Warum soll ich mir eine originelle Einleitung ausdenken? Du willst doch eigentlich nur wissen, ob "Es: Kapitel 2" noch besser geworden ist als der erste Teil, oder? Und diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Nein, ist es leider nicht. Woran es dem Sequel fehlt und warum vor allem die Kenner der Buchvorlage enttäuscht sein dürften, liest Du in unserer Kritik.
- Kein Witz: Ein Clown wird zum weltweiten Phänomen
- Cut to: 27 Jahre später
- Alles, was in Teil 1 funktioniert hat – nur noch mehr davon
- Wenn die Schocks nicht mehr schocken
- So viel angedeutet. So wenig draus gemacht.
- Wie bei Stephen King: Der Anfang ist oft besser als das Ende
Kein Witz: Ein Clown wird zum weltweiten Phänomen
Wir fassen noch mal schnell zusammen: Die Verfilmung von Stephen Kings Buchklassiker "Es" kam 2017 in die Kinos und löste einen regelrechten Horrorboom aus: Die Kritiker waren durch die Bank begeistert, die Zuschauer auch, und dank unfassbarer 327 Millionen Dollar Profit schmückt sich "Es" mittlerweile mit dem Titel des erfolgreichsten Horrorfilms aller Zeiten.
Das Sequel tritt also in Fußstapfen, die Horror-Ikone Pennywise mit ihren übergroßen Clownschuhen hinterlassen hat. Doch leider schockt "Es: Kapitel 2" nicht so sehr wie sein Vorgänger – das Sequel ist mit seiner Laufzeit von stolzen 169 Minuten streckenweise zu fahrig und aufgeblasen, an anderer Stelle dann wieder irritierend holprig und überhastet. Vor allem aber, und das ist die größte Enttäuschung, wiederholt der Film viele Mätzchen des ersten Teils und setzt nur wenige eigene Akzente.

Cut to: 27 Jahre später
Im ersten "Es" hatte Bücherwurm Ben Hanscom aufgedeckt, dass das kinderfressende Böse in Gestalt des Clowns Pennywise alle 27 Jahre erwacht. Folglich machen wir in Teil zwei einen Zeitsprung von genau 27 Jahren. Die "Verlierer" sind nun alle erwachsen und schlagen sich mit ihren eigenen Problemen herum: Bill Denbrough (jetzt gespielt von James McAvoy) ist ein erfolgreicher, aber unglücklicher Horrorschriftsteller, aus dem Großmaul Richie ist Bill Hader geworden, der als dauerquasselnder Comedian seine tiefe Unsicherheit überspielt. Und Beverly Marsh (Jessica Chastain) ist in die Fänge eines brutalen Asozialen geraten, der sie regelmäßig prügelt und emotional quält.
Erst ein Anruf ihres gemeinsamen Freundes Mike Hanlon (Isaiah Mustafa) reißt die Verlierer aus ihrer Routine: "Es" ist wieder erwacht. Als Kinder haben sie geschworen, dann nach Derry zurückzukehren und dem übernatürlichen Kindermörder ein für alle Mal den Garaus zu machen. Mit einer Ausnahme sind alle gewillt, den Schwur einzuhalten – und so macht sich der Club der Verlierer ein weiteres Mal auf, sich seinen größten Ängsten zu stellen und das Grauen in Gestalt eines Clowns endgültig zu vernichten.

Alles, was in Teil eins funktioniert hat – nur noch mehr davon
"Dasselbe wie in Teil eins, nur mit Erwachsenen" – das wäre die lapidare, im Kern aber nicht falsche Inhaltsangabe von "Es: Kapitel 2". Auch wenn das Sequel vermehrt mit Flashbacks arbeitet und uns manche Handlungsstränge nahezu parallel auf zwei Zeitebenen zeigt, wird man das ungute Gefühl nicht los, dass Teil zwei den Schwung seines Vorgängers nicht erreichen kann und die hochgesteckten Ziele nicht erfüllt. Dafür geht das Sequel zu großen Teilen zu sehr auf Nummer sicher und quetscht im Zweifel Pennywise-Szenen dort hinein, wo wir Zuschauer und der Film die Zeit und Ruhe bräuchten, unsere nun erwachsenen Protagonisten kennenzulernen.
Jessica Chastain als Beverly, McAvoy als Bill – das Casting ist schlichtweg fantastisch. Nicht nur, dass die "Großen" verblüffende Ähnlichkeit mit ihren kindlichen Gegenparts aus Teil eins haben, sie haben auch viele ihrer Ticks und Eigenheiten übernommen. Vor allem Bill Hader als erwachsener Richie Tozier liefert eine absolute Glanzleistung ab und sorgt für den einzigen wirklich gefühligen Moment am Ende, bei dem im Publikum vielleicht sogar ein paar Tränen fließen könnten.

