Für Generationen von Kindern ist es eines der größten Musical-Märchen überhaupt: 1991 schuf die US-Zeichentrickschmiede Disney mit "Die Schöne und das Biest" einen zeitlosen Hit. Es war bis 2010 der einzige Animationsfilm, der in der Kategorie "Bester Film" für den Oscar nominiert wurde. 2017, 26 Jahre und viele weitere Serien- und Filmversionen des französischen Volksmärchens später, wagt es Disney erneut: Ob die Realverfilmung mit Emma Watson neue und vor allem auch bestehende Fans verzaubern kann, verrät Dir unsere Filmkritik.
Von Michael Schock
Die Story von "Die Schöne und das Biest"
In einem kleinen Dörfchen lebt die kluge junge Frau Belle (Emma Watson, Hermine aus den "Harry Potter"-Verfilmungen) mit ihrem schrulligen Vater Maurice (Kevin Kline) ein ruhiges und einfaches Leben. So ruhig, dass die belesene Belle meint, in der Einöde zu ersticken. Die einzige nervige Abwechslung sind die aufdringlichen Avancen des Dorfschönlings Gaston (Luke Evans), an dem Belle null Interesse hat.
Ihre Welt kommt aber eines Tages kräftig durcheinander, als ihr Vater bei einem Ausflug gefangen genommen wird – von einem furchterregenden Monster (Dan Stevens, "Downton Abbey"), einer aufrecht gehenden Mischung aus Wolf, Bär und Bock. Durch einen Austausch schafft sie es, ihren Vater wieder in die Freiheit zu schicken, muss dafür aber selbst in dem verwunschenen Schloss des Wesens bleiben.
"Märchen schreibt die Zeit in des Dichters Kleid"
Die alten Mauern sind bevölkert von allerlei lebendigem Hausrat, einer sprechenden Uhr und einer drallen Kommode, einem fliegenden Staubwedel, fidelem Teegeschirr und einem vorwitzigen Kerzenhalter. Die ungewöhnlichen Gesellen meinen es jedoch alle gut mit Belle und integrieren sie in den Schlossalltag. Als das Monster bemerkt, dass seine Geisel intelligent und eigensinnig ist, schätzt auch es immer mehr die Gesellschaft der jungen Frau.
Belles Vater hingegen sorgt mit der Monstergeschichte zurück im Dorf für Aufsehen – und die Aufmerksamkeit Gastons. Derweil wird klar, dass das furchterregende Biest ein verwunschener Prinz ist, der wegen seiner Arroganz und Emotionslosigkeit von einer Hexe verwandelt wurde. Nur die wahre, bedingungslose Liebe einer Frau kann ihn retten und wieder zum Menschen machen. So stellt sich bereits im Trailer zur 2017er-Neuverfilmung von "Die Schöne und das Biest" die alles entscheidende Frage: "Was, wenn sie die Eine ist?"
"Beauty and the Beast": Eine nostalgische Reise zurück in die Kindheit
Vom Casting über den Regisseur bis zur Ausstattung: Beim "Die Schöne und das Biest"-Remake hätte viel falsch laufen können. Und einige Entscheidungen des Disney-Studios sind kritisch hinterfragbar. Emma Watson ist als Heldin der "Harry Potter"-Serie klar der größte Starfaktor der Neubesetzung, gerade im Sinne der jüngeren Zielgruppe. Als Anhänger des alten Animationsfilms kann man allerdings bemäkeln, dass ihre kantigen Gesichtszüge und meist dezent ernste Miene die Ur-Belle nicht immer passend einfangen. Biest Dan Stevens' (menschliches) Gesicht werden nur wenige wiederkennen, die meisten wohl aus Nebenrollen wie in der britischen Serie "Downton Abbey" oder dem 2014er-Horror-Geheimtipp "The Guest".
Auch Bill Condon auf dem Regiestuhl ist ein Wagnis: Der 61-Jährige inszenierte zwei Teile der kontrovers bewerteten "Twilight"-Saga, aber auch viel gelobte Filme wie "Dreamgirls" und "Mr. Holmes". Letztlich kann man sagen: Dem Ensemble ist eine gelungene Wiederbelebung des Märchens gelungen. Viele Szenen wurden gar eins zu eins in real nachgefilmt, was größtenteils gut funktioniert. Auch einige neue Einfälle und sogar kurze Musikstücke fügen sich nahtlos in das Gesamtbild ein.
Tolle Technik und stimmige Songs in Disneys 2017er-Version
Während Stevens als animiertes Biest eine technisch meistens sehr gute und realistische Figur macht, überzeugen aber vor allem die verzauberten Bediensteten. Ob Kerzenhalter Lumière, Teekanne Madame Pottine oder die verunsicherte Uhr Herr von Unruh: Das Design der Figuren ist fantasie- und dennoch stilvoll ausgefallen, der Hausrat liefert eine exzellente Show ab. Und die leicht homoerotischen Untertöne zwischen Bösewicht Gaston und seinem Handlanger LeFou werden ein Fest für Twitter-Memes und Diskussionsstoff abgeben. Dem Wandel des Zeitgeistes ist es geschuldet, dass einige Szenen insgesamt düsterer und krachiger ausfallen als im Original, aber das ist verschmerzbar.
Der Presse wurde vorab die englischsprachige Version gezeigt, in der auch die Songs in ihren neuen Variationen überzeugen. Bleibt zu hoffen, dass die deutsche Synchronisation hier ähnlich meisterlich wie bei dem 1991er-Original geriet. Wenn möglich, ist das Original schauen aber eine bessere, weil sichere Wahl.
"Die Schöne und das Biest": Fazit
Disney hat eines seiner schönsten Zeichentrickmärchen stilvoll in die Gegenwart geholt. Das zauberhafte Design, die makellose Ausstattung und gelungene Tricktechnik machen auch die Realversion von "Die Schöne und das Biest" 2017 zu einem runden Erlebnis. Wegen der angezogenen Düsterkeit des Finales ist es zwar nicht mehr für die ganz jungen Zuschauer uneingeschränkt geeignet. Aber sowohl Freunde des Originals als auch Erstseher kommen hier auf ihre Kosten.