Wer auf Schleichspiele steht, wird schon um den ersten Teil von "Dishonored" vor vier Jahren nicht herum gekommen sein. Das Spiel aus der Egoperspektive trumpfte damals mit coolen Zauberkräften und großen Freiheiten im Missionsdesign auf. Jetzt geht das Spiel in eine zweite Runde und Entwickler Arkane Studios gibt uns in "Dishonored 2" sogar einen zweiten Charakter zur Auswahl, um das Spiel in seinen Möglichkeiten noch breiter zu machen. Wir haben mit beiden Helden im Test ausgiebig gespielt.
Emily oder Corvo: Schleichen oder Chaos
Zum Jahrestag des Attentats auf ihre Mutter wird Emily Kaldwin, Tochter von Corvo Attano, durch einen Hinterhalt entmachtet. Denn plötzlich taucht ihre Tante Delilah Kaldwin auf und beansprucht den Thron. Angeblich sind Emily und Corvo für viele Morde verantwortlich und werden deshalb gejagt.
Zu Beginn des Spiels kannst Du die Entscheidung treffen, ob Du als Corvo Attano, Held aus "Dishonored 1", spielen möchtest oder lieber als seine Tochter Emily Kaldwin durch die Welt ziehen willst. Je nachdem wie Du Dich entscheidest, kannst Du entweder brutaler vorgehen (Corvo) oder agil durch die Welt schleichen (Emily). Ich persönlich war nie gut im Schleichen, sodass mein Chaos-Faktor auch unter Emily ziemlich hoch war, weil ich zu viele Gegner ausgeschaltet habe. Während des Spiels spricht dann auch eine Stimme zu mir, dass das vielleicht nicht so gut ist, was ich da mit den Gegnern mache.
Die beiden Charaktere unterscheiden sich vor allem in ihren Kräften. Beide haben die Fähigkeit, sich schnell vorwärts zu bewegen (bei Corvo ist es teleportieren, Emily zieht sich selbst physisch nach vorne und kann mit dieser Fähigkeit aber auch Gegner oder Dinge an sich heranziehen) und auch die Nachtsicht können beide freischalten. Damit können sie Lebewesen durch die Wände sehen. Corvo kann zudem die Zeit verlangsamen, einen tödlichen Schwarm beschwören (Ratten, die die Gegner töten), die Beherrschung über einen Fisch oder eine Ratte erlangen und als diese durch die Gegend laufen, sowie einen Windstoß hervorrufen, der Türen zerschmettert, Gegner über die Brüstung fegt oder sogar Projektile ablenkt oder zurückschickt.
Diese Kräfte klingen schon um einiges brutaler als die von Emily, die sich neben dem schnellen nach vorn ziehen und der Nachtsicht eher mit hinterhältigen Methoden durch die Level kämpft. Dazu zählt Domino, was Gegner miteinander verbindet, sodass alles, was man mit einem von ihnen macht, auch den anderen an Schaden zugefügt wird. Besonders praktisch ist das, wenn man mit Schlafpfeilen zielt. So braucht man teilweise für vier Wachen nur einen Pfeil. Außerdem kann Emily einen Doppelgänger erstellen, der die Wachen ablenkt oder sich selbst in einen Schatten verwandeln, damit sie für kurze Zeit schlechter sichtbar ist. Ihre letzte Kraft ist das Mesmerisieren, mit der sie einen Geist beschwört, der Gegner oder Hunde betört und deren Kurzzeitgedächtnis löscht.
Die Verstärkungen, die Du noch verbessern kannst, sind bei beiden Charakteren aber gleich. Dazu zählen unter anderem bessere Reflexe, mehr Gesundheit und höhere Sprünge. Diese Kräfte schaltest Du frei oder verbesserst sie durch Runen, die überall im Spiel versteckt sind. Rüste das pulsierende Herz aus und folge seinem Herzschlag, um die versteckten Runen zu finden.

