Mit "F1 2020" liefert Codemasters die bislang ambitionierteste Rennsimulation rund um die Formel 1 ab. Unser Test verrät, ob es auch die beste geworden ist.
- Der Formel-1-Zirkus in all seinen Facetten
- Die Rennen werden strategischer
- Für Einsteiger bis Profis
- Gründe und manage Dein eigenes Formel-1-Team
- Vom Newcomer zum Weltmeister
- Was sonst noch interessant ist
- Fazit: Die Krönung der Königsklasse
Die Entwickler bei Codemasters haben eine undankbare Aufgabe: Jahr für Jahr müssen sie eine Rennsimulation rund um die Formel 1 entwickeln, obwohl sich bis auf die Lackierungen der Fahrzeuge und ein bis zwei neue Strecken (für die andere wegfallen) im echten Rennzirkus nicht viel ändert.
Der Formel-1-Zirkus in all seinen Facetten
Dass es dem Team trotzdem gelingt, jedes Jahr Top-Wertungen und Kritikerpreise für sein neues "F1"-Spiel abzuräumen, ist aber keine Hexerei. Codemasters gibt den Fans der Formel 1 mit seinen Spielen seit Langem genau das, was sie wollen: eine möglichst detailgetreue Nachbildung nicht nur der Rennen, sondern auch des ganzen Drumherums – angefangen von der Weiterentwicklung des Wagens über die eigene Karriereplanung in den verschiedenen Teams bis zu Rivalitäten mit anderen Fahrern. Kurz gesagt: Es ist eine Simulation des gesamten Formel-1-Zirkus.

In diesem Jahr sind die Entwickler einen Schritt weitergegangen und haben aus "F1 2020" eine Art Formel-1-Manager-Simulation in der Light-Variante gemacht. Zentrales Element ist der brandneue "My Team"-Modus, in dem Spieler ihr eigenes Formel-1-Team erstellen und in der virtuellen Weltmeisterschaft an den Start schicken können.
Kurz vor Release des Spiels hatte das Mercedes-Team eine neue Lackierung für sein diesjähriges Formel-1-Auto vorgestellt. Um ein Zeichen gegen Rassismus und für Diversität zu setzen, tritt der Rennstall erstmals nicht im gewohnten Silber, sondern mit schwarzer Lackierung an. Die Entwickler von Codemasters haben bereits angekündigt, das neue Wagen-Design nachträglich per Patch ins Spiel zu integrieren.
Die Rennen werden strategischer
An der Fahrphysik hat sich in "F1 2020" im Vergleich zu den Vorgängern nicht wirklich etwas geändert, und auch die Strecken sind – abgesehen von den beiden Neuzugängen Hanoi Street Circuit (Vietnam) und Zandvoort (Niederlande) – unverändert geblieben. Wer einen der beiden direkten Vorgänger gespielt hat, wird auf der Rennstrecke nicht viele Veränderungen wahrnehmen und sich sofort wohlfühlen. Das mag im ersten Moment negativ klingen, bedeutet aber auch, dass sich die Wagen wunderbar intuitiv steuern lassen und weiterhin ein hervorragendes Geschwindigkeitsgefühl vermitteln.

Ausgebaut wurde lediglich das ERS-Management (Energy Recovery System), mit dem Spieler nun manuell zusätzliche Energie aus den Batterien ihrer Hybrid-Motoren abrufen können, um in entscheidenden Momenten ein wenig Extra-Power zur Verfügung zu haben. Die Batterien laden sich beim Bremsen automatisch wieder auf – allerdings dauert es ein paar Runden, bis die volle Ladung zur Verfügung steht.
Dieses neue Element macht die Rennen noch strategischer. Gemeinsam mit dem Reifenmanagement, der Einstellung der Benzinmischung und dem DRS (Drag Reduction System), mit dem sich die Flügel auf langen Geraden flacher stellen lassen, muss der Fahrer auf eine Menge Dinge achten, die am Ende über die Position im Rennen entscheiden können.
Anders als die Vorgänger bietet "F1 2020" keine Eins-zu-Eins-Simulation der echten aktuellen Formel-1-Saison. Das Spiel enthält zwar alle 22 ursprünglich für die Saison vorgesehenen Kurse, doch die Corona-Krise hat den Rennkalender völlig durcheinandergewirbelt.
Aktuell sind gerade einmal acht Rennen für die laufende Saison bestätigt, wobei auf den Kursen in Spielberg (Österreich) und Silverstone (Großbritannien) jeweils zwei Grand Prix gefahren werden. Die Organisatoren der Formel 1 stehen zudem mit weiteren Streckenbetreibern im Austausch, um bis Ende des Jahres noch mehr Rennen zu veranstalten.
Es gilt jedoch als ausgeschlossen, dass 2020 alle 22 vorgesehenen Kurse befahren werden. Mit Mugello (Italien) und Hockenheim (Deutschland) könnten es sogar Strecken in den Rennkalender schaffen, die ursprünglich gar nicht vorgesehen waren.
Für Einsteiger bis Profis
Wie in den Vorjahren bietet Codemasters einen Schwierigkeitsgrad, der sich stufenlos zwischen 0 und 100 variieren lässt und das Zu- und Abschalten diverser Fahrhilfen beinhaltet. Erstmals gibt es auch einen Anfänger-Modus, in dem der Simulationsanteil der Rennen auf ein Minimum reduziert ist. So werden hier sowohl Einsteiger als auch Profis glücklich.

