Filmfreunde haben bestimmt schon einmal vom Bechdel-Test gehört. Dabei handelt es sich zwar streng genommen um keinen wissenschaftlichen Test. Doch er ist ein Indikator dafür, wie ausgestaltet Frauenrollen im Kino sind. Im Folgenden erfährst Du, was hinter dem Begriff steckt.
- Stereotype Muster von Frauenrollen erkennen
- Der Bechdel-Test stammt aus einem Comic
- Test wird zum Bewertungskriterium feministischer Kritiker
- Bestanden oder nicht? Die Einordnung ist nicht eindeutig
- Frauen sind im Kino immer noch unterrepräsentiert
- 50/50-Verhältnis der Geschlechter im Kinojahr 2020?
Um den Bechdel-Test zu bestehen, muss ein Film drei einfache Kriterien erfüllen bzw. drei Fragen positiv beantworten. Alle Filme, die das nicht schaffen – und dabei handelt es sich um nicht wenige Filme – fallen durch.
1. Hat der Film mindestens zwei Frauenrollen?
2. Sprechen diese weiblichen Figuren miteinander?
3. Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann?
Stereotype Muster von Frauenrollen erkennen
Unterzieht man Filme diesem Test, wird schnell deutlich, dass sehr viele Werke – seien es Blockbuster wie "Mission: Impossible – Fallout" oder Arthouse-Filme wie "Die dunkelste Stunde" – gnadenlos durchfallen. Doch es ist wichtig festzuhalten, dass das Testergebnis nichts über die Qualität eines Films an sich aussagt. Vielmehr hilft es dabei, stereotype Muster von Frauenrollen in Filmen besser wahrzunehmen.
So sind Frauen im amerikanischen Film laut PsychCentral immer noch in eher nicht-dominanten Rollen zu sehen. Oftmals gewinnen die schablonenhaften Frauenfiguren im Film nur in Beziehung zum männlichen Titelhelden eine Relevanz und sind für die Handlung nebensächlich. Sie sind nur "klischeehafte Set-Dekoration", wie Women and Hollywood unter Berufung auf eine Studie der University of Southern California schreibt. Unter diese Rollen fallen etwa die Geliebte, Mutter oder Single-Freundin der Hauptfigur.
Der Bechdel-Test stammt aus einem Comic
Die drei Fragen, die im Nachhinein als Bechdel-Test Bekanntheit erlangten, tauchten das erste Mal in der Comicreihe "Dykes to Watch Out For" der US-amerikanischen Comic-Autorin und - Zeichnerin Alison Bechdel auf. In dem 1985 erschienenen Comicstrip "The Rule" erklärt eine Figur, dass sie sich nur Filme im Kino ansehe, die drei Regeln befolgen: 1. Es müssen mehr als zwei Frauen mitspielen, 2. die sich miteinander unterhalten und 3. das nicht nur über Männer.
Wie die Comic-Zeichnerin auf ihrem Blog einräumt, stammt die Idee jedoch nicht von ihr selbst, sondern von ihrer Freundin Liz Wallace. Aus diesem Grund wird der Test mitunter auch als Bechdel-Wallace-Test bezeichnet. Wallace wiederum wurde dazu offenbar von Virginia Woolfs Essay "Ein Zimmer für sich allein" (Reclam-Leseprobe) inspiriert.
Der Comicstrip erweckte lange Zeit kein großes Aufsehen, bis in den 2000er-Jahren laut Bechdel junge, feministische Filmstudenten auf ihn stießen. "Menschen benutzen ihn [den Test] tatsächlich, um Filme zu analysieren, um zu sehen, ob sie den Test bestehen", so Bechdel in einem Interview mit NPR.
