Es ist nicht alles schlecht an Google Stadia: Wenn sich aufwendige Blockbuster-Spiele ganz ohne Download im Chrome-Browser auf meinem alten MacBook öffnen, sehe ich für einen Moment die Zukunft der Videospiele aufblitzen. Aber die ist nicht nur rosig.
- Cloud-Gaming überall – irgendwann mal
- Genug Netz zum Zocken?
- Was soll ich da eigentlich spielen – und mit wem?
- Immerhin: Schöner Controller
- Für wen ist Google Stadia etwas?
- Fazit
Mit Stadia will Google die Spieleindustrie revolutionieren. Konsole oder Gaming-PC sollen überflüssig werden, da die Cloud-Server des Alphabet-Konzerns über mehr als genügend Rechenpower verfügen, um hochwertige Games über das Internet auf jeden Bildschirm zu streamen. Seit November ist Google Stadia im kostenpflichtigen Premium-Abonnement für etwa zehn Euro monatlich erhältlich, eine Gratisversion soll "bald" folgen.
- Spielen auf verschiedenen Screens per WLAN oder Kabel
- Schneller Wechsel zwischen den Bildschirmen
- Sofortiges Spielen nach dem Kauf, ohne Download oder Installation
- Spiele mit bis zu 4K-Auflösung, 60 FPS, HDR und Surround Sound
Ich habe Stadia Pro über einen längeren Zeitraum getestet und mit weiteren Anbietern verglichen. Denn Cloud Gaming ist nicht neu, andere Dienste ermöglichen das Spielen ohne teure Hardware bereits. Steuerungseingaben an Controller oder Maus und Tastatur werden dabei vom Spieler aus an Server geschickt, die die Rechenarbeit übernehmen. Auf dem Bildschirm erscheint zeitgleich das Spielgeschehen als Videostream. Voraussetzung dafür, dass das gut funktioniert, ist eine gute Internetverbindung.
Cloud-Gaming überall – irgendwann mal
Das Versprechen von Cloud Gaming ist einfach: Hochwertige Spiele sollen Hardware-unabhängig auf jedem Bildschirm gezockt werden können. Gerade Google Stadia ist in diesem Punkt aber alles andere als unkompliziert: iOS-Geräte sind vorerst komplett ausgeschlossen, Android-Smartphones (bisher nur Googles Pixel-Modelle) lassen sich ausschließlich mit verkabeltem Stadia-Controller nutzen, andere Controller laufen dagegen mit Bluetooth, TV-Geräte jedoch nur mit Chromecast Ultra, dann aber funktioniert der Stadia-Controller auch kabellos. Da muss der Kunde erstmal durchblicken. Später soll mal alles einfacher werden, Google rüstet nach.
Das gilt auch für einen ganzen Haufen Features, der Stadia von anderen Anbietern abheben soll: "Crowd Play", "State Share", "Style Transfer" oder "Stream Connect" werden nachgeliefert. Hinter den bunten Namen verbergen sich Funktionen, die beispielsweise den Einstieg ins Spiel eines Youtubers erlauben, an der exakt gleichen Stelle, die im Video zu sehen ist ("Crowd Play"). Oder das Verschicken eines bestimmten Spielstands als kompakten Browser-Link ("State Share"). Auch einen kostenlosen Zugang soll es später geben. Wann genau das alles folgt, ist bisher jedoch unbekannt.
Genug Netz zum Zocken?
Für Google Stadia wird offiziell eine Internetverbindung von mindestens 10 Mbit/s vorausgesetzt. Der Test zeigt: Es ist deutlich mehr nötig, damit das Spielen über Stadia wirklich Spaß bringt. Um das festzustellen habe ich meine Bandbreite per Software künstlich reduziert. Erträglich ist das Stadia-Spielerlebnis ab 15 Mbit/s, empfehlenswert sind aber mindestens 25 Mbit/s tatsächlich verfügbare Bandbreite.
- Ein stabiler Internetanschluss mit ausreichend Bandbreite ist für Cloud-Gaming unerlässlich. Wichtig: Wer beim Provider zum Beispiel einen 20-Mbit/s-Anschluss zahlt, wird in der Regel mit deutlich geringerer Geschwindigkeit auskommen müssen. Abhängig ist das von vielen Faktoren, wie der Verkabelung des Wohnhauses oder der aktuellen Auslastung in der Umgebung. Ein Speedtest zur "Hauptverkehrszeit" im Internet, etwa am Freitagabend, verschafft Klarheit.
