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Das Beste an "Wolfenstein Youngblood" sind die Achtziger

"Ziegelturm" in "Wolfenstein Youngblood" – wer kennt es nicht?
"Ziegelturm" in "Wolfenstein Youngblood" – wer kennt es nicht? Bild: © YoutTube/Bethesda SoftworksDE 2018

Bethesda führt die beliebte Shooter-Reihe mit dem Spin-off "Wolfenstein Youngblood" in die Achtziger. Neon, kantige Computer und schräge Mode: Der Kampf der Pariser Résistance gegen das Nazi-Regime geht auf eine Zeitreise. Der Koop-Shooter bedient sich dabei an Genre-typischen Mechaniken, die gut funktionieren. Am meisten Spaß bringt mir aber das abgefahrene Setting.

Seit "The New Order" hat sich die "Wolfenstein"-Reihe neben dem hohen Gewalt-Faktor auch durch die Skurrilität des Settings vom Shooter-Markt abgehoben. Denn anstatt in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, versetzten die Entwickler das Szenario in eine alternative Realität der 1960er-Jahre: Was wäre, wenn das Nazi-Regime den Krieg gewonnen und die USA besetzt hätte? Vor dieser Prämisse hatte das schwedische Studio Machine Games seiner Phantasie freien Lauf gelassen.

In "Wolfenstein Youngblood" geht es nun wieder sehr skurril zu – und das besetzte Paris der 1980er-Jahre bietet dazu eine neue Bühne für weitere Kuriositäten, mit denen die Macher sichtlich Spaß hatten. Vor allem die Details dieses Geschichts-Mashups sind hinreißend gestaltet und laden dazu ein, genauer betrachtet zu werden. Anstelle von Nazi-Schreck B.J. Blazkowicz übernimmt der Spieler in "Wolfenstein Youngblood" die Kontrolle über eine seiner beiden Zwillingstöchter Jess und Soph. Diese kämpfen zusammen mit der Résistance gegen die Nazi-Besatzer.

Bizarres "Was wäre, wenn ..."-Szenario im Achtziger-Style

Merkwürdige Fundstücke sind überall verstreut oder kleben an den Wänden. "Wolfenstein Youngblood" ist eine Schaubühne für das bizarre "Was wäre, wenn ..."-Szenario, in dem neuzeitliche Erfindungen natürlich im Dritten Reich gemacht wurden. Plakate werben etwa für den neuesten Schrei der Mikrowellen-Technik: "Keine Zeit zu kochen? Kein Problem! Ab in die Zukunft mit BLITZHITZE 80". Anstatt "Tetris" oder "Frogger" spielt man hier "Ziegelturm" und "Froschpatsch" auf deutscher Hardware.

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Retro-Charme in "Wolfenstein Youngblood". Bild: © Screenshot TURN ON 2019
Mehr zum Spiel

"Wolfenstein Youngblood" ist nicht revolutionär, aber gut gemacht: Waffen-Handling und Bewegungsabläufe spielen sich angenehm, und auch das Level-Design findet eine gute Balance zwischen freier Erkundung und einer Größe, die spannende Gefechtssituationen ermöglicht. Dazu haben die Entwickler ein übersichtliches, aber ausreichend vielfältiges Upgrade-System für Waffen und Fähigkeiten eingebaut. So wird ein eigener Spielstil ermöglicht, ohne dass sich die Mechanik zu sehr in den Vordergrund drängt.

Bei etwa zehn Stunden Spielzeit ist "Wolfenstein Youngblood" kein Vollpreistitel, sondern für etwa 40 Euro inklusive Buddy-Pass erhältlich. Damit kannst Du einen zweiten Spieler einladen, der das Game nicht kaufen muss, um mit Dir zusammen im Koop zu spielen.

Vor allem der ungewohnte kulturhistorische Mix versüßt mir die zunächst durchschnittliche Story von "Wolfenstein Youngblood": In den Katakomben der Stadt, dem Rückzugsort der Résistance, werfen rote Neonröhren gedämpftes Licht auf die gestapelten Schädel, Graffiti-Schrift ziert die französische Nationalflagge und preist den Widerstand. Die Besatzer hören in ihren Baracken derweil New-Wave und hakeligen Synth-Pop mit Propaganda-Texten in gebrochenem Deutsch. Ein Hauch von "Stranger Things" weht durch die Straßen von Paris.

"Wolfenstein Youngblood" ist moralisch nicht einwandfrei – das muss es auch nicht

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Graffiti: "Die Résistance: Die Zukunft Frankreichs" – Widerstand mit "Stranger Things"-Feeling. Bild: © Screenshot TURN ON 2019

Wie seine Vorgänger ist "Wolfenstein Youngblood" eine Parodie und erneuert die Frage, ob der Spaß am Szenario geschmacklos ist oder das unvorstellbare Grauen des Dritten Reichs verharmlost. Ich fühle mich bei der Auseinandersetzung mit dem Thema an die Diskussionen um Tarantinos Film "Inglourious Basterds" erinnert. Dem konnte man durchaus "brutale Leichtfertigkeit" unterstellen, wobei der Film beim Zuschauer immer auch "Zweifel am Genießen einsickern" ließ. Eine einfache Antwort auf diese moralische Frage gibt auch "Wolfenstein Youngblood" nicht.

Im Internet wird sich aber vielerorts darüber aufgeregt, dass "Wolfenstein Youngblood" angeblich Propaganda linker "Social-Justice-Warrior" sei – also von Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen. Für mich ist schon diese beschränkte Anschuldigung Beweis dafür, dass die vom Spiel angerissenen Themen zeitgemäß und wichtig sind. Denn, eine Parodie bestätigt immer auch die Bedeutung des Originals. Den Spaß an der Absurdität kann mir die Kontroverse ohnehin nicht verderben.

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