Test wird zum Bewertungskriterium feministischer Kritiker
Inzwischen hat sich der Bechdel-Test insbesondere unter feministischen Kritikern als Bewertungskriterium für Filme aller Art durchgesetzt. In Schweden wurde 2013 sogar ein neues Rating für Kinofilme eingeführt, das auf dem Bechdel-Test beruht. Und das scheint mehr als nötig: "Die ganze 'Herr der Ringe'-Trilogie, alle 'Star Wars'-Filme, 'The Social Network', 'Pulp Fiction' und alle 'Harry Potter'-Filme bis auf einen bestehen den Test nicht", beklagt etwa Ellen Telje, die Leiterin eines Arthouse-Kinos in Stockholm, im Gespräch mit The Guardian. Dabei sei es nicht das Ziel, diese Filme schlecht zu machen, sondern Filmemacher dazu zu motivieren, mehr Filme mit starken weiblichen Rollen ins Kino zu bringen.
Bestanden oder nicht? Die Einordnung ist nicht eindeutig
Es ist jedoch nicht immer einfach, festzulegen, ob ein Film den Test besteht oder nicht. Das wird auch auf der Website bechdeltest.com deutlich. Hier wurden knapp 8.000 Filme geprüft – von 1888 bis 2018. Und anders als zum Beispiel Telje angibt, haben hier die meisten "Harry Potter"-Filme bestanden. Auch wenn unter den Usern mitunter mehr oder weniger heftig diskutiert wird, wann aus ein paar dahingeworfenen Worten tatsächlich eine Konversation wird.

Vermutlich deshalb gibt es Varianten des Tests, die verlangen, dass das "Frauengespräch" mindestens 60 Sekunden dauert und/oder die Frauen auch Namen haben müssen. Und auch "Star Wars" schneidet auf der Website besser ab als Ellen Telje sie einordnet. Die Originaltrilogie mag keine interagierenden Frauencharaktere haben. Doch seit "Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung" im Jahr 1999 haben nur zwei Filme der Sternensaga den Test laut bechdeltest.com nicht bestanden: "Episode III – Die Rache der Sith" und "Solo: A Star Wars Story". Ob ein Film den Bechdel-Test besteht oder nicht, bleibt jedoch oftmals Auslegungssache.
Frauen sind im Kino immer noch unterrepräsentiert
Trotz dieser Mankos ist der Bechdel-Test ein Indikator dafür, dass Frauenrollen, insbesondere als ausgestaltete Charaktere, in unserer Kinolandschaft nach wie vor unterrepräsentiert sind. Das belegt auch eine Studie der New York Film Academy, die das Ungleichgewicht der Geschlechter in Filmen beleuchtet. Demnach waren in den 900 Topfilmen zwischen 2007 und 2016 nur 30,5 Prozent der Sprechrollen in Filmen mit Frauen besetzt. Zudem sind die Frauenrollen in vielen Fällen freizügiger angelegt als die ihrer männlichen Kollegen. Nur in zwölf Prozent der Filme gab es einen ausgewogenen Cast, der zur Hälfte aus Frauen bestand.
50/50-Verhältnis der Geschlechter im Kinojahr 2020?
Die New York Film Academy träumt von einem 50/50-Verhältnis der Geschlechter im Kinojahr 2020. Und das Filmbusiness ist offenbar schon auf einem guten Weg dahin. Besonders das Kinojahr 2017 bewies, dass auch starke Frauenfiguren die Kinokassen klingeln lassen. Mit "Wonder Woman" eroberte nach langer Zeit die erste Comic-Heldin in einer Origin-Story die Kinoleinwände. 821 Millionen US-Dollar erkämpfte sich die Amazone in ihrem ersten Soloabenteuer.

Sogar noch erfolgreicher waren die Damen in "Star Wars: Die letzten Jedi" und "Die Schöne und das Biest", die jeweils die Milliardenmarke knackten. Unnötig zu sagen, dass alle drei Filme den Bechdel-Test bestehen. Wenn diese Entwicklung anhält, könnte der Bechdel-Test bald eine inoffizielle Grundvoraussetzung für jeden Film werden.