Zugegeben: Als langjähriger GoPro-Nutzer geht man etwas voreingenommen an einen Action-Cam-Test. Warum uns die Garmin VIRB Ultra 30 ein Stück weit davon abgebracht hat und womit uns die 4K-Kamera für Abenteuerlustige überraschen konnte, erzählen wir Dir im Test.
Alle Action-Cam-Modelle teilen ein Schicksal – sobald sie auf den Markt kommen, werden sie mit der jeweils aktuellen GoPro-Generation verglichen. Der Vorteil der Garmin VIRB Ultra 30: Sie kam kurz vor der GoPro Hero 5 auf den Markt und konnte daher wirklich noch mit neuen, innovativen Features punkten. Eine Sprachsteuerung? Hatte die Hero 4 noch nicht, die VIRB Ultra hingegen schon. Integriertes GPS? Ist bei GoPro auch erst mit der fünften Generation hinzugekommen, hat die VIRB schon lange. Noch mehr Sensoren für Action-Daten und einen Touchscreen, der sich auch im wasserdichten Gehäuse bedienen lässt? Gibt es bei GoPro bis heute nicht. Die VIRB Ultra 30 ist daher durchaus einen Blick wert – das können wir bereits am Anfang des Tests verraten.
Vom Eigenbrödler-Design zur Copy Cat
Die vorherigen VIRB-Modelle stellten sich im wahrsten Sinne des Wortes quer und setzten auf ein recht breites, aber flaches Format. Die neue VIRB Ultra 30 zeigt sich sehr viel angepasster und könnte – zumindest was den Formfaktor angeht – als GoPro-Kopie durchgehen. Mit Abmessungen von 58 x 46 x 31 Millimetern ohne beziehungsweise 79 x 56 x 40 Millimetern mit Gehäuse ist sie quasi genauso groß wie die GoPro-Modelle der letzten Jahre. Aber nicht nur das Format wirkt irgendwie nachgemacht. Auch das Befestigungssystem für das Gehäuse und die Halterungen mit kurzen und langen Schrauben funktioniert wie beim Marktführer. Für Kunden ist das ein Riesenvorteil: Wer bereits GoPro-Zubehör besitzt, kann das auch mit der VIRB Ultra 30 nutzen. Im Test kamen unter anderem eine Helmhalterung und ein Brustgurt von GoPro zum Einsatz.
So viele Möglichkeiten zur Bedienung
Die Zeiten der fummeligen Einknopf-Bedienung sind bei modernen Action-Cams trotz ihrer geringen Größe zum Glück vorbei. Auch die neue Garmin-Kamera bietet zahlreiche Möglichkeiten, Videoaufnahmen zu starten und zu stoppen, Fotos zu schießen sowie Einstellungen vorzunehmen. Am unspektakulärsten ist wohl die Bedienung über die Knöpfe. Zwei kleine Buttons an der Oberseite dienen zum Navigieren sowie zum Ein- und Ausschalten der Kamera oder der WiFi-Verbindung. Der große Knopf lässt sich auf zwei Arten bedienen: Draufdrücken knipst ein Foto, Umlegen des Schalters startet und beendet die Videoaufnahme. Statt der Knöpfe kann aber ebenso der Touchscreen zur Bedienung genutzt werden – und das funktionierte im Test sogar noch gut, wenn die VIRB Ultra 30 im wasserdichten Gehäuse steckte.
"Okay, Garmin, take a photo!"
Was aber, wenn man gerade keine Hand frei hat, um Knopf oder Touchscreen zu drücken? Dann können Videos und Fotos auch per Sprachsteuerung aufgenommen werden. Die funktioniert derzeit zwar nur auf Englisch, aber die wenigen Befehle "Okay, Garmin, take a photo!", "Okay, Garmin, start recording!" beziehungsweise "... stop recording!" hat wirklich jeder schnell drauf. Auch das klappte im Test noch super, wenn die Kamera im Gehäuse steckte. Erst bei hohen Geschwindigkeiten mit entsprechenden Windgeräuschen wird wohl irgendwann ein Punkt erreicht, an dem Dich das hochempfindliche Mikrofon der Action-Cam nicht mehr versteht.
Mit Sportuhr und Sensoren koppeln
Hast Du zwar die Hände frei, aber die Action-Cam an einem Ort befestigt, an den Du nicht ständig herankommst, und willst nicht mit der Kamera reden, dann kannst Du die VIRB Ultra 30 auch fernsteuern – wahlweise per App oder Smartwatch. Die Action-Cam lässt sich nämlich beispielsweise mit der Multisportuhr Garmin fēnix Chronos verbinden, die wir zeitgleich zum Test zur Verfügung hatten. Haben sich Uhr und Kamera gefunden, kannst Du Fotos und Videos per Knopfdruck am Handgelenk anfertigen. Selbst die Foto- und Videoeinstellungen lassen sich an der Uhr verändern. Und nicht nur das: Da die GPS-Sportuhr Deine Herzfrequenz misst, kannst Du sie als zusätzlichen Sensor für die Action-Cam einsetzen. Warum Du das tun solltest? Das erklären wir Dir, wenn wir unsere Testvideos analysieren.
