Garmin und Interstuhl haben einen Sitzsensor auf den Markt gebracht, der von Rückenschmerz geplagten Dauersitzern auf der Arbeit zu einem besseren Körpergefühl verhelfen soll. Ob das Gadget hält was es verspricht? Ich habe die Active Sitting Solution S 4.0 getestet.
- Die Einrichtung: Sensor und Computer werden verbunden
- Sitzqualität täglich auf dem Schirm
- Von Motivation ...
- ... zu Stagnation
- Mein Fazit nach 4 Wochen mit dem Sitzsensor
Ich bin wahrlich dafür prädestiniert, den Sitzsensor zu testen. Als Online-Redakteurin sitze ich nicht nur viele Stunden am Stück oftmals in einer ungesunden Dauerhaltung vor dem Rechner. Als Quittung durfte ich auch schon einen Bandscheibenvorfall einstecken. Aus diesem Grund war ich zu Beginn sehr gespannt, ob der Wundersensor mich zu mehr Bewegung und gesünderem Sitzen animieren kann.
Die Einrichtung: Sensor und Computer werden verbunden
Das Paket, in dem die Active Sitting Solution 4.0 ankommt, ist schon mal angenehm überschaubar. Es besteht lediglich aus einem etwa münzengroßen Sensor und einem kleinen ANT-Stick, mit dem auf kurze Distanz leistungssparend Daten übertragen werden können. Nach dem Lösen der Klebefolie wird der Sensor einfach unter dem Bürositz befestigt (Achtung: Der Pfeil auf ihm muss dabei in Richtung Computer zeigen). Nach 5 bis 10 Sekunden Druck auf seine Oberfläche ist er aktiviert. Anschließend findet der ANT-Stick, an den der Sensor später seine Daten schicken wird, in einem USB-Slot am Computer eine neue Heimat. Theoretisch kann der Sensor übrigens auch mit einem kompatiblen Wearable von Garmin gekoppelt werden.
Nun ist die "händische" Einrichtung erledigt. Über einen Link, der in der Kurzanleitung zu finden ist, muss ich nun nur noch die Interstuhl-Desktop-App (verfügbar für Windows und Mac iOS) herunterladen. Und die ist ganz schön neugierig. Sie will wissen, welches Stuhlmodell ich benutze – ich besitze leider keines von Interstuhl und wähle daher "Sonstige". Zum Glück ist der Sitzsensor nämlich mit allen Drehstühlen, die über eine Synchronmechanik verfügen, kompatibel. Anschließend gibt es schon die erste Möglichkeit die Sitzqualität zu verbessern. So gibt die App im Vorwege eine Anleitung, wie der Bürostuhl optimal eingestellt werden sollte. Durch Reha und Co. war ich in diesem Bereich schon gut informiert, doch eine Auffrischung kann niemals schaden.
Vor dem nächsten Schritt gehe ich sicher, dass Sensor und ANT-Stick richtig sitzen, denn jetzt wird die Suche nach dem Sensor gestartet. Dabei muss ich das erste Mal aktiv werden, denn während des etwa 30-sekündigen Suchvorgangs soll ich den Stuhl hin- und herdrehen. Langsam merken auch die Kollegen aus dem Großraumbüro, dass da was im Busch ist. Nachdem der Sensor erfolgreich mit dem Computer gekoppelt wurde, geht es zur Sensorkalibrierung. Dazu gibt die App Anweisungen, wann ich mein Gewicht wie verlagern soll. Also etwa auf die Mitte der Sitzfläche, vorne links, hinten recht usw. Und dann kann der Sensor endlich in Aktion treten.
Sitzqualität täglich auf dem Schirm
Von nun an starte ich die App jeden Morgen, nachdem ich den Rechner angeworfen habe. Sie läuft relativ unauffällig im Hintergrund. Auf der Startseite kann ich jederzeit drei verschiedene Kerndaten einsehen. So wird mir die aktuelle Sitzqualität angezeigt, die von Stunde zu Stunde stark schwanken kann. Außerdem kann ich nicht nur sehen, wie sich mein Gewicht auf dem Sitz gerade in Echtzeit verteilt, sondern auch in welchen Bereichen des Stuhls ich über den Tag verteilt häufig sitze. Idealerweise sollen alle Bereiche – also links vorne, links hinten, rechts vorne und rechts hinten – gleichmäßig eingefärbt sein.
Zusätzlich habe ich im Blick, wie oft ich innerhalb der letzten Stunde die Sitzposition gewechselt habe. Empfohlen werden zum Einstieg 70 Positionswechsel, doch das kann in den Einstellungen auf bis zu 130 gesteigert oder auch auf 30 gesenkt werden. Der Grund: Je nach Einstellung gibt mir die App am rechten Bildschirmrand eine Pop-up-Benachrichtigung, wenn ich die Sitzposition mal wieder ändern sollte. Das empfand ich als sehr hilfreich, da ich ins Schreiben vertieft oft gar nicht auf dem Schirm hatte, dass ich mich lange nicht gerührt habe. Zusätzlich bekomme ich zwischendurch auch Nachrichten, dass ich mich ein bis zwei Minuten bewegen soll.
Und auch ein Workout des Tages, das nur eine Minute der kostbaren Arbeitszeit abzwackt, wird den Vielsitzern anschaulich mit Videoanleitung empfohlen. Wen diese Benachrichtigungen zu Sitzposition und Co. stören oder wer ohne Probleme selber dran denkt, kann sie in den Einstellungen auch ausschalten. Wer sich zusätzlich bei Interstuhl registriert und einen kleinen Fragebogen beantwortet, hat Zugriff auf den Beitrag der Woche zu Themen rund um den Bereich Arbeit wie Work-Life-Balance.
Von Motivation ...
Das alles zusammen ist schon ein ganz ordentliches Angebot, doch zeigt es auch seine Wirkung? Ich muss sagen, dass ich zu Anfang sehr motiviert war, zwischendurch immer wieder geguckt habe, wie meine Sitzqualität aussieht und die Anweisungen, meine Sitzposition zu ändern oder mir mal die Beine zu vertreten, sehr ernst genommen habe. Praktisch ist auch, dass ich meine persönliche Sitzentwicklung jeden Morgen mit der des Vortages vergleichen konnte.
Was mich jedoch von Beginn an sehr irritierte, war, wie durchwachsen meine Sitzqualität mitunter schien. An manchen Tagen erreichte ich nicht viel mehr als 20 Prozent, an anderen übertraf ich auf wundersame Weise 80 oder 90 Prozent. Darüber freute ich mich natürlich, aber wie sich dieser Wert genau zusammensetzte, erschloss sich mir nicht. Offenbar aus einer möglichst gleichmäßigen Sitzverteilung und vielen Sitzwechseln. Doch auch wenn ich gefühlt sehr ähnlich saß, wie am Tag davor, konnte das Ergebnis sehr viel schlechter oder besser ausfallen.
... zu Stagnation
Das ließ bei mir die Motivation sinken. Ich hätte eindeutigeres Feedback gebraucht. So was wie: "Verbessere Deine Sitzqualität, indem Du