Die neue Netflix-Serie "Das Damengambit" ist ein absoluter Überraschungserfolg. Die Coming-of-Age-Geschichte der jungen und talentierten Schachspielerin Beth Harmon zieht aktuell unzählige Zuschauer in ihren Bann. Das Schachspiel ist ein zentrales Element und sollte daher so realitätsnah wie möglich gezeigt werden. Aber wird es das auch?
- Darum geht's in "Das Damengambit"
- Spielen sie wirklich Schach?
- Von Großmeistern gelernt
- Das große Finale
- Zu viele Männerpartien?
Darum geht's in "Das Damengambit"
Nach einem tragischen Autounfall, bei dem ihre Mutter ums Leben kam, wird die neunjährige Elizabeth "Beth" Harmon (Isla Johnston) im Waisenhaus von Kentucky untergebracht. Während eines Abstechers in den Keller lernt Beth den zurückgezogenen Hausmeister Mr. Shaibel (Bill Camp) kennen. Er sitzt allein vor einem Schachbrett und geht unterschiedliche Züge durch. Beth ist fasziniert davon und bittet ihn, ihr das Spiel beizubringen. Mr. Shaibel erkennt ihr Talent und fördert es, bringt sie in den Schachclub der nahe gelegenen High School, es erscheint ein erster Artikel über das Wunderkind in der Lokalpresse.
Später adoptiert das Ehepaar Wheatley die inzwischen 13 Jahre alte Beth (inzwischen gespielt von Anya Taylor-Joy) und sie zieht vom Waisenhaus ins typisch amerikanische Vorstadtidyll. Ihre Liebe zum Schachspiel lässt sie die Hänseleien in der Schule ertragen, bis sie sich eines Tages zu ihrem ersten Schachturnier anmeldet. Während sie die erfahrenen Teilnehmer nicht für voll nehmen – immerhin ist sie eine Frau und besitzt noch nicht einmal einen Elo-Score –, nimmt sie einen Spieler nach dem anderen auseinander und beendet die Partien meist in wenigen Zügen.
Sie reist von Turnier zu Turnier, auch über die Landesgrenzen hinaus. Doch der Erfolg hat seine Schattenseiten: Beth liebt den Alkohol und Beruhigungstabletten inzwischen genauso sehr wie das Schachspiel. Sie beflügeln ihre Gedanken und sorgen erst dafür, dass sie eine so gute Schachspielerin ist, denkt sie. Ihr Erfolg bringt sie schließlich nach Russland. Das Land, in dem das Schachspiel zu Hause ist – und Beths größter Konkurrent: Vasily Borgov (Marcin Dorocinski)!
Spielen sie wirklich Schach?
Wenn Schauspieler einen Profisportler, Musiker oder Künstler spielen, ist es unerlässlich, dass sie ihr vorgegebenes Handwerk beherrschen. Anderenfalls würde es dem Film an Authentizität mangeln und selbst Laien würde auffallen, dass das Gezeigte nur schlecht nachgespielt wird.
"Das Damengambit" gibt sich in diesem Punkt keine Blöße. Anya Taylor-Joy, Thomas Brodie-Singer, Marcin Dorocinski und all die anderen Schauspieler wirken, als würden sie seit ihrer Kindheit nichts anderes machen, als Schach zu spielen.
Was ich mich beim Sichten der Serie allerdings durchweg gefragt habe: Beherrschen die Schauspieler wirklich das Schachspiel? Werden in "Das Damengambit" überhaupt sinnvolle Partien gezeigt oder handelt es sich um willkürlich zusammengeschnittene Schachzüge? Nach etwas Rechercheaufwand kann ich sagen: Die gezeigten Partien in der Netflix-Serie gibt es wirklich!
Von Großmeistern gelernt
Für die, die es ganz genau wissen wollen, sieht die Hauptzugfolge wie folgt aus:
- d2-d4 (Weiß)
- d7-d5 (Schwarz)
- c2-c4 (Weiß)
Unter anderem bestätigt Ian Rogers, der erste Schachgroßmeister von Australien, dass "Das Damengambit" absolut authentisch ist. Über die wenigen kleinen technischen Fehler könne man leicht hinwegsehen. Wie er in seinem Artikel über die Netflix-Serie schreibt, ist das dem Mitwirken von zwei echten Schachprofis zu verdanken: dem ehemaligen Schachweltmeister Garri Kasparow sowie dem US-amerikanischen Schach-Coach Bruce Pandolfini. Sie standen den Serienmachern Scott Frank und Allan Scott mit Rat und Tat zur Seite.
In einem Interview mit IndieWire spricht Pandolfini darüber, worauf sein Schwerpunkt während der Dreharbeiten lag. "Die wichtigste Sache ist, wie die Schauspieler die Figuren anfassen und bewegen", erklärt der Schach-Trainer. "Du willst also, dass die Bewegungen natürlich aussehen und daran haben wir sehr viel gearbeitet." Ob die Schauspieler dabei die Regeln total verinnerlicht haben, war offenbar nebensächlich. Anya Taylor-Joy und ihre Co-Stars sollten sich voll und ganz auf ihr Schauspiel konzentrieren können, Abfolgen mussten sie nur wenige lernen. "Wir haben Eselsbrücken und visuelle Hinweise genutzt, um ihnen dabei zu helfen, die Figuren zu nehmen und sich einfacher zu erinnern", erklärt Pandolfini weiter.