Anfänger können die Wagen schon nach relativ kurzer Zeit problemlos über die meisten Kurse fahren. In den höheren Schwierigkeitsgraden sind Racing-Skills aber unablässig. Teilweise liegen nur Millimeter zwischen dem perfekten Durchfahren einer Schikane und dem Abflug ins Kiesbett oder dem Crash mit der Leitplanke. Umso befriedigender ist es, eine perfekte Runde hinzulegen und sich im Rennen Stück für Stück an den Vordermann heranzukämpfen.
Egal, auf welchem Skill-Level oder Schwierigkeitsgrad Du in "F1 2020" unterwegs bist: Die Rennen machen vor allem viel Spaß.
Gründe und manage Dein eigenes Formel-1-Team
Weil sich am Kern-Gameplay wenig geändert hat, habe ich mich bei meinem Test auf den "My Team"-Modus konzentriert. Dort starte ich, wie auch im normalen Karriere-Modus, mit der Erstellung meines Fahrers. Danach wähle ich nicht eines der zehn vorhandenen Rennteams, sondern gründe kurzerhand mein eigenes. Alles, was es dazu braucht, sind ein Name, ein Auto, ein Hauptsponsor, ein Motorenpartner und ein zweiter Fahrer als Teamkollege.

Was sich hier so einfach liest, dauerte bei mir im ersten Anlauf direkt mal zwei Stunden: Die Auswahlmöglichkeiten zur individuellen Anpassung sind nicht überwältigend, aber doch so umfangreich, dass viele Spieler eine ganze Weile mit der Zusammenstellung ihres Traum-Rennstalls beschäftigt sein dürften.
Vom Newcomer zum Weltmeister
Eine wichtige Rolle spielt auch die Budget-Planung, als Teamchef muss ich mit dem wirtschaften, was Sponsorenverträge und Preisgelder abwerfen. So kann ich Anfangs möglicherweise noch nicht den schnellsten Motor einkaufen und muss mich mit einem Teamkollegen zufrieden geben, der von seinem Talent und seiner Erfahrung her eher ein Kandidat für die hinteren Plätze im Fahrerfeld ist.
Je mehr Erfolge und Prestige mein Team über die Saison sammelt, desto zufriedener sind meine Sponsoren und desto mehr Gelder schütten sie aus. Gleichzeitig wird mein Rennstall attraktiver für die Fahrer. Muss ich mich anfangs noch aus dem Pool der Formel-2-Nachwuchsfahrer bedienen, klopfen später Stars wie Daniel Ricciardo, Max Verstappen und Sebastian Vettel an meine Tür und wollen einen Platz in meinem zweiten Wagen.

Wie im normalen Karriere-Modus habe ich im "My Team"-Modus zehn Jahre Zeit, um die Meisterschaft zu gewinnen. Jahr für Jahr kann ich auf den Erfolgen der vorangegangenen Saison aufbauen und mich nach vorn arbeiten. Die KI-Konkurrenz schläft aber nicht. Auch die anderen Teams entwickeln ihre Fahrzeuge stetig weiter und versuchen, die besten Fahrer zu rekrutieren. Dadurch entsteht tatsächlich das Gefühl, sich in einem dynamischen Wettbewerb zu befinden, in dem die Fahrer und Teams sowohl auf als auch abseits der Strecke in ständiger Konkurrenz stehen.
Was sonst noch interessant ist
Den klassischen Karrieremodus, in dem ich als Fahrer bei einem der bestehenden Formel-1-Teams anheuere, um gegen Hamilton und Co. anzutreten, gibt es natürlich auch in "F1 2020". Den Story-Modus rund um die fiktiven Fahrer Devon Buttler und Lukas Weber hat Codemasters allerdings gestrichen. Wer möchte, kann seine Karriere dennoch in der Formel 2 starten und sich von da aus nach oben arbeiten.

Neu ist der Splitscreen-Modus, der es zwei Spielern erlaubt, am gleichen Bildschirm ein Rennen zu fahren. Für einige sicherlich eine nette Ergänzung, aber als Ersatz für "Mario Kart" reicht das nicht.
Historische Rennwagen gibt es im neuen Spiel auch wieder. Diesmal liegt der Schwerpunkt auf Michael Schumacher und den wichtigsten Rennwagen, die der siebenfache Champion im Verlaufe seiner Karriere gesteuert hat.
Fazit: Die Krönung der Königsklasse
Die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports, die "F1"-Serie von Codemasters hat sich zur Königsklasse der Rennsimulationen entwickelt. Es ist für mich absolut erstaunlich, wie es den Entwicklern gelingt, Jahr für Jahr noch mehr aus der simplen Formel "20 Wagen auf 20+ Strecken" herauszuholen.
Beim Kern-Gameplay betreibt Codemasters seit Jahren nur noch Feintuning, das aber auf sehr hohem Niveau. Zudem ist es erstaunlich, welch enorme Spieltiefe "F1 2020" mit seinem ganzen Drumherum mittlerweile bietet. War der Karrieremodus der Vorgänge schon ein Vorzeige-Feature, haben die Entwickler mit "My Team" noch einmal mehrere Schippen draufgelegt.
Wer sich für Rennsimulationen begeistert und auch nur ein bisschen Interesse für die Formel 1 mitbringt, sollte diesem Spiel eine Chance geben. Die einzige Ausrede, das nicht zu tun: Du steckst noch mitten im Karrieremodus des Vorgängers.