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"Die Unglaublichen 2"-Kurzfilm "Bao" ist ein Garant für Diskussionen

Disneys "Bao" ist bei den Oscars 2019 ganz groß rausgekommen.
Disneys "Bao" ist bei den Oscars 2019 ganz groß rausgekommen. Bild: © Disney/Pixar 2019

Nicht erst seit der Verleihung der Oscars 2019 ist klar: Obwohl "Die Unglaublichen 2" ohne Frage einer der besten Pixar-Filme der jüngeren Vergangenheit ist, wird er von seinem eigenen Vorfilm "Bao" in den Schatten gestellt. Und sei es nur in Sachen Kontroversität.

Nachdem der Kurzfilm zunächst auf der großen Leinwand für Unruhe unter den Zuschauern sorgte, verlagert sich die Diskussion mit dem Release der Heimkinoversion nun auch in die heimischen vier Wände. Wie ich aus persönlicher Erfahrung bezeugen kann ...

"Bao" sorgt für Aufsehen

Das hat gleich mehrere Gründe: Schon nach seinem Einstand auf der großen Leinwand – und eigentlich bereits davor – sorgte "Bao" für Zündstoff unter den Kinofans. Nicht nur, dass mit der chinesisch-stämmigen Kanadierin Domee Shi zum ersten Mal eine Frau für Drehbuch und Regie eines Pixar-Kurzfilms verantwortlich zeichnete. Vor allem das Thema sorgte bei vielen (weißen) Filmfans für Irritationen.

Die Geschichte dreht sich (sinnbildlich) um eine chinesische Mutter, die sich um einen zum Leben erwachten Baozi – eine chinesische Dampf-Teigtasche – kümmert, ihn als ihren Sohn liebt und aufzieht. Und am Ende verspeist, um ihn davon abzuhalten, mit seiner weißen Verlobten das heimische Nest zu verlassen. Bei den Zuschauern sorgte das für Reaktionen, die von emotional berührt über belustigt bis geschockt reichten. In den sozialen Netzwerken waren teils heftige Diskussionen zwischen Asiaten und Weißen die Folge, die ein inzwischen häufig geteilter Post von Digital Strategist William Yu auf den Punkt brachte: "This wasn't made for you."

Kurzfilm als Ode an eine Helikoptermutter?

Aber ist das wirklich so? Ist "Bao" einfach nicht dafür gemacht, von Westlern verstanden werden zu können? Die gezeigte Mutter-Kind-Beziehung unterscheidet sich tatsächlich krass von dem, was die meisten von uns aus dem Westen kennen dürften. Baos Mutter verbringt gefühlt jede Minute des Tages mit ihrem "Kind", kann es nicht ertragen, dass er sich als "Teenager" ihrer überbehütenden Kontrolle zu entziehen beginnt. Und verspeist ihn am Ende in einem Akt größter Verzweiflung sogar.

Dass das keineswegs überzeichnet ist, belegen diverse Interviews mit Regisseurin Domee Shi, die ihre eigene Kindheit in "Bao" verarbeitete. So erklärte Shi im Gespräch mit dem San Francisco Chronicle etwa: "Ich erinnere mich daran, wie meine Mutter mich oft eng umarmt hielt und sagte, 'Oh, ich wünschte, ich könnte Dich zurück in meinen Bauch stecken, damit ich immer ganz genau weiß, wo Du bist'."

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Hier ist die Welt noch in Ordnung: Bao ist noch klein – und freut sich über die Zweisamkeit mit seiner Mutter. Bild: © Disney/Pixar 2019

Zündstoff, auch für den privaten Filmabend

Der seltene Fall einer chinesischen Helikoptermutter, der so selbst in Asien nicht oft zu finden ist? Keineswegs. Nicht nur diverse Berichte (etwa von BBC und Polygon) und Social-Media-Posts asiatischer Kritiker und Kinogänger belegen: Die gezeigte Familiensituation aus "Bao" kommt so oder so ähnlich bis heute regelmäßig vor. Auch mein eigener Ehemann kann Ähnliches aus seiner Kindheit in China berichten – und ist dabei keineswegs allzu glücklich.