- Neben der allgemeinen Verbindungsgeschwindigkeit ist auch die Ping-, beziehungsweise Latzenzzeit ausschlaggebend. Sie beschreibt die Geschwindigkeit, in der die Datenpakete zwischen den beteiligten Servern hin- und zurückwandern – nicht die Downloadrate, die in der Werbung meist von Providern angegeben wird. Die Ping-Zeit sollte möglichst niedrig sein und wird ebenfalls bei gängigen Speedtests ermittelt. Es kann durchaus sein, dass ein Anschluss mit hoher Downloadrate über langsame Pingzeiten verfügt, die Cloud Gaming beeinträchtigen.
Dazu kommt, dass Google im Vergleich sensibler auf höhere Ping-Zeiten zu reagieren scheint als andere Anbieter. Im Büro mit mehreren Hundert Megabit pro Sekunde an Bandbreite, dafür aber Verbindung über das komplexe Firmennetzwerk, ist das Spiel oft pixelig und von Input-Lag gebeutelt. Zuhause über den Hausanschluss mit etwa 150 Mbit/s, aber dafür mit niedrigerem Ping, läuft es am Desktop per LAN-Kabel klar besser.
Ein noch besseres Ergebnis erzielte ich interessanterweise über WLAN am UHD-TV per Google Chromecast Ultra. Diese Variante am Fernseher mit Stadia Controller, aber statt per WLAN mit Netzwerkkabel, wirkte wie das optimale Nutzungsszenario für Google Stadia. Je nach Spiel wird die versprochene 4K-Auflösung auch dann selten erreicht, aber immerhin erhielt ich HDR-Grafik und das Spielgefühl ließ sich nicht von der PS4 unterscheiden – auch wenn konditionierten Multiplayer-Fans der minimal stärkere Input-Lag auffallen könnte.
Bisher können Einstellungen rund um Stream und Performance nur in der Stadia-App vorgenommen werden, sie gelten dann für jedes Gerät, auf dem mit dem Account gespielt wird. Leider lassen sich verschiedene Parameter nicht im Detail anpassen. Es stehen lediglich die drei Optionen "Eingeschränkte Datennutzung" (bis 720p Auflösung), "Ausgeglichen" (bis 1080p) und "Beste Bildqualität" (bis 4K) zur Verfügung.
Google gibt an, dass Stadia "alle Grafikeinstellungen automatisch an Internetverbindung und gewünschte Qualität" anpasst. Weitere Optionen wären wünschenswert. Cloud-Konkurrent Nvidia GeForce Now etwa lässt mich im Client maximale Bitrate, Auflösung, FPS oder VSync unabhängig voneinander verstellen und bietet einen zusätzlichen Modus für schlechte Netzwerkverbindungen.
Was soll ich da eigentlich spielen – und mit wem?
Das größte Manko an Googles Dienst ist aber nicht die Technik, die wird sich mit der Zeit hoffentlich immer weiter verbessert. Schwierig wird es bei den Inhalten, die über Stadia verfügbar sind. Ein Vierteljahr nach dem Launch sind insgesamt nur 28 Games verfügbar, das Adventure "Gylt" ist das einzige Stadia-Exklusivspiel. Für 2020 wurden zwar bereits 120 weitere Titel versprochen, welche das sind und wann sie kommen ist jedoch unklar.
Zuvor auf anderen Plattformen erworbene Spiele sind mit Stadia nicht nutzbar. Habe ich zum Beispiel "Ghost Recon Wildlands" für den PC oder die PS4 gekauft und bereits 30 Stunden gespielt, muss ich es beim Umstieg auf Google Stadia erneut für etwa 50 Euro kaufen und kann meinen alten Spielstand nicht nutzen. Dazu kommen die monatlichen Gebühren für Stadia selbst.
Das muss sich ändern – und Besserung ist in Sicht: "The Division 2", wie "Ghost Recon" ebenfalls von Ubisoft, wird Mitte März auch auf Google Stadia veröffentlicht, mit übertragbaren Spielständen und Crossplay zur PC-Version. Man wird auf den Servern also auch Spieler antreffen, die nicht Stadia nutzen. In "Destiny 2", das auf Stadia bisher ohne Crossplay auskommen muss, traf ich an einem Dienstagabend innerhalb mehrerer Stunden nicht mal ein Dutzend anderer Spieler an. Für ein Massive-Multiplayer-Online-Spiel ist das verheerend.
