"Cuphead" eilt sein Ruf als anspruchsvolles Action-Game der alten Schule voraus. Wir haben uns den Indie-Titel auf dem PC für einen Test vorgenommen und uns dankbar Hunderte Male in den hübsch gezeichneten virtuellen Abgrund schleudern lassen.
- Liebevolles Design wie aus einem alten "Popeye"-Comic
- Unser treuer Begleiter: der "YOU DIED!"-Bildschirm
- Surreale Bosse laden zum Todestanz
- Jeder Sieg ein K(r)ampf
- Fazit: "Cuphead" muss erarbeitet werden – aber das lohnt sich
Sieben Jahre lang haben die kanadischen Indie-Entwickler vom Studio MDHR an "Cuphead" gebastelt und in dieser Zeit wurde schon so einiges über das Game geschrieben: Wunderschön sollte das handgezeichnete Jump 'n' Run sein, liebevoll animiert und mit einem hinreißenden Soundtrack untermalt. Dazu versehen mit einem Schwierigkeitsgrad, der nur als "bockschwer" zu bezeichnen ist – ohne aber unfair zu werden. Nach einigen bittersüßen Spielstunden mit dem Game lässt sich guten Gewissens feststellen: Es stimmt! Alles davon!
Liebevolles Design wie aus einem alten "Popeye"-Comic
Ja, "Cuphead" ist eine Augen- und Ohrenweide, wie sie einem nicht allzu oft unterkommt. Schon die weitgehend leeren Ladebildschirme sind nicht einfach nur langweilig schwarz, sondern von knisterndem Bildrauschen durchzuckt wie die alten Cartoons der 1930er-Jahre, von denen der wirklich originelle Zeichenstil inspiriert ist. Dazu läuft schmissiger Jazz, Barbershop und Swing, der neu komponiert und eingespielt wurde, aber auch locker aus derselben Epoche stammen könnte.
Die knappe Hintergrundgeschichte um den tassenköpfigen Cuphead, der im Kasino seine Seele an den Teufel verliert, wird zum Einstieg als dramatisches Bilderbuch erzählt – und da ist man schon verliebt in die Ästhetik dieses mit völlig überzogen scheinendem Aufwand hergestellten Spiels, bevor es überhaupt losgeht. Diese Liebe wird allerdings schon sehr bald auf eine harte Probe gestellt. Nach einem kurzen Tutorial wird unser knuffiger Held nämlich in eine aquarellgemalte Oberwelt entlassen, aus der Plattformer- und Bosslevels abzweigen.
Mit dem ersten "echten" Gameplay in einem dieser Abschnitte zeigt sich dann auch, was für ein Spiel hinter der vordergründig niedlichen, fast schon kindlichen Fassade von "Cuphead" steckt. Keines für Kinder jedenfalls, die wenig Geduld, eine niedrige Frustrationstoleranz oder weniger als dreihundert Spielstunden Erfahrung mit alten Run-and-Gun-Games wie "Gunstar Heroes", "Metal Slug" oder "Contra" haben.

Unser treuer Begleiter: der "YOU DIED!"-Bildschirm
"'Cuphead' soll eine Herausforderung sein", erzählten uns die Entwickler kürzlich im Interview – und genau das ist es auch: Wer sehnsüchtig an die Zeiten zurückdenkt, in denen einem von Jump 'n' Runs nichts geschenkt wurde und es mit Glück ein kurzes Tutorial, aber sicherlich keine ständigen Hinweis-Einblendungen gab, der ist hier richtig.
Gleich im ersten Level, einem harmlos aussehenden Waldabschnitt, verbringen wir gut 20 Minuten damit, uns Gegner für Gegner, Abgrund für Abgrund, Tod für Tod ein Stückchen weiter in Richtung Ziel vorzuarbeiten. Drei Schläge hält die Spielfigur aus, danach flimmert ein fettes "YOU DIED!" über den Bildschirm und wir fangen wieder am Levelanfang an. Vorher zeigt eine kleine Grafik aber noch an, wie nah wir der Zielgerade gekommen sind – das motiviert, es gleich noch einmal zu versuchen. Denn auch wenn "Cuphead" eine gewisse Unbarmherzigkeit ausstrahlt, ist es doch gerecht: Die Lernkurve ist steil, aber sie ist da und so lernen wir Neuanfang für Neuanfang, den Gegnerhorden auf Augenhöhe zu begegnen.