Meist wurden nicht mehr als drei Züge infolge gezeigt. Pandolfini wollte vermeiden, dass die Schauspieler über den nächsten Zug nachdenken müssen – was unrealistisch wirken würde. Gerade wenn es sich um Blitzschach handelt, bleibt keine Zeit zum Grübeln. Es gab auf den Schachbrettern teilweise kleine visuelle Hinweise, die den Darstellern gezeigt haben, welche Figur sie wohin ziehen müssen. "Wann immer es möglich war, wollten wir den Schauspielern Sicherheit vermitteln."

Das große Finale
Am Ende von "Das Damengambit" sitzen sich Harmon und Borgov im großen Finale gegenüber. Tatsächlich spielen sie nicht irgendeine Schachpartie, sondern eine, die 1993 zwischen zwei Großmeistern ausgetragen wurde, wie Schachhistoriker Olimpiu G. Urcan via Twitter verrät: Wassyl Iwantschuk und Patrick Wolff. Es gibt jedoch einen nicht unerheblichen Unterschied: Im Originalspiel haben sich die beiden Kontrahenten auf ein Remis, also ein Unentschieden, geeinigt.
Anders in "Das Damengambit": Zwar bietet Borgov seiner jungen Gegenspielerin ein Remis an, die lehnt jedoch dankend ab – und besiegt ihr Gegenüber. Um das reale Spiel der Großmeister auszuweiten und abzuwandeln, haben einige Schachprofis an einem alternativen Ausgang der Partie getüftelt.
Zu viele Männerpartien?

Überhaupt finden einige namhafte Schachpartien aus den vergangenen Jahrzehnten ihren Platz in der Netflix-Serie – darunter das Match zwischen Raschid Neschmetdinow und Genrich Kasparjan im Jahr 1955.
Von Schachspielern auf der ganzen Welt erhält "Das Damengambit" Lob. Vor allem, weil selbst die Schachbretter, die im Hintergrund zu sehen sind, Verweise auf frühere reale Partien sind. Aber – und das ist einer der Hauptkritikpunkte bei vielen – es handelt sich meist um Spiele zwischen männlichen Schachmeistern. Jennifer Shahade, Großmeister der Frauen, hätte sich mehr Beispielpartien zwischen Spielerinnen gewünscht. Beispielsweise von der russischen Großmeisterin Lyudmila Rudenko, der russischen Weltmeisterin Vera Menchik oder der ungarischen Großmeisterin Judit Polgár.