Nach Jon Favreaus "The Jungle Book" und Bill Condons "Die Schöne und das Biest" legt Disney mit einem weiteren Live-Action-Film rund um einen Kindheitshelden nach: In "Christopher Robin" gibt es ein Wiedersehen mit Winnie Puuh und seinen Freunden. Doch schon im Vorfeld spaltete der "neue" Look der CGI-Stofftiere die Gemüter. Unsere Filmkritik verrät Dir, ob sich die Rückkehr in den Hundert-Morgen-Wald dennoch lohnt.
Als die Tiere den Wald verließen: Die Story
England, Ende der 1940er-Jahre: Christopher Robin (Ewan McGregor), einst ein neugieriger Junge voller Fantasie, ist erwachsen geworden. Seine ganze Zeit und Kraft investiert er pflichtbewusst in seinen Job bei einem Kofferhersteller. Ehefrau Emily und Töchterchen Madeline sieht Christopher kaum und an den Hundert-Morgen-Wald und seine Bewohner denkt er längst nicht mehr.
Als der "dumme alte Bär", Winnie Puuh, bei Christopher Robin in London auftaucht und ihn um Hilfe bittet, kehrt er deshalb nur widerwillig mit ihm zurück. Damit nimmt das Chaos jedoch erst seinen Anfang, denn Puuh, Ferkel, Tigger und I-Aah erkennen, dass Christopher Robin ebenfalls gerettet werden muss – und folgen ihrem einstigen Spielkameraden kurzerhand zurück nach London.
Ein bisschen abgenutzt, aber immer noch kuschelig
Zugegeben, diese Storyline ist nicht gerade neu. Bereits nachdem der erste Trailer erschienen ist, fühlten sich viele Filmfans prompt an Steven Spielbergs Fantasy-Abenteuer "Hook" aus den frühen 1990ern erinnert, in dem der erwachsene Peter Pan ins Nimmerland zurückkehrt und das Kind in sich wiederentdecken muss. Und auch wenn McGregors Christopher Robin nie so abgestumpft und beinahe schon unsympathisch rüberkommt wie Robin Williams‘ erwachsener Workaholic-Peter, so wirkt die Handlung ohne jegliche Überraschungsmomente dennoch beinahe so abgegriffen wie seine reichlich mitgenommenen plüschigen Charaktere.
Aber wer sich "Christoper Robin" ansieht, erwartet wohl auch keine großen Twists. Viel mehr wollen die erwachsenen Zuschauer ebenso wie der Titelheld an ihre Kindheit erinnert werden. Und das gelingt Regisseur Marc Forster, der mit "Wenn Träume fliegen lernen" auch schon die Entstehungsgeschichte von – oh, Zufall – "Peter Pan" verfilmte, in großem Maße.
Viele Stilelemente der Disney-Zeichentrickserie "Neue Abenteuer mit Winnie Puuh" (1988-91) werden schlicht unverändert wieder aufgegriffen. So beginnt Forsters Film wie die Folgen der Serie mit dem Buch, das aufgeschlagen wird. Kapitel für Kapitel werden die wichtigsten Ereignisse im Leben des heranwachsenden Christopher Robin nacherzählt.
Und spätestens, wenn zum Ende des ersten Drittels des Films leise die altbekannte Titelmelodie von "Winnie Puuh" erklingt, während Christopher Robin seinen Teddy ins Bett bringt, stiehlt sich ein Lächeln auf die Lippen der mittlerweile ebenfalls erwachsenen Puuh-Fans. Ich gebe es zu: Dieser Theme ruft prompt Erinnerungen an die Zeit wach, in der man als Kind in eine Decke eingekuschelt auf dem Sofa saß und gebannt auf den Fernsehbildschirm starrte …
Es war einmal ... ein ganz schön deprimierender Anfang
Doch dieses kuschelige Gefühl entspricht nicht der anfänglichen Grundstimmung von "Christopher Robin". Tatsächlich ist das Geschehen im ersten Drittel des Live-Action-Films so grau und schwermütig wie Grummel-Esel I-Aah. Im Gegensatz zur Serie steht hier statt Puuh, wie der Name schon sagt, Christopher Robin im Fokus.
In der Zeit nach seinen kindlichen Abenteuern im Hundert-Morgen-Wald hat er offenbar so einige Schicksalsschläge hingenommen und schwere Zeiten durchgestanden. Dementsprechend farblos stellt Regisseur Marc Forster Christopher Robins jetziges Leben auf der Leinwand dar. Farbe kommt auf der Leinwand erst ins Spiel, als der Titelheld langsam das Kind in sich wiederentdeckt.
Ein Kinderheld kehrt für die großen Kinder zurück
Schnell wird klar: Dieser Disney-Film richtet sich trotz der FSK-6-Freigabe nicht unbedingt an ein junges Publikum, das wohl mit dem leichtherzigeren Bärenkollegen "Paddington" besser bedient wäre. Stattdessen werden gezielt die "alten Hasen" angesprochen – und nein, hier ist nicht Rabbit gemeint, sondern die erwachsenen Puuh-Fans, die die Last der Alltagssorgen auf Christopher Robins Schultern nur allzu gut kennen.
An sie richten sich auch die diversen nostalgischen "Alles wie damals"-Momente, beispielsweise wenn I-Aaah einmal mehr seinen Schwanz verliert und Eule wieder ziemlich wirre Familiengeschichten zum Besten gibt. Alles steht klar unter dem Disney-typischen Motto "Noch einmal Kind sein".
Puuh altert mit seinen Fans
Und vor dem Hintergrund dieses Leitmottos passt dann auch der umstrittene neue Vintage-Look von Puuh und Co. wie der Bär zum Honigtopf. Erinnert das etwas schmuddelige und nicht mehr ganz frische Aussehen der Tierchen doch an all die Abenteuer, die Christopher Robin einst mit ihnen bestritt und die nun schon einige Jahre zurückliegen. Puuh wird eben auch nicht jünger ...
"Christopher Robin": Fazit
Ein Kinobesuch zu "Christopher Robin" ist fast so, als hätte man sein altes Lieblingsspielzeug auf dem Dachboden wiedergefunden. Ein wenig trauert man der unbeschwerten Kindheit hinterher, bevor man schließlich in schönen Erinnerungen schwelgt. Die jüngere, weniger Puuh-affine Generation dürfte Marc Forsters Film trotz seiner knuddeligen Helden allerdings nicht unbedingt abholen.