Es ist mal wieder Zeit für einen kleinen, aber feinen Geheimtipp. Heute geht's um "Sleep Tight" vom spanischen Regisseur Jaume Balagueró ("Rec"), den ich Dir wärmstens ans Herz lege. Doch sei gewarnt: Der Psychothriller könnte bei dem einen oder anderen für unruhige Nächte sorgen.
Na, gut geschlafen?
César (Luis Tosar) ist Hausmeister und Pförtner in einem wunderschönen, alten Mehrfamilienhaus inmitten einer spanischen Großstadt. Er ist zuvorkommend, kennt die Vorlieben sowie Probleme aller Hausbewohner, begrüßt jeden mit einem Lächeln und hilft, wo er nur kann. Andere Mieter wären froh, jemanden wie César um sich zu haben ...
Oder vielleicht auch nicht, denn was die Bewohner des Hauses nicht wissen: Nachts zeigt César seine dunkle Seite und entpuppt sich als Psychopath. Vor allem Clara (Marta Etura) aus dem dritten Stock hat es ihm angetan. So sehr, dass er mit dem Generalschlüssel nachts in die Wohnung der jungen Frau schleicht und unter ihrem Bett lauert, bis sie eingeschlafen ist. Dann betäubt er sie mit Chloroform – und legt sich neben sie.
"Glücklich, genau das ist mein Problem. Ich kann einfach nicht glücklich sein. Ich war es nie."
Pünktlich um 5:00 Uhr in der Früh steht er wieder auf, macht sich im Bad von Clara frisch und benutzt sogar ihre Zahnbürste, als wäre es das Natürlichste der Welt. Doch César erträgt die Fröhlichkeit von Clara nicht und wird in seinen Maßnahmen immer drastischer: Erst versteckt er ihre Armbanduhr, dann platziert er Ungeziefereier in der Wohnung – immer mit dem Ziel, dass sie ihn als ihren Retter um Hilfe bittet. Kommt Clara hinter das Geheimnis von César?

Perspektivwechsel
Dem Spanier Jaume Balagueró gelingt mit "Sleep Tight" ein intensiver Psychothriller, der mit wenigen Mitteln das Grauen im Zuschauer hervorruft. Er spielt mit den Urängsten des Menschen, dem Moment, in dem jeder am Verletzlichsten ist: im Schlaf. Wer hat sich nicht mindestens einmal als Kind vorgestellt, dass ein Monster unter seinem Bett lauert? Natürlich waren das nur Hirngespinste, doch in "Sleep Tight" ist es böse Realität.
Im Gegensatz zu Balaguerós "Rec", der ebenfalls ausschließlich in einem spanischen Mehrfamilienhaus spielt, ändert der Regisseur hier die Perspektive. Der Zuschauer sieht den Film durch die Augen des Täters und nicht durch die des Opfers – so wie bei "Rec". Der Film von 2007 ist ein klassischer Found-Footage-Horror, in dem wir den Ausbruch eines Virus durch die Linse eines Kamerateams miterleben.

Ein cleverer Trick, den Balaguerós in "Sleep Tight" zu nutzen weiß, denn das macht was mit einem. Auf der einen Seite verabscheue ich die Taten von César. Auf der anderen Seite fiebere ich aber auch mit ihm mit und hoffe in brenzligen Situationen geradezu, dass er nicht erwischt wird. Nur um direkt im Anschluss wieder eine Breitseite durch seine Aktionen zu kassieren.
Privatsphäre? Gibt's nicht.
Jaume Balagueró nimmt uns mit in den privatesten Bereich, den jemand haben kann: die eigenen vier Wände. In ihnen fühlen wir uns sicher, geborgen. Hier kann uns niemand etwas anhaben. Aber was, wenn doch? Opfer von Einbrüchen beschreiben oft das unheimliche Gefühl: Jemand Fremdes hat die privaten Dinge durchwühlt, hat alles angefasst. Nicht selten fällt es den Betroffenen schwer, dieses Wissen auszublenden.
Bei César geht es sogar noch weiter, da er das Vertrauen der Hausbewohner schamlos ausnutzt. Sie wissen, dass er sich in ihren Wohnungen aufhält, um Hausarbeiten und Reparaturen vorzunehmen. Was er allerdings wirklich tut, daran wagt niemand zu denken. Nicht einmal Senora Veroníca verdächtigt César, als es einem ihrer Hunde erschreckend schlecht geht. Dass eine Verbindung dazu bestehen könnte, dass der Hausmeister den Abend zuvor für die Fütterung zuständig war, kommt ihr nicht in den Sinn.
Perfekter Hauptdarsteller
César ist wie eine Spinne, die mit größter Sorgfalt ihr Netz aus Täuschungen spinnt und zuschlägt, sobald sich ihr die Gelegenheit bietet. All das passiert ganz gemächlich, Balagueró lässt sich Zeit und baut die Spannung behutsam auf.
Vor allem lebt "Sleep Tight" aber durch Hauptdarsteller Luis Tosar. Es gelingt ihm, seinem Charakter mühelos zwei Persönlichkeiten einzuhauchen. Tagsüber ist er die personifizierte Freundlichkeit, nach Feierabend wird er zum Schrecken der Nacht. Die Gratwanderung meistert Luis Tosar mit Leichtigkeit und ohne, dass er César je als kompletten Irren darstellt.
Fazit: Feinster Psychoterror aus Spanien

"Sleep Tight" ist ein packender Psychothriller, mit dem Regisseur Jaume Balagueró durch nur wenige Mittel sehr viel erreicht. Hier und da verschenkt er ein bisschen Potenzial, was zum Beispiel die Storyline mit der kleinen Úrsula betrifft. Das hätte Balagueró ruhig noch etwas ausbauen können, doch das tut der Spannung des Films keinen Abbruch.
Diese baut vor allem auf der unglaublich starken Leistung von Hauptdarsteller Luis Tosar auf, durch den César seine zwei Gesichter bekommt, wovon eines wirklich zum Fürchten ist. Und wenn Du nach Sichten des Films vor dem Schlafengehen unter Dein Bett schaust: Nicht schlimm! Das tun vermutlich alle ...
Und jetzt: Schlaf gut!
Originaltitel: Mientras duermes
Regie: Jaume Balagueró
Mit: Luis Tosar, Marta Etura, Alberto San Juan
Laufzeit: 1 Stunde 42 Minuten
FSK: ab 16