"Days Gone" wird gut – darauf lege ich mich nach dem Antesten einer fast fertigen Version des PS4-exklusiven Open-World-Zombie-Survivalspiels fest. Aber reicht das, um gegen Superhits wie "God of War" oder das kommende "The Last of Us 2" zu bestehen? Unser Preview klärt über die Stärken, aber auch die Schwächen des harten Actionspektakels auf.
Nach sechs Jahren Entwicklungszeit und zahlreichen Verschiebungen wird "Days Gone" nun endlich am 26. April für die PS4 erscheinen. Lange ist das ja nicht mehr hin, aber so richtig scheint das nur eine Handvoll beinharter Zombie-Fans zu interessieren – die breite Masse begegnet "Days Gone" gefühlt immer noch mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Woran liegt's? Nun ja, vielleicht am Thema – denn auf dem Papier hat Sonys blutige Biker-Ballade tatsächlich nur wenig Neues zu bieten.
Open World, Looten und Crafting: Alles schon gehabt
Nochmal schnell eine Kurz-Zusammenfassung, worin es in "Days Gone" eigentlich geht: Du spielst den schwersttätowierten Biker Deacon St. John, der seine Ehefrau Sarah inmitten eines apokalyptischen Seuchen-Ausbruchs verloren hat. Kurze Zeit später ist die Welt überrannt von geifernden Zombies, Deacon hat sich einen struppigen Bart stehen lassen und heizt mit seinem Motorrad durch den amerikanischen Nordwesten, immer bedroht von gefährlichen Mutanten und noch gefährlicheren Psychopathen.

Und ja, ich weiß, dass die Entwickler darauf bestehen, ihre geifernden Horden seien keine handelsüblichen Zombies, sondern "Freaker" – aber ich habe keine Lust, diesen PR-Eiertanz mitzumachen, nur um das so unendlich abgenutzte Wort "Zombie" zu vermeiden. Denn genau das sind die Viecher in "Days Gone". Du weißt das, ich weiß das, alle wissen das. Also ab jetzt: Zombies. So.
Weil Vorräte in der Apokalypse rar sind, wirst Du auch in "Days Gone" Schränke durchsuchen, wertvolle Rohstoffe looten und auf Knopfdruck neue Medipacks, Molotowcocktails und ähnliche Lebensretter basteln. Nebenher erkundest Du die Spielwelt, übernimmst Nebenaufgaben, verbesserst Dein Ansehen bei anderen Überlebenden und schaltest immer stärkere Talente und Fähigkeiten für Deinen Motorrad-Rocker frei.

Für die Horde!
Das interessanteste Element von "Days Gone" sind die teils abstrus großen Zombie-Horden, denen Du Dich im Spiel immer wieder stellen musst. Vergiss "Resident Evil 2" mit seinen zwei, drei Moderköppen pro Raum – in "Days Gone" verfolgen Dich Dutzende oder gar Hunderte von brandgefährlichen Mutanten, um Dich in den virtuellen Hintern zu beißen. Und das in einem Affenzahn: Wer etwa die Netflix-Serie "Kingdom" gesehen hat, hat schon eine ganz gute Ahnung davon, wie hektisch und mordsspannend so ein Zombie-Angriff sein kann.
Tatsächlich bin ich während meines etwa dreistündigen Probespiels einmal auf so eine Horde gestoßen und es war ein kleiner Magic Moment: Gerade räuchere ich aus sicherer Distanz ein Zombienest mit schwungvoll geworfenen Molotowcocktails aus und erledige die letzten paar Lumpen mit gezielten Schüssen aus meiner guten, alten Shotgun.
Ich drehe mich um, will ganz cool zurück zu meinem Motorrad schlendern, da bleibe ich schockstarr stehen: Eine gigantische Zombiemeute kommt über die Gebirgskuppe gerannt, direkt auf mich zu, und es werden immer mehr. In Panik versuche ich, ein paar Kugeln auf das Meer aus Leibern zu feuern, aber das bringt nix: Meine Waffen sind zu schwach, meine Schüsse zu ungenau, mein Plan nicht existent. Die einzige Rettung: Flucht.