Wunderschöner Steampunk
Die Spielwelt sieht grafisch richtig gut aus. Das offene Meer mit seinen Wellen, die Details der Gebäude und überhaupt die ganze Deko bringen uns in eine beeindruckende Steampunk-Atmosphäre. ABER im Vergleich zum vier Jahre alten ersten Teil hat sich jetzt nicht so viel verbessert. Ein Kompliment bekommen die Entwickler dafür, dass kaum Flimmern zu sehen ist, das zum Beispiel entsteht, wenn sich feine Strukturen in weiter Entfernung befinden. Schade nur, dass manche Grafikeffekte sehr verbuggt sind. Zum Beispiel stopfen wir eine Leiche in eine Kisten und schließen diese – sein Bein sticht aber dennoch durch die Abdeckung. Die Welt ist sehr groß, wenn auch nicht Open World.
Zu Beginn starten wir in Dunwall. Die Stadt kennst Du vielleicht noch aus dem ersten Teil. Hier ist alles recht grau – ganz im Gegensatz zu Karnaca, die eher bunt und hell ist. Die Stadt lebt außerdem. Nicht spielbare Charaktere (NPC) gehen dort ihren eigenen Beschäftigungen nach. Da gibt es zum Beispiel Fischer oder eine Fotografin. Und wenn Du einfach so irgendwo durch ein Fenster springst, kann es sein, dass der Bewohner das gar nicht toll findet, wenn Du in seine private Wohnung eindringst. Schöne Details!
Vor allem das Leveldesign macht "Dishonored 2" zu etwas ganz besonderem. Es ist schwer in den Beschreibungen nicht zu spoilern, aber erwähnen möchte ich dennoch das Clockwork Haus, in dem Du mit Hebeln ständig das Layout des Levels änderst. Auch sonst hast Du so viele verschiedene Möglichkeiten, wie Du deine Missionsziele erreichen kannst, dass es nie langweilig wird. Nach Abschluss eines Levels bekommst Du Deine aktuelle Statistik. Gezählt wird, wie viele Gegner Dich entdeckt haben und wie gerade Dein Chaos-Faktor ist. Dargestellt in einem Quadrat siehst Du, ob Du eher schleichst und betäubst oder offensiv tötest. Je nachdem wie Du das Spiel gespielt hast, bekommst du ein gutes oder schlechtes Ende der Story.

PC-Version mit Problemen
Im Netz häufen sich inzwischen die Berichte über Probleme bei der PC-Version von "Dishonored 2". Es komme oft zu Framerate-Einbrüchen und das Spiel laufe teilweise auf aktuellen Highend-Grafikkarten nur mäßig flüssig. Starke Probleme gibt es auch, wenn das Spiel mal kurz minimiert wird oder andere Programme parallel laufen. Publisher Bethesda verspricht Besserung, aber derzeit deutet alles auf einen sehr schlampigen Port der Konsolenversion hin. Das ist traurig, vor allem weil die Grafik jetzt nicht so viel zu bieten hat, dass aktuelle Grafikkarten technisch überfordert wären.

Fazit: Etwas Besonderes!
Die Spielzeit pro Durchlauf liegt, je nachdem wie detailliert Du die Welt erkundest und ob Du eher schleichst oder brutal durchhackst, bei um die 15 Stunden. Ich empfehle Dir lieber mehr Zeit in das Erkunden zu stecken, da Du sonst einige witzige oder praktische Sachen verpassen kannst. Ich denke da zum Beispiel an einen Auftrag, einer Frau eine Leiche besorgen, damit sie uns im Gegenzug hilft oder dass Du in einem leicht übersehbaren Level-Abschnitt (fast schon ein Geheimgang) einen Schlüssel zum Schwarzmarkthändler findest, den Du dann ausrauben kannst, statt für viel Geld seine Gegenstände zu kaufen. Und genau diese kleinen Details beziehungsweise weitreichenden Möglichkeiten machen "Dishonored 2" zu etwas Besonderem. Schade nur, dass die PC-Version bisher nicht optimal läuft. Hoffentlich kommt bald ein Patch, der das behebt.
"Dishonored 2" erscheint für PS4, PC und Xbox One.