Schon als wir mit unseren beiden Söhnen "Die Unglaublichen 2" im Kino sahen, sorgte "Bao" daher bei ihm für Unmut. Denn anders, als viele Social-Media-Kommentatoren, empfand mein Mann das Verhalten vor allem seiner Mutter gelinde gesagt als erdrückend. Unser Wiedersehen mit dem Pixar-Kurzfilm war dementsprechend auch nicht ohne. Längere Zwischen- und Folgediskussionen inklusive.

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Auch der Pixar-Kurzfilm spart die "Emanzipationsphase" von Bao nicht aus. Bild: © Disney/Pixar 2019

Nun sollte das niemand falsch verstehen. Mein Mann liebt seine Eltern und wir verstehen uns gut mit ihnen. Doch es hat mehrere Jahre "Emanzipation", diverse heftige Familiendiskussionen und beinahe 8.000 Kilometer Abstand für die meiste Zeit des Jahres gebraucht, bis wir an diesen Punkt gelangt sind. "Bao" trifft daher einen überaus wunden Punkt. Doch das macht den Kurzfilm als solchen nicht schlecht.

Essen und Familie als "Eckpfeiler" der Gesellschaft

Im Gegenteil. Ich finde: So diskutabel die gezeigte Familienbeziehung in Domee Shis Animationsfilm auch sein mag, sie führt uns Westlern gleich zwei wichtige Eckpfeiler der asiatischen Gesellschaft vor Augen. Denn dass die Hauptfigur ein zum Leben erwachter Baozi ist, ist keineswegs ein Zufall. Essen spielt in der asiatischen Gesellschaft eine große Rolle. Auch wenn es darum geht, der Familie ("Pfeiler" Zwei) seine Liebe zu zeigen, wie selbst Domee Shi in verschiedenen Interviews immer wieder betonte.

Kein Besuch bei den Eltern, von dem man nicht vollbepackt mit Essen nach Hause käme, kaum ein Elternteil, das sich nicht ins Zeug legen würde, um sicherzugehen, dass das eigene Kind "gut gefüttert" ist. Auch das belegen nämlich die diversen angeregten Social-Media-Diskussionen. In einer Gesellschaft, in der es nicht nur als normal, sondern sogar als erwünscht gilt, dass Kinder bis zur eigenen Hochzeit (und zum Teil noch darüber hinaus) bei den Eltern wohnen bleiben, wird so einiges "intensiver".

Fazit: Kontrovers und verdient zum Oscar

Insofern gewährt uns "Bao" einen intimen, wenn auch zum Teil nicht ganz leicht verdaulichen Blick in eine chinesische Familie – und wurde dafür nun verdient mit dem Oscar als bester animierter Kurzfilm geehrt. Die Entscheidung der Academy ist ein schönes Zeichen dafür, dass Diversität und interkulturelle Kommunikation so langsam endlich im Mainstream angekommen sind. Und das ist gut so. Wer sich ein eigenes Bild machen möchte, und dabei auch den Blick über den eigenen Tellerrand nicht scheut, dem sei der Pixar-Kurzfilm daher unbedingt ans Herz gelegt.

Heimkino-Release
"Bao" ist seit dem 7. Februar als Bonusfilm auf der Heimkinoversion von "Die Unglaublichen 2" zu sehen. Diese ist als DVD, Blu-ray, Blu-ray 3D und 4K-UHD verfügbar.

Ebenfalls sehenswert unter dem Bonus-Material: Der Kurzfilm "Tante Edna", der Edna Modes Babysitting-Erfahrung mit Jack-Jack absolut grandios in Szene setzt.

Angebot
Die Unglaublichen 2
Die Unglaublichen 2
  • Datenblatt
  • Hardware und software
  • Originaltitel
    Incredibles 2
  • Produktionsland/-jahr
    USA 2018
  • Genre
    Animation, Abenteuer
  • Besetzung
    Markus Maria Profitlich, Emilia Schüle, Mechthild Großmann
  • Regie
    Brad Bird
  • Kinostart (D)
    27.09.2018
TURN ON Score:
5,0von 5
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