An den Darstellern liegt es also nicht, dass sich der zweite "Es" beizeiten seltsam fahrig und blutleer anfühlt. Das beste Beispiel für diese Ziellosigkeit ist die legendäre Szene im Chinarestaurant: Nach einem (viel zu kurzen) Wiedersehen der alten Freunde wird jeder der Verlierer nochmal schnell auf eine Neben-Quest geschickt – sich nämlich einen obligatorischen Jumpscare abzuholen. Ich formuliere das hier so flapsig, aber genau so fühlt es sich an: Als würden sich die Helden unter fadenscheinigen Gründen nur trennen, damit uns der Film noch mehr Pennywise zeigen kann. Klar, Bill Skarsgård als Killerclown ist wieder so unheimlich und überdreht und unberechenbar wie im Erstling, aber der ganz große Aha-Effekt ist weg.

Wenn die Schocks nicht mehr schocken
Überhaupt, die Schocksequenzen: Auch die nutzen sich in "Es: Kapitel 2" ein bisschen ab. Regisseur Andy Muschietti hat eine Vorliebe für gruselige Gestalten, die uns mit ihrer grotesken Körperlichkeit erschrecken – schiefe Köpfe, zu große Münder, spinnenartig lange Arme und Beine. Das hatte er schon im mauen 2013er-Grusel "Mama" gezeigt und dann mit der bahnbrechenden Inszenierung von Pennywise im ersten "Es"-Teil zur Meisterschaft gebracht. Aber jetzt sind die Ruckel-Zuckel-Monster, die sich ganz PLÖTZLICH und SCHNELL und vor allem LAUT auf die Kamera zubewegen, zur durchsichtigen Masche verkommen.
Pennywise ist zwar immer noch das Highlight des Films, nicht zuletzt dank Bill Skarsgård, der wieder alles aus seinem Gesicht und Körper herausholt. Aber so einprägsam wie die besten Horrormomente in Teil eins (Georgies brutaler Tod im Rinnstein, die Zeitrafferfotos) sind die Schauerpassagen im Sequel nicht.

So viel angedeutet, so wenig daraus gemacht
Da kein Review der "Es"-Verfilmung ohne das besserwisserische Genörgel der Buchleser auskommt, will ich keine Ausnahme machen! Was fehlt mir als großem Fan der Romanvorlage also? Die faszinierende, fast schon abstrakte Erklärung, was Es eigentlich tatsächlich ist und – viel wichtiger – wie man Es besiegt. Ich hätte zähneknirschend auch darauf verzichten können, wenn der Film dieses Fass nicht halbherzig selbst aufgemacht hätte – um es sogleich wieder zu schließen.
Da reißt das Skript also die außerirdische Herkunft von Es und das bizarre Ritual von Chüd an, macht aber absolut nichts aus dieser erzählerischen Schatztruhe (wenn Du jetzt nur Bahnhof verstehst: Das wird alles im Buch erklärt, aber das würde hier den Rahmen sprengen). Stattdessen: halbgare Überlieferungen von Indianern und ein traditionelles Hollywood-Finale, das sich nicht traut, mit den surrealen Ideen eines Makroversums und den physischen Manifestationen psychischer Konzepte wie Gut und Böse zu spielen. Von einer die Galaxie erbrechenden Schildkröte ganz zu schweigen. Wenn Du immer noch nur Bahnhof verstehst: Wird alles im Buch erklärt – aber das hatten wir schon.

Sehr schade, denn ein hirnschmelzender Psychotrip in die Abgründe des menschlichen Geistes wäre vielleicht der inszenatorische Höhepunkt am Ende gewesen, der das Ruder noch herumgerissen hätte. So aber endet "Es: Kapitel 2" erwartbar und fast schon kraftlos, den obligatorischen bittersüßen Abgesang auf die Kindheit via Text aus dem Off inklusive. Klar, irgendwie "schön". Aber auch ziemlich kalkuliert.

Wie bei Stephen King: Der Anfang ist oft besser als das Ende
Nein, ein schlechter Film ist "Es: Kapitel 2" nicht – er ist wirklich kompetent in Szene gesetzt, bietet großartige Leistungen von den jungen und alten Schauspielern, und Regisseur Andy Muschietti geht mit ehrlich empfundenen Respekt und Wertschätzung an die Mammutaufgabe heran, einen der größten Klassiker der Horrorliteratur auf die Leinwand zu bringen. Nach einem so starken Auftakt mit Teil eins ist eine nur solide Fortsetzung aber zwangsläufig eine Enttäuschung.
Geht ins Kino, schaut euch Teil zwei an und erlebt den Abschluss einer wahnwitzigen Kinoerfolgsstory, die auch die kühnsten Analysten nicht für möglich gehalten haben. Aber es ist wie damals in der Geisterbahn: Hat man die Tricks erst einmal durchschaut, ist es nicht mehr so gruselig – egal, wie laut Dir jemand "Buh!" ins Ohr brüllt.