VIRB-App zum Bedienen & Bearbeiten
In einem weiteren Szenario kann sich auch die Bedienung via VIRB-App anbieten, die Garmin kostenlos bei Google Play und im App Store zur Verfügung stellt. Nämlich dann, wenn Du die Action-Cam fürs Filmen ausrichten willst, ihr Display aber nicht mehr sehen kannst – zum Beispiel, wenn die Kamera bereits auf Deinem Fahrrad- oder Skihelm sitzt, den Du schon auf Deinem Kopf trägst. Verbindest Du Dein Smartphone nämlich mit dem WLAN der VIRB Ultra 30, zeigt das Handy-Display die Live-View-Ansicht der Kamera an. Via App kannst Du natürlich auch Einstellungen ändern, Filme und Fotos ansehen, eine grobe Bearbeitung vornehmen und die Ergebnisse in sozialen Netzwerken teilen.
Video- und Fotoqualität auf GoPro-Niveau
Nicht nur die Bedienungsmöglichkeiten der Garmin VIRB Ultra 30 ähneln der neuen GoPro Hero 5. Auch die Bildqualität liegt in etwa auf einem Niveau mit der Konkurrenz. Wie die aktuellen GoPro-Modelle filmt auch die Garmin-Cam maximal in 4K-Auflösung, bei Full-HD-Aufnahmen zeichnet sie bis zu 120 Bilder pro Sekunde aus, Damit sind auch ordentliche und flüssige Zeitlupenaufnahmen möglich.
Wenig überraschend zeigte sich im Test, dass die schönsten Action-Cam-Videos draußen bei Tageslicht entstehen. Im Kunstlicht und in schlecht ausgeleuchteten Innenräumen wird schnell ein Bildrauschen sichtbar – das ist allen Kameras mit kleinen Optiken gemein. Insbesondere bei Zeitlupenaufnahmen solltest Du auf ausreichende Lichtzufuhr achten. Ein weiterer Tipp: Kontrolliere am besten im Live-View-Modus der App, ob die Kamera den gewünschten Bereich fokussiert. Bei einigen Testaufnahmen lag der Schärfebereich etwas weiter im Hintergrund als gedacht. Allzu nah an das zu filmende Objekt solltest Du also nicht herangehen.
Der integrierte (digitale) Bildstabilisator macht einen ordentlichen Job, verkleinert allerdings den sichtbaren Bildbereich. Wer das nicht möchte, sollte lieber ohne Software-Feature filmen und per Nachbearbeitung nachhelfen. Je mehr Features Du bei der VIRB Ultra 30 aktiviert hast, desto schneller macht natürlich auch der Akku schlapp. Eigentlich soll die Action-Cam bei 4K/30fps nämlich gut eine Stunde filmen können. Bei aktivierter WLAN-Verbindung, gekoppelten Sensoren und Co. reduziert sich das aber deutlich. Wer lange bei hoher Qualität filmen möchte, sollte ohnehin einen Ersatzakku dabeihaben oder die Stromversorgung per Ladekabel sicherstellen.
Wie aufregend war meine Aktion wirklich?
Zusätzlich zur Mobile-App gibt's auch eine kostenlose Desktop-App namens VIRB Edit, mit der sich die aufgenommenen Clips grob bearbeiten lassen. Dabei handelt es sich natürlich nicht um Profi-Schnittsoftware. Dafür punktet das Programm mit einfacher Bedienung und schnellen Möglichkeiten zur Fertigstellung eines Videos inklusive Tonspur. Größte Besonderheit sind allerdings die G-Metrix-Daten: Da die Garmin-Cam GPS-Daten und mehr während des Filmens erfasst, gibt es viele Wege, das fertige Video mit Live-Action-Werten zu unterlegen.
Die zurückgelegte Fahrradstrecke, den gefahrenen Motorradkurs, Geschwindigkeit, G-Kräfte, Herzfrequenz und noch viel mehr lassen sich im Video einblenden. Die Optik und Zusammenstellung der Anzeigen lässt sich dabei völlig frei gestalten. Das bietet in unseren Augen einen echten Mehrwert: Denn Geschwindigkeiten oder Beschleunigungen kommen auf einem Video häufig nicht so atemberaubend rüber, wie sie in Wirklichkeit waren. Der wahre Nervenkitzel eines Fallschirmsprungs wird doch viel anschaulicher, wenn Werte wie Geschwindigkeit, G-Kräfte oder Herzschlag des Springers im Video zu sehen sind.
Fazit: Neu gedacht & gut gemacht!
Wenn es in dem Marktsegment, in dem man ein Produkt herausbringen will, schon einen Marktführer gibt, dann sollte man das eigene Produkt billiger anbieten, besser oder anders machen. Günstiger als GoPro ist Garmins VIRB Ultra 30 nicht. Mit einer UVP von 429,99 Euro ist das Garmin-Modell genauso teuer wie die GoPro Hero 5 Black. Ob sie bessere Fotos oder Videos liefert – darüber lässt sich sicherlich streiten. In unseren Tests lagen beide Action-Cams auf einem sehr ähnlichen Qualitätsniveau.
Die technischen Daten und die Akkulaufzeit nehmen sich bei beiden nicht viel, aber: Garmin war zuerst da. Sprachsteuerung und integriertes GPS bot die VIRB Ultra 30 etwas früher und die G-Metrix-Daten sind gar ein Alleinstellungsmerkmal. Für viele Action-Sportler könnte die Garmin-Kamera genau damit zur GoPro-Alternative werden – immerhin lassen sich auch Auto-, Flugzeug- oder Bootsensoren koppeln. Zusammen mit Radsportlern, Kletterern, Outdoor-Freaks und sonstigen Adrenalin-Junkies ergibt das dann schon eine ziemlich große potenzielle Zielgruppe.