Endlich erscheint das mystische Adventure "The Last Guardian" für die PS4. In Tradition seiner Vorgänger "Ico" und "Shadow of the Colossus" entführt die Geschichte eines Jungen und seines tierischen Begleiters den Spieler in eine märchenhafte Welt. Ob das Game die großen Erwartungen erfüllen kann, soll unser Test zeigen.
Einen Test zum Adventure "The Last Guardian" kann man nicht schreiben, ohne seine Vorgänger "Ico" (2001) und "Shadow of the Colossus" (2006) zu erwähnen. Die Games des japanischen Entwicklers Fumito Ueda und seines Studios Team Ico gelten als Meilensteine der digitalen Erzählkunst und als künstlerische Meisterwerke. Beide Spiele erschienen für die PlayStation 2 und wurden 2011 als HD-Remaster für die PlayStation 3 neu veröffentlicht. Im selben Jahr sollte eigentlich der bereits 2009 angekündigte Nachfolger "The Last Guardian" erscheinen, allerdings kam es anders. Zwischenzeitlich ging man sogar von der Einstellung des Projekts aus – nach fast 10 Jahren in Entwicklung erscheint das Spiel nun schließlich in dieser Woche.
Neben dem Umstand, dass Ueda mit einigen seiner Kollegen Team Ico verließ und ein neues Entwicklerstudio mit dem Namen genDESIGN gründete, sorgte auch die begrenzte Leistung der PS3 für die Verzögerung von "The Last Guardian". Sony hielt für die PlayStation 4 jedoch an dem Projekt fest und überließ Ueda als Chefdesigner die Regie, während das hauseigene Japan Studio die technische Umsetzung übernahm. Zahlreiche Verschiebungen des Spiels ließen Fans aber bis zuletzt zweifeln, ob "The Last Guardian" jemals das Licht der Welt erblicken würde.
Die Story steht im Mittelpunkt

Die Geschichte steht auch im dritten Spiel von Fumito Ueda im Mittelpunkt. Die Handlung wird rückblickend von einem alten Mann erzählt: Als kleiner Junge wurde dieser unter mysteriösen Umständen in rätselhafte Ruinen entführt und erwachte an der Seite eines Fabelwesens namens Trico. Überall an seinem Körper fand der Junge zudem zahlreiche mysteriöse Runen. Im Laufe der Geschichte entwickelt sich eine wunderbare Freundschaft zwischen dem Tier und dem namenlosen Jungen, während die beiden versuchen müssen, ihren Weg durch das Labyrinth der märchenhaft erscheinenden Umgebung zu finden. Diese Beziehung ist das zentrale Element von "The Last Guardian" und wird lebendig in Szene gesetzt. Reagiert Trico anfangs noch eher abweisend auf das Kind, entwickelt sich im Laufe des Spiels eine angenehme Vertrautheit zwischen den beiden Protagonisten.
Gameplay: Wie spielt sich "The Last Guardian"?
Gekonnt vermischen Fumito Ueda und sein Team in "The Last Guardian" Elemente der berühmten Vorgängertitel. Freunde von Uedas Erstling "Ico" fühlen sich mit den Rätselpassagen und der Verbindung zwischen den ungleichen Protagonisten wohl. In "Ico" führt der Spieler ebenfalls zwei Figuren durch eine mystische Ruinenwelt voller Rätsel. Trico selbst ist eindeutig den titelgebenden Colossi aus aus "Shadow of the Colossus" nachempfunden – mit dem kleinen Unterschied, dass Trico Freund statt Feind ist. Trico wird gar ein immer besserer Freund: Die Möglichkeiten, mit dem Tier zu kommunizieren, verändern sich dabei im Verlauf der Story – so wächst auch der Grad an Kontrolle, die wir über Trico ausüben können, erst nach und nach.
Wie ein echtes Lebewesen hat Trico einen eigenen Willen und gehorcht nicht jedes Mal gleich. Als Spieler vergaß ich tatsächlich regelmäßig, dass es sich hier um eine künstliche Intelligenz handelt – so gut haben die Designer das fiktive Lebewesen hinbekommen. Man kann durchaus sagen, dass es es bisher keine KI-Figur wie Trico in einem Videospiel zu sehen gab. Fumito Ueda lierfert also – wieder mal – Einzigartiges ab.
Licht und Schatten
Tricos Existenz haucht "The Last Guardian" zwar buchstäblich Leben ein – andererseits muss man sich aber auch erst an Spielweise und Tempo von "The Last Guardian" gewöhnen. Beispielsweise war mir manchmal nicht ganz klar, ob es sich bei Tricos zeitweiligem Ungehorsam um Bug oder Feature handelt. Manchmal lässt sich das Wesen erst nach einigen Aufforderungen dazu bewegen, auf eine bestimmte Säule oder in die richtige Richtung zu springen. Dabei ist die Handlung eigentlich recht linear angelegt – die Rätsel lassen meist nur einen Lösungsweg zu und nach gründlicher Suche am entsprechenden Ort wird im Regelfall schnell klar, wie es weitergehen soll. Man muss sich aber im Spiel immer wieder daran erinnern, dreidimensional zu denken – Tricos Körpergröße lässt sich schließlich auch dazu einsetzen, höher gelegene Plätze in den gigantischen Ruinen zu erreichen.
Die Entwicklung von "The Last Guardian" begann bereits 2007, das Spiel wurde seitdem allerdings technisch an die PlayStation 4 angepasst. Trotzdem fühlt sich gerade die Steuerung oft etwas altbacken an. Vor allem die Kamera, die wir über den rechten Analogstick steuern, ist sich dabei in vielen Spielsituationen einfach selbst im Weg. Die Kontrollen schwammig zu nennen, erscheint manchmal sogar schmeichelhaft und erinnert an Titel früherer Konsolengeneration – und damit auch (leider) wieder an die Vorgängerspiele Uedas. Um die zahlreichen Rätsel zu lösen, muss der Junge regelmäßig auf Trico herumklettern. Gerade in engen Räumen habe ich dabei im Zusammenhang mit der Kamerasteuerung so manches Mal die Orientierung verloren. Wenn die Spielfigur dann auch noch teilweise unter dem Federkleid des Wesens verschwindet, wusste ich teils nicht mehr, in welche Richtung der Stick gedrückt werden muss, um das Protagonistenduo ans Ziel zu bringen.

