In "Control", dem neuen Spiel der "Alan Wake"-Macher von Remedy, lassen die Nvidia-RTX-Grafikkarten erstmals so richtig ihre Raytracing-Muskeln spielen. Das Ergebnis könnte ein früher Blick auf die Next-Gen-Grafik sein – sowohl für Konsolen- als auch für PC-Spieler.
Seit der Ankündigung der GeForce-RTX-Grafikkarten von Nvidia, hat der Hersteller immer wieder versucht, den PC-Gamern da draußen die Vorteile der unterstützten Raytracing-Effekte für die Spielegrafik näher zu bringen. Games wie "Battlefield 5" oder "Metro Exodus" konnten bisher jedoch nur einen Teil dessen zeigen, was mit realistischer Licht- und Reflexionsberechnung dank Raytracing möglich ist.
"Control", der neue Titel der "Alan Wake"-Macher Remedy, zeigt nun jedoch, was die RTX-Karten wirklich leisten können. Damit gibt der Titel auch einen Ausblick darauf, was uns wahrscheinlich mit der kommenden Konsolengeneration aus PlayStation 5 und Xbox Project Scarlett grafisch erwartet. Denn wie mein Kollege Andreas in seinem Artikel schreibt, werden beide Konsolen vermutlich mit einem Grafikchip der AMD-Navi-Architektur ausgestattet sein, die eine Form von Raytracing unterstützen soll.
Raytracing markiert einen deutlichen Sprung
Gestestet habe ich "Control" auf einem ziemlich starken Rechner mit einem Core i7-8700, 16 GB RAM und einer Nvidia GeForce RTX 2080 Super. Bereits ohne aktiviertes Raytracing sieht das Spiel dank volumetrischer Beleuchtung und globaler Reflexionsberechnung ziemlich gut aus und läuft in Ultra-Settings in Full-HD bequem mit 80 bis 90 Bildern pro Sekunde.
Im Vergleich mit Konsolenversionen von Xbox One X oder PS4 Pro läuft das Spiel in diesen Einstellungen also deutlich flüssiger und bietet etwas ausgefeiltere Effekte, wie es bei den meisten Games dieser Tage üblich ist. Das ändert sich jedoch, sobald Raytracing in den Grafikeinstellungen aktiviert wird. Plötzlich wirken Licht und Reflexionen sehr viel aufwändiger und realistischer – und es zeigen sich Effekte, die es so bislang nicht in einem Spiel zu sehen gab. Auf einen Schlag sieht "Control" aus, als würde es aus einer völlig anderen Hardware-Generation stammen.
Dass der grafische Sprung in "Control" so groß wirkt, hat aber auch damit zu tun, dass das Grundgerüst der Umgebung mit glatten Wänden und Fluren eher trist und wenig spektakulär wirkt. Die gesamte Szenerie lebt fast ausschließlich von den opulenten Lichteffekten, die, wie schon erwähnt, auch ohne Raytracing schon gut aussehen. In optisch opulenteren Spielen wie "Anthem" oder "Ghost Recon Breakpoint" würden die Raytracing-Effekte nur schwer eine ähnliche Wirkung entfalten können.
Die Raytracing-Effekte von "Control"
Anders als bisherige Titel wie "Battlefield 5" oder "Metro Exodus" bietet "Control" nicht nur einen einzigen Raytracing-Effekt, sondern gleich eine ganze Palette davon. Diese wären:
- Raytracing-Spiegelungen
- Transparente Raytracing-Spiegelungen
- Indirekte Raytracing-Beleuchtungen
- Raytracing-Kontaktschatten
- Raytracing-Schutt
Die mit Abstand beeindruckendsten Effekte davon sind die Raytracing-Spiegelungen und die Transparenten Raytracing-Spiegelungen. Diese sorgen dafür, das sich neben dem Licht auch die Umgebungen in Echtzeit auf glatten Oberflächen spiegeln. Im Falle der Transparenten Spiegelungen funktioniert das sogar in Glasscheiben, die, wie in der Realität, einerseits natürlich transparent sind, gleichzeitig aber einen Teil des Lichts und der Umgebung spiegeln.
Im Gegensatz zu bisherigen Echtzeit-Verfahren auf Basis von Rasterisierung, funktionieren Spiegelungen dank Raytracing auch mit Objekten, die gar nicht im sichtbaren Bildbereich sind, sondern die sich zum Beispiel hinter der Spielfigur befinden.
