen. Dort schützen sie Funkanlagen vor den Eroberern. In der letzten Phase der "Operation Neptun" müssen die Alliierten Streitkräfte zwei Geschütze unschädlich machen. Bei den Team-Partien geht es weniger um die Zahl der Kills als darum, gemeinsam die Ziele zu erreichen. Zusammenarbeit und taktisch geschicktes Vorgehen sind gefragt.
Fazit: Licht und Schatten im Zweiten Weltkrieg
"Call of Duty: WW2" bietet eine actionreiche Kampagne, die mit einigen interessanten, aber auch vielen langweiligen und abgekupfert wirkenden Missionen gespickt ist. Um den Krieg "realistisch" darzustellen – warum hat Sledgehammer sich nur diesen unerfüllbaren Anspruch auferlegt? – ist allerdings viel zu viel Effekt-Feuerwerk im Spiel. Das ist aber, losgelöst von der historischen Akkuratheit, wie immer nahezu großartig. Die Explosionen könnten manchmal besser sein, die Gesichter wirken teils maskenhaft, aber viele Passagen sind in Hollywood-Manier klasse präsentiert. Hier ist "Call of Duty: WW2" ganz großes Kino, keine Frage.
Viel Mühe steckt wieder in Details wie Waffen und Fahrzeugen, weniger dagegen in der Fahrphysik. Die könnte man vermutlich auch weglassen – zusammen mit den eingestreuten Quicktime-Events im Kampf Mann gegen Mann mit anderen Soldaten. Der Multiplayer ist von gewohnt guter Qualität, wobei der neue Kriegsmodus absolut positiv hervorsticht. Schade, dass es erstmal nur drei Maps dazu gibt. Die Zombies sind spannend, die Schauspieler hervorragend und die Story ist stimmig.
Alles in allem schnürt das neue "Call of Duty" ein dickes Paket, ist allerdings auch wieder ein Spiel mit Licht und Schatten. Wer sich nicht daran stört, das alles schon mal gesehen zu haben und Spaß an Effekt-Bombast im Hollywood-Stil, Multiplayer-Koop und Zombie-Schnetzeln hat, macht mit "Call of Duty: WW2" nichts falsch.