Bleibt zu hoffen, dass Crossplay und Cross-Progression zum Standard bei Stadia werden. Auch wenn man die Spiele dafür voraussichtlich weiterhin erneut kaufen muss, was in Zeiten von Spiele-Abos auch nicht mehr wirklich zeitgemäß erscheint.
Immerhin: Schöner Controller!

Aber, wie gesagt: Es ist nicht alles schlecht. Der Stadia Controller fühlt sich klasse an, ist hochwertig verarbeitet und liegt gut in der Hand. Er fühlt sich ein wenig an, wie ein breiterer Xbox-Controller mit den Griffen des PS4-DualShocks. Eine spezielle Taste lässt mich blitzschnell Screenshots und Videos aufnehmen, die ich dann in der Stadia-App verwalten kann. Eine weitere Taste ist für den Google Assistant vorgesehen, diese Funktion ist allerdings noch nicht verfügbar. Schade auch, dass sich der Controller bisher nicht an PC oder Mobilgerät für Spiele ohne Stadia nutzen lässt.
Für wen ist Google Stadia etwas?
Wer gegenüber Google Stadia skeptisch ist, sollte das nicht auf die Technologie schieben. Es ist beeindruckend, wie sich aufwendige Spiele ganz einfach im Chrome-Browser starten lassen und mit einer guten Internetanbindung funktioniert Cloud-Gaming durchaus.
Kritik am Geschäftsmodell von Stadia ist dagegen zweifellos angebracht. Es findet sich kaum ein Grund, warum jemand, der bereits Konsument von Videospielen ist, auf die neue Plattform umsteigen und dafür ein kostenpflichtiges Abo abschließen sollte. Interessant ist Google Stadia höchstens für Menschen, die über einen guten Internetanschluss verfügen, aber:
- bisher keine Konsole oder keinen Gaming-PC besitzen,
- bisher keine Games besitzen,
- oder keine Freunde haben, mit denen sie uneingeschränkt zusammen spielen wollen.

Aber auch für diese begrenzte Zielgruppe ist es Stand Jetzt leider nicht zu empfehlen, ihre Stadia-Bibliothek mit Vollpreisspielen zu füllen. Denn Google könnte in einiger Zeit auf die Idee kommen, den Stecker bei Stadia wieder zu ziehen, wenn der Erfolg ausbleibt – wie bei vielen anderen seiner Dienste, die keine guten Nutzerzahlen erzielten. Dann wären auch die teuer bezahlten Inhalte und Spielstände der Kunden futsch, die jetzt in das Wagnis investieren.
Fazit
Es gibt starke Alternativen zu Google Stadia – vor allem für Spieler, die Interesse an PC-Games haben. Nvidia GeForce Now ermöglicht zum Beispiel das Spielen anderswo gekaufter Games, der französische Dienst Shadow ebenso. Noch dazu bieten beide Unternehmen mehr Freiheiten rund um Einstellungen und verfügbare Endgeräte.
Für mich ist das Interessanteste an Google Stadia, wie zügig sich die Probleme dieser virtuellen Spielekonsole lösen ließen. Zwei hoffnungsvolle Maßnahmen, mehr Nutzer auf die Plattform zu bringen, wurden ja bereits angekündigt:
- Stadia Base, der kostenlose Zugang mit beschränkter 1080p-Auflösung ist der wichtigste Schritt in diese Richtung.
- Ubisofts Spiele-Flatrate zum Abo-Preis namens Uplay+ soll im Laufe des Jahres auch mit Stadia nutzbar werden.
Vor allem aber muss die Anzahl der verfügbaren Games steigen, damit sich ein Stadia-Abo für Spieler lohnt. Wie es scheint, investiert Google hier noch nicht genug. Indie-Entwicklern bietet das Unternehmen kaum Anreize, ihre Spiele dort zu veröffentlichen. Stattdessen sollte Google Entwickler mit attraktiven Finanzierungsmodellen locken, um sie auf die Plattform zu ziehen, wie Microsoft oder Apple es bereits tun. Dann, aber auch nur dann, könnte Stadia noch die Kurve kriegen.