Andere Effekte wirken sehr viel dezenter und können schon mal übersehen werden. Indirekte Raytracing-Beleuchtungen sorgen beispielsweise dafür, dass Licht, das von einem Objekt reflektiert wird, wieder auf andere Objekte trifft. Kontaktschatten machen genau das Gegenteil, denn Objekte in der Spielwelt bieten sich gegenseitig Schatten.
Raytracing-Schutt ist etwas sehr "Control"-spezifisches und sorgt dafür, dass auch Teile von zerstörbaren Objekten während des Zerstörvorgangs über ein realistisches Licht-Schatten-Modell in Echtzeit verfügen.
Raytracing ist extrem Hardware-hungrig
Sind all diese Effekte aktiviert, erzeugen sie eine ziemlich heftige Rechenlast auf der GPU, die auf meinem Testsystem dazu führt, dass die Performance bei Full-HD-Auflösung auf 50 bis 65 Bilder pro Sekunde herabsinkt.
PCs ohne RTX-Karten haben diese Performance-Sorgen natürlich nicht – aber nur deswegen, weil sie gar nicht erst die Möglichkeit haben, diese Grafikpracht überhaupt zu erzeugen. Der Unterschied zwischen einer RTX-Grafikkarte und einem älteren Modell wirkt dadurch beinahe wie ein echter Generationen-Sprung und ist, abseits der Framerate, deutlich sichtbarer, als jener zwischen einem Rechner ohne RTX und einer Konsole.
PS4- und Xbox-One könnten bald ziemlich alt aussehen...
An dieser Stelle wird Raytracing auch für überzeugte Konsolenspieler relevant. Sowohl PlayStation 5 als auch die Xbox Project Scarlett sollen nach den Ankündigungen der Hersteller Abwärtskompatibel zur aktuellen Generation sein, was vermutlich dazu führen wird, dass Spiele zumindest in der Anfangszeit noch für die alte und die neue Generation parallel entwickelt werden.
Denn natürlich wollen Publisher auf den neuen Konsolen präsent sein, aber gleichzeitig nicht die riesige Nutzerbasis außen vor lassen, die bereits eine PS4 oder Xbox One ihr eigen nennt. Rein wirtschaftlich dürfte es also Sinn machen, Spiele in Zukunft so zu entwickeln, dass sie zwischen alter und neuer Konsolengeneration skalierbar sind.
Aber warum sollten Spieler dann überhaupt auf die neuen Konsolen wechseln? Die Antwort könnte unter anderem lauten: Raytracing! Denn realistische Licht-und-Reflexionsberechnung wird zumindest eines der Features sein, die PS5 und Xbox Project Scarlett den aktuellen Konsolen dank der neuen AMD-Navi-Chips voraus haben könnten.
Oder kurz ausgedrückt: PS5 und Xbox Project Scarlett werden Grafik-Effekte brauchen, mit denen sie ihre Anschaffungskosten rechtfertigen können. Das Versprechen auf höhere Auflösung und stabilere Framerates wird dafür möglicherweise nicht ausreichen, denn mit diesem sind schließlich schon PS4 Pro und Xbox One X angetreten. Raytracing sieht hingegen schon eher wie der Sprung in eine neue Grafik-Generation aus.
...PCs ohne Raytracing-Grafik aber auch
Der PC als Spieleplattform ist da sogar schon ein Stück weiter. Er steckt schon mitten im Generationensprung zwischen RTX-Grafikkarten mit Raytracing und älteren Modellen ohne die entsprechenden Effekte. Denn eines ist klar: Ohne die entsprechende Hardware-Architektur in der GPU bleiben die Raytracing-Effekte auch dem fettesten Gaming-PC vorenthalten.
Und genau wie Konsolenhersteller, die ihre neue Hardware mit verbesserten grafischen Effekten in Vorzeigespielen anpreisen, macht dies seit Monaten auch Nvidia. Selten hat ein Grafikkarten-Hersteller ein Spiel dabei so offensiv als Werbematerial für seine neue Hardware genutzt, wie es derzeit mit "Control" geschieht. Die Botschaft, die vermittelt werden soll, ist klar: "Wer echte Next-Gen-Grafik genießen will, braucht eine neue Grafikkarte!" Spätestens, wenn die neuen Grafikkarten auf Basis der Navi-Architektur erhältlich sind, dürfte auch AMD in diese Botschaft mit einstimmen.
Ebenso wie die Next-Gen-Konsole könnte dann auch der Next-Gen-PC ganz plötzlich ein Thema sein, das in aller Munde ist.