Ich hetze zu einem Strommast, der freundlicherweise mit einer praktischen Leiter ausgestattet ist, und klettere in letzter Sekunde in rettende Höhen – die geifernde Meute zieht enttäuscht weiter. Erst, als die Luft wieder rein ist, wage ich mich runter von meinem luftigen Beobachtungsplatz. Ich weiß nicht, ob diese Sequenz gescriptet oder ein (un-)glücklicher Zufall war, aber sie hat Eindruck bei mir hinterlassen: Ein paar vereinzelte Gegner sind kein Problem, gegen so eine Übermacht habe ich zu diesem frühen Zeitpunkt aber keine Chance. Vorbereiten, bessere Ausrüstung craften und stärkere Fähigkeiten freischalten lautet also die Devise.
Technisch nicht mehr ganz auf der Höhe
Die mittlerweile sechs Jahre Entwicklungszeit sieht man "Days Gone" an: Umgebungstexturen sind nicht unbedingt fotorealistisch und die Mimik der Protagonisten ist nicht so atemberaubend detailliert, wie sie etwa in Naughty Dogs "The Last of Us 2" wird.
Das stört mich aber nur unwesentlich, denn letztendlich ist doch entscheidend, ob ich in die erbarmungslose Welt von "Days Gone" eintauchen kann. Und bei mir hat's da sehr schnell geklickt: Deacon St. John ist mir sofort sympathisch (nicht zuletzt durch seine schweinegeilen Tattoos und seine Vorliebe für ebenso zugehackte Blondinen) und etwaige technische Mängel haben die Entwickler mit viel Liebe zum Detail und Herzblut wieder wettgemacht.
Ich gebe zu, dass ich wirklich ein bisschen gerührt war, als Deacon und seine Sarah sich mit stockender Stimme gegenseitig ihre Eheversprechen gegeben haben. Den allgegenwärtigen Schmerz über seine tragisch verlorene große Liebe kaufe ich dem Rocker jederzeit ab – ohne dass er dabei zu einem unsympathischen Stinkstiefel wird (erinnert sich noch jemand an Aiden Pierce aus "Watch Dogs" ...?).

Auch die Spielwelt hat mich überzeugt: Vielleicht gibt es grafisch beeindruckendere Settings, aber mir gefallen die kargen, zerklüfteten Landschaften, die Leere, die Weitläufigkeit von "Days Gone". Während die Open-World-Konkurrenten "Far Cry New Dawn" und "Rage 2" alles nicht so ernst meinen und uns mit einem neonbunten Effektgewitter beballern, wirkt der Sony-Titel im Vergleich fast zurückgenommen und – im besten Sinne – trocken. Wenn alles zur Hölle fährt, ist das eben erstmal ein gewisser Stimmungsdämpfer.
Solide Zombie-Action – reicht das?
Klingt doch alles ganz gut, oder? Tja, und ich glaube, genau hier liegt das Problem von "Days Gone": Vielleicht reicht das einfach nicht mehr, um heutzutage als Hit zu gelten. "Days Gone" macht nichts, was nicht auch schon viele andere Spiele vorher gemacht haben, es erfindet nichts wirklich neu, es bedient sich hemmungslos an sattsam bekannten Mustern, Regeln und Codes – kurz: Es wirkt wie ein Best-of aller Spiele, die vor etwa drei Jahren angesagt waren.

Das wäre eigentlich ja auch kein großes Problem, würde Sony uns nicht seit geraumer Zeit mit einem PS4-Überkracher nach dem anderen verwöhnen. "The Last of Us", "Uncharted 4", "Horizon: Zero Dawn", "Spider-Man", "God of War" – die Liste der grandiosen Exklusivtitel ist lang, einige der genannten Spiele haben ganze Genres definiert. Und so gut ist "Days Gone" einfach nicht.
In den von mir so verabscheuten Prozentwertungen ausgedrückt, wird "Days Gone" wohl ein mittlerer 70er bis niedriger 80er. Das ist völlig in Ordnung: Ich freue mich auf das Spiel, nach dem Anspielen sogar noch mehr als vorher. Die unausgesprochene Erwartung, hier das nächste Meisterwerk für die Ewigkeit präsentiert zu bekommen, wird sich aller Voraussicht nach aber nicht erfüllen.
