Der neue Nachtsicht-Modus des Google Pixel 3 hat das Potenzial, die mobile Fotografie zu revolutionieren. Die Art und Weise, wie Google in der Lage ist, über Software die Einschränkungen der Hardware wettzumachen, lässt gigantisches Potenzial erahnen.
- Software besiegt Hardware: So funktioniert der Nachtsicht-Modus
- Aus völliger Dunkelheit zaubert das Pixel 3 ein Bild
- Kamera-Hersteller müssen sich warm anziehen
Die Pixel-Smartphones von Google sind bereits seit der ersten Generation von 2016 für ihre hervorragende Kamera-Performance bekannt. Vor allem im Bereich der Software zur Bildbearbeitung konnte der Hersteller in kürzester Zeit an beinahe der gesamten Konkurrenz vorbeiziehen. Sein vorläufiges Meisterstück in diesem Bereich liefert Google jedoch mit dem Nachtmodus des neuen Pixel 3 ab.
Dieser liefert Nachtaufnahmen und Bilder bei beinahe völliger Dunkelheit, die in dieser Form mit Smartphone-Kameras – und mit vielen anderen Digicams – bislang nicht möglich waren. Die Ergebnisse sind in meinen Augen schlichtweg spektakulär und machen auf beeindruckende Weise klar, dass die Zukunft der digitalen Fotografie vor allem von Software-Algorithmen bestimmt werden wird. Selbst mein privat genutztes Huawei P20 Pro kann trotz seiner drei Kamerasensoren nicht mit den Nachtaufnahmen des Pixel 3 mithalten.
Software besiegt Hardware: So funktioniert der Nachtsicht-Modus
Beeindruckend ist der Nachtsicht-Modus vor allem deshalb, weil Google es quasi schafft, die Hardware-Nachteile, die eine kleine Smartphone-Kamera naturgemäß mit sich bringt, mit Hilfe von Software auszugleichen. Erreicht wird dies beim Pixel 3 nicht nur durch eine übermäßig lange Belichtungszeit, sondern vor allem dadurch, dass mehrere Bilder kurz hintereinander aufgenommen und übereinander gelegt werden.
Bis zu 15 Einzelbilder werden mit einer jeweiligen Belichtungszeit von bis zu 33 Millisekunden aufgenommen. Zusätzlich misst die Software über das Gyroskop in Echtzeit, wie stark die Hand beim Fotografieren wackelt und versucht dies auszugleichen. Auch Bewegung im Bild selbst wird zu einem Teil durch Software-Algorithmen ausgeglichen.
Dadurch dass die Software am Ende bis zu 15 Bilder zur Verfügung hat, kann sie Informationen aus mehreren Bildern für das fertige Motiv verwenden und gleichzeitig zu stark verwackelte Bilder herausfiltern. Zusätzlich passt eine KI den Weißabgleich und die Farbdarstellung in der Nachbearbeitung automatisch an. All das passiert innerhalb weniger Sekunden vom betätigen des Auslösers bis zum Abspeichern des Bildes in der Galerie.
Aus völliger Dunkelheit zaubert das Pixel 3 ein Bild
Viel mehr als die graue Theorie sprechen jedoch die Bilder selbst für den Nachtmodus des Pixel 3. Und wer mir bis zu dieser Stelle nicht geglaubt hat, dass die Software-Lösung von Google Beeindruckendes liefert, der sollte spätestens bei den folgenden Bildern eines Besseren belehrt sein. Entstanden sind die nämlich um 1 Uhr nachts bei fast völliger, wolkenverhangener Dunkelheit mit sporadisch einfallendem Licht der Straßenlaternen.
Klar, die Motive haben auch mit Nachtsicht-Modus keinen Hochglanz-Charakter mehr, angesichts des wenigen Lichts ist es jedoch erstaunlich, dass die Software überhaupt noch in der Lage ist, ein funktionierendes Motiv aus den Gegebenheiten zu zaubern.
Die Motive oben sind natürlich Extrembeispiele. Der Nachtsicht-Modus des Pixel 3 funktioniert aber auch in Situationen, in denen die Beleuchtungssituation besser ist. Dann wirken die Veränderungen, die er bewirkt, aber deutlich subtiler und lassen sich vor allem daran erkennen, dass insgesamt mehr Details im Bild zu sehen sind, die ansonsten von der Nacht verschluckt werden.
Kamera-Hersteller müssen sich warm anziehen
Es ist ja kein Geheimnis, dass Smartphones den Markt für Digitalkameras schon ziemlich ausgedünnt haben. Immer weniger Menschen benötigen im Alltag beispielsweise eine Kompaktkamera, wenn gute Handy-Cams den Job dank überlegener Bildverarbeitungssoftware ohnehin besser machen.
Es gibt allerdings immer noch Bastionen, in denen Smartphones bislang nicht mit teuren Fotokameras mithalten konnten. Eine davon waren Aufnahmen bei Nacht oder zumindest bei großer Dunkelheit. Diese Bastion bröckelt dank Software-Lösungen wie dem Nachtsicht-Modus des Pixel 3 aber ebenfalls.
Nicht falsch verstehen: Ich weiß natürlich, dass teure Systemkameras mit entsprechenden Objektiven mindestens ebenso gute Nachtaufnahmen hinbekommen. Allerdings kosten diese auch ein Vielfaches des Preises, der für ein Google Pixel 3 fällig wird. Auch sollte bedacht werden, dass für schicke Nachtaufnahmen mit hoher Belichtungszeit normalerweise ein Stativ nötig ist, damit das Motiv nicht verwackelt. Meine Beispielfotos mit dem Pixel 3 habe ich jedoch ziemlich locker aus der Hand geknipst.
Wer mal eben schnell ein Nachtfoto schießen will, dass einigermaßen gut aussieht, ist also schon jetzt mit einem Smartphone besser bedient, als mit einer Systemkamera. Die eigentlich interessante Frage, die ich nach dem Ausprobieren des Nachtsicht-Modus habe, ist deshalb: Was würde wohl passieren, wenn man die Software-Fähigkeiten eines Pixel 3 mit der Hardware professioneller Systemkameras und hochwertiger Objektive verknüpfen würde?
Im Smartphone-Bereich ist das Google Pixel 3 mit Nachtsicht auf jeden Fall absolute Spitze und auch darüberhinaus dürfte es keine Kamera geben, die derzeit in der Lage ist, derartige Ergebnisse allein über die Software zu erzielen. Das Potenzial, dass der Nachtsicht-Modus bietet, ist daher auf jeden Fall gewaltig.