Surreale Bosse laden zum Todestanz
Die Plattformer-Levels sind aber eigentlich eher Nebenschauplätze, in denen wir vor allem Münzen zur Verbesserung unserer Waffen und Fähigkeiten einsammeln können. Der eigentliche Kern von "Cuphead" sind die Bosse, von denen es – je nach Zählung – um die 20 Stück gibt. Jeder der Widersacher hat sein eigenes surreales Design, seine eigenen teuflischen Taktiken und verschiedene Phasen, die er durchläuft. Allein im ersten Abschnitt der Spielwelt bekommen wir es mit so skurrilen Gegnern wie einem aggressiven Gemüsebeet, einem hüpfenden blauen Ball und einer irren Sonnenblume zu tun – sowie als Krönung des Wahnsinns mit zwei Fröschen mit Boxhandschuhen, die sich zwischenzeitlich in einen Slot-Automaten verwandeln.
Um sich am Design sattzusehen, bleibt aber natürlich auch hier keine Zeit. Vielmehr gilt es, zwischen großen und kleinen Gegnern, bunten Projektilen und fies platzierten Hindernissen noch irgendwie den Überblick zu behalten. Wie in den Run-and-Gun-Passagen hilft auch hier eigentlich nur eines: Kämpfen, sterben, aus Fehlern lernen – und wieder und wieder von vorn anfangen.
Jeder Sieg ein K(r)ampf
Nun liest sich das einfacher und entspannter, als es eigentlich ist. Wer nicht gerade Zen-Meister oder professioneller Speedrunner ist, wird mit "Cuphead" garantiert auch unzählige frustrierende Momente erleben und Software wie Hardware mit verbalen Schmähungen aller Art überziehen. Dafür fühlt sich ein Sieg hier aber auch immer absolut verdient an und für dieses befriedigende Gefühl am Levelende nimmt man eine ganze Menge Strapazen in Kauf. Wer doch mal unerträglich lange an einem Boss festhängt, kann sich im Couch-Koop-Modus mit einem Mitspieler zusammentun.

Das macht die Kämpfe zwar auch nicht übersichtlicher, aber Cuphead und die zweite Spielfigur namens Mugman können sich nach dem Ableben eines der beiden Tassenköpfe gegenseitig wiederbeleben, wenn der überlebende Spieler geistesgegenwärtig genug handelt. Und wenn's gar nicht anders geht, lässt sich zu Beginn jedes Kampfes auch ein leichterer Schwierigkeitsgrad auswählen. So können mit weniger Gegenwehr immerhin die nächsten paar Levels freigespielt werden, in denen es dann vielleicht wieder besser läuft. Um "Cuphead" ganz durchzuspielen, müssen aber alle Gegner auf normaler Schwierigkeit gelegt werden – da lässt das Spiel nicht mit sich diskutieren.
Fazit: "Cuphead" muss erarbeitet werden – aber das lohnt sich
"Cuphead" bringt alle Voraussetzungen für einen Klassiker mit – einen aus einer längst vergangenen Ära: Als traditionelles Run-and-Gun-Game, das keinen Fehler verzeiht, absolute Konzentration einfordert und ständiges Draufgehen und Dazulernen zur Voraussetzung fürs Weiterkommen macht, gehört es zu einer Gattung von Spielen, die in dieser Kompromisslosigkeit eigentlich nicht mehr produziert werden – zumindest nicht für den Mainstream-Markt.
Dass die Entwickler mit Microsoft einen großen Publisher im Rücken haben, der ihr Spiel auf Xbox und PC ins Rampenlicht rücken kann, ist so gesehen ein Glücksfall, den der Titel aber voll und ganz verdient hat. Vom hinreißenden Cartoon-Design, das bis ins kleinste Detail durchgezogen wurde, über den tollen Soundtrack bis hin zum wirklich fordernden, aber ungemein spaßigen Gameplay ist "Cuphead" ein absoluter Volltreffer. Nur sehr ungeduldige Gamer sollten einen großen Bogen darum machen.