Die fertige Testversion wurde von Sony erst vor einigen Tagen herausgegeben, durchspielen konnten wir "The Last Guardian" also noch nicht – im Gamer-Forum NeoGAF ist von einer Gesamtspielzeit von etwa 15 Stunden die Rede. Nach ungefähr 6 bis 8 Stunden Spielzeit haben wir uns also bereits einen gewissen Eindruck vom Gameplay machen können. Wer auf ein Action-Adventure hofft, sei demnach gewarnt: Das Spiel besteht in erster Linie aus vielen aneinandergereihten Rätseln, in denen wir versuchen, aus dem Labyrinth zu entkommen und die märchenhafte Geschichte hinter den Ereignissen zu ergründen. Kritische Gamer, die ein Gameplay wie bei Adventures à la "Uncharted" erwarten, könnten sich dabei an fehlender Abwechslung stören.
Spielgrafik: Fehlerhaft und wunderschön
Vorneweg: "The Last Guardian" ist einfach wunderschön. Wegen der zauberhaften Animationen gelingt es sowohl dem jugendlichen Helden als auch Trico scheinbar mühelos, eigene Persönlichkeiten zu entfalten. Auch wenn mir das Spiel allgemein technisch hin und wieder etwas altmodisch vorkommt, haben die Entwickler hier wirklich Wunder bewirkt. Tricos beinah unglaublich realistische Bewegungsabläufe ließen uns das welpenhafte Tier im Handumdrehen ans Herz wachsen. Ob er sich hinter dem Ohr kratzt, in einer Wasserlache wälzt oder sich an den Jungen schmiegt. Beim Charakterdesign wurden einige Tierarten miteinander verschmolzen: Trico vereint Eigenarten von Hund, Katze, Vogel und anderen Spezies in sich, das Ergebnis ist atemberaubend und wird so schon viele eigene Fans finden. Auch der kleine Junge bewegt sich wundervoll – wenn er barfuß über Geröll stolpert oder vorsichtig in schwindelerregenden Höhen klettert, stockte uns beim Spielen immer wieder der Atem.

Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass "The Last Guardian" technische Probleme hat. Neben der teils frustrierenden Steuerung hat die PlayStation 4 im Game hin und wieder mit niedrigen Framerates zu kämpfen. Dem Anschein nach fällt die Bildrate in einigen Abschnitten – vor allem, wenn animiertes Gras oder Bäume ins Spiel kommen – von den eigentlich stabil laufenden 30 fps manchmal sogar auf unter 20 Frames pro Sekunde. Das aufwändig gestaltete Federkleid von Trico ist dabei sicherlich keine Hilfe, einige Clipping-Probleme lassen sich zudem offenbar nicht vermeiden. Laut Sony erhält "The Last Guardian" auf der PlayStation 4 Pro per Patch erweiterte HDR-Lichteffekte und 4K-Checkerboard-Upscaling, aber auch die Pro-Version kann vereinzelte Unzulänglichkeiten der Grafik nicht ganz verschleiern.
Ernsthaft trüben können die Grafikschwächen das Spielerlebnis aber nicht: "The Last Guardian" kommt, wie schon "Ico" und "Shadow of the Colossus", sogar weitestgehend ohne Ladebildschirme aus. Die Spielwelt ist bezaubernd gestaltet und sieht trotz einiger grober Texturen toll aus – vor allem, wenn man die Größe der Szenerie betrachtet.
Trotzdem: Ein märchenhaftes Spielerlebnis

Spiele wie "The Last Guardian" erscheinen heutzutage nicht mehr oft – Tempo und Handlung sind deutlich anders als die der meisten aktuellen Titel. Vor allem, wer oftmals keinen Zugang zu gängigen Blockbustern der heutigen Zeit findet, wird dieses Spiel mögen. Auch wir waren trotz anfänglicher Skepsis darüber, wie gut ein Game sein kann, das sich so lange in der Entwicklung befand, schnell von der dichten Atmosphäre gefangen. Selbstverständlich kann man sich über die technischen Unzulänglichkeiten streiten – dass es sich bei "The Last Guardian" trotzdem um ein Kunstwerk mit berührenden Charakteren handelt, kann jedoch kaum geleugnet werden.