Mit "Forza Motorsport 7" versprechen Microsoft und Entwickler Turn 10 das "umfangreichste Rennspiel aller Zeiten". Hoch gegriffen? Wir zeigen in unserem Test, was der neue Rennspiel-Bolide wirklich unter der Haube hat und ob das Spiel auch für Nicht-Auto-Verrückte genug bietet.
Rennspiele ziehen meist ein ganz eigenes Publikum an. Fans dieses Genres interessieren sich meist auch im echten Leben überdurchschnittlich stark für den Gegenstand der Sache – also Autos. Ich gehöre nicht dazu. Klar, ich habe selbst ein Auto, aber ich bin keiner von denen, die Serienausführung und Modell am Auspuffrohr erkennen oder sich für TV-Übertragungen der DTM-Saison im Vorfeld mit Snacks und Energy-Drinks eindecken.
Trotzdem: Bereits auf der ersten PlayStation habe ich aberwitzig viele Stunden in "Gran Turismo 2" investiert, um Lizenzen und Fahrzeuge freizuspielen. Der Ansatz von "Forza Motorsport 7", vor allem das Sammeln von Fahrzeugen in den Vordergrund zu stellen, reizt mich. Das Spiel wirbt nicht zuletzt damit, trotz seiner Komplexität besonders einsteigerfreundlich zu sein – und genau das will ich mir in diesem Test genauer ansehen.
"Forza Motorsport 7": Viel zu fahren
Natürlich muss "Forza Motorsport 7" eine Steigerung zum Vorgänger "Forza 6" von 2015 und dem Ableger "Forza Horizon 3" aus dem vergangenen Herbst bieten. In Sachen Umfang lassen die Entwickler sich also nicht lumpen: Über 700 verschiedene original lizenzierte Autos aus unterschiedlichsten Äras und Klassen sowie 32 Rennstrecken locken. Noch dazu lässt sich "Forza 7" so umfangreich individualisieren, dass dem rennbegeisterten Spieler auch nach Monaten nicht langweilig werden dürfte.
Dynamisches Wetter und unterschiedliche Tageszeiten können auf einer Strecke etwa völlig anderes Fahrzeug-Handling erfordern als gewöhnlich. Zudem ermöglichen es eine Vielzahl sogenannter Mods, die wir im Spiel freispielen können, das jeweilige Rennen um verschiedene Herausforderungen zu erweitern – etwa eine bestimmte Anzahl von perfekten Überholmanövern, die zu einem Bonus an Ingame-Währung führt.
Der Karriere-Modus: Das Herzstück von "Forza"
Bereits der Beginn des Spiels ist absolut einsteigerfreundlich gehalten: Freundlich, aber bestimmt werden wir in die Singleplayer-Kampagne eingewiesen. Diese ist in sechs unterschiedliche Cups unterteilt, die wiederum diverse Herausforderungen beinhalten. Darunter nicht nur Rennserien in unterschiedlichsten Fahrzeugklassen, sondern auch außergewöhnliche Events, wie die Top-Gear-Bowling-Herausforderungen, bei denen man möglichst spektakulär Pins von der Strecke fegen muss.
Was mir als Noob direkt positiv auffiel: Als Spieler ist man nicht dazu verdonnert, alle Herausforderungen auf dem ersten Platz abzuschließen um im Game weiterzukommen. Der Abschluss einer bestimmten offenen Rennserie und das Erreichen einer Erfahrungspunkte-Grenze genügen und schon haben wir den nächst höheren Cup freigeschaltet. Trotzdem ermutigt das Spiel mich immer wieder, auch ungewöhnliche Herausforderungen anzunehmen und etwa gleich zu Beginn mal eine Truck-Rennserie auszuprobieren.
Der Spielfortschritt wird in erster Linie über die eigene Fahrerstufe und Fuhrparkstufe gemessen. Für jedes Rennen und jede Herausforderung in "Forza Motorsport 7" gibt es Erfahrungspunkte und Credits, für die wiederum Autos gekauft werden können. Auch durch das Erreichen einer neuen Fahrerstufe oder das Gewinnen spezieller Events können wir neue Fahrzeuge freispielen. Je nach Gesamtwert erhöht sich dann unsere Fuhrparkstufe – je höher diese ist, desto wertvoller werden wiederum die Belohnungen beim Fahrerlevel-Aufstieg, darunter auch Fahrzeuge.
Zum Fahren einiger Herausforderungen benötigt man außerdem passende Autos in seinem Fuhrpark – meine alte Sammelwut hatte mich nach kurzer Zeit wieder gepackt. Unter den über 700 Autos finden sich auch jede Menge kuriose Gefährte, noch dazu gibt es Fahrzeuge aus unterschiedlichsten Äras. Neben abgefahrenen High-Tech-Boliden und Supercars, die man oft auch in anderen aktuellen Rennspielen findet, also auch Exoten und historische Liebhaber-Stücke wie der VW Bulli T1.
"Forza Motorsport 7": Multiplayer & Lootboxen können Noobs auch ignorieren
Auch abseits des Karriere-Modus gibt es in "Forza 7" genug zu sehen, auf der Xbox kann man beispielsweise per horizontalem Splitscreen gegeneinander fahren – auf dem PC ist das leider nicht möglich. Im Online-Multiplayer musste ich schnell feststellen, dass sich menschliche Fahrer ähnlich lebensmüde ins Rennen stürzen wie ich. Die Möglichkeit, private Rennen für sich und Freunde zu erstellen, ist da Gold wert.
Angenehmer empfand ich da schon den Rivals-Modus, in dem man asynchron gegen die Bestzeiten anderer Spieler fahren kann. Weitere Multiplayer-Modi wie Forzathon oder Online-Ligen sind zum Release noch nicht einmal spielbar, nach dem Kauf wird man also auch noch lange etwas von "Forza Motorsport 7" haben.
Auf nicht besonders viel Gegenliebe stößt bei vielen Fans das Preiskisten-Modell: Gegen Ingame-Credits und bald auch gegen Echtgeld lassen sich verschiedene Boxen erwerben, in denen dann entweder nur Mods oder auch unterschiedliche Items und Fahrzeuge auf den Spieler warten.
Sämtliche Items werden nach dem Sammelkarten-Prinzip vergeben und können auch wieder gegen Credits verkauft werden. Ich für meinen Teil habe bisher fast nur Preiskisten mit Mods gekauft, um das Risiko möglichst gering zu halten. Im Spiel habe ich als Einsteiger kaum Nachteile dadurch gespürt – ich wäre aber wohl auch generell der letzte, der versucht, sich per Echtgeld Spielvorteile zu erkaufen.
Jetzt geht's los: So fährt sich "Forza Motorsport 7"
Auf der Strecke wird die Flexibilität von "Forza Motorsport 7" dann am deutlichsten: Als Einsteiger legt man mit einer Vielzahl von Fahrhilfen los, die sich einzeln oder global nach Schwierigkeitsgraden abstellen oder dosieren lassen. So kann man zum Beispiel wählen, ob die eingeblendete Ideallinie ebenfalls farblich anzeigt, ob man zu schnell in die nahende Kurve rauscht.
Die bereits genannten Mods, die sich vor jedem Rennen einsetzen lassen, bewegten mich in spielerischer Weise dazu, nach und nach auf Fahrhilfen zu verzichten: Nachdem ich durch eine Mod die Bonuspunkte und Credits für eine Fahrt ohne Bremshilfe einkassiert hatte, fühlte ich mich motiviert, mit den Fahrhilfen zu experimentieren. Andernfalls wäre ich wahrscheinlich erst viel später auf die Idee gekommen, mich aus meiner fahrerischen Komfortzone herauszuwagen.
Jedes der Autos in "Forza Motorsport 7" fühlt sich beim Fahren auch für Laien unterschiedlich an und verhält sich entsprechend auch auf der Strecke. Wenn dann in knappen Rennen plötzlich das dynamische Wetter zeigt, was es kann, und der Himmel zuzieht, während ich mit einem Cadillac Escalade jenseits der 2,8 Tonnen über den Kurs von Monza eimere, stellen sich schon mal die Nackenhaare auf. Schnell in die Box und Reifen wechseln!
Die Hunderte von Autos lassen sich selbstverständlich auch noch tunen und mit Extrateilen ausstatten. Das ist nicht nur für das direkte Fahrverhalten wichtig, sondern natürlich auch für die Optik. Fahrzeugdesigns lassen sich sogar innerhalb der Forza-Community teilen, beim Kauf eines neuen Autos bekommt man direkt die teils aufwändigen Lackierungen anderer Spieler angeboten. Aber auch beim Tunen keine Angst – auch, wenn man nicht an der eigenen Karre herumschraubt, hat man die Chance ein Rennen zu gewinnen.
Präsentation: Grafischer Leckerbissen mit Luft nach Oben
Natürlich sieht "Forza Motorsport 7" glänzend aus, wobei ich mir persönlich nach der PR-Lobhudelei im Vorfeld einen noch größeren Wow-Effekt erwartet hatte. Zwar sind Fahrzeuge und Wetter extrem detailreich dargestellt und auf der Xbox One S läuft alles flüssig, in Sachen Strecken- und Zuschauerdetails ist jedoch noch einige Luft nach oben. Klar, wer mit Tempo-200 über die Strecke brettert, achtet meist nicht darauf, ob immer wieder die gleichen Zuschauergrüppchen am Wegesrand stehen. Ich bin gespannt, wie das Spiel auf der Xbox One X aussehen wird, wenn diese im November erscheint – für die Konsole mit den gigantomanischen Specs wird dies wohl vorerst der Titel mit dem meisten Potential sein.
Mein Fazit: Wer Rennspiele liebt, braucht "Forza 7"
Insgesamt schafft "Forza Motorsport 7" den Spagat zwischen Arcade-Rennspiel und Motorsport-Simulation recht gut. Trotz des enormen Umfangs habe ich mich auch als Quereinsteiger nie erschlagen gefühlt. Die Möglichkeiten werden dem Spieler angenehm dosiert zugeführt und der Grad der Herausforderung ist fast immer perfekt ausbalanciert.
Trotzdem bietet das Game auch Hardcore-Racing-Fans alle Möglichkeiten, die sie sich wünschen und Auto-Nerds kommen natürlich voll auf ihre Kosten – auch wenn diese vorher noch einen kurzen Blick auf "Project Cars 2" werfen sollten.
Wer Rennspiele liebt, muss “Forza Motorsport 7” haben. Wer einen zeitgemäßen Racer sucht, der langfristig Spaß bietet, sowieso. Nicht so gut gefiel mir, dass die Atmosphäre abseits der Rennen manchmal etwas steril wirkt. Außerdem mag ich persönlich den Pop-Rock-lastigen Soundtrack überhaupt nicht. Aber wen interessiert das – ab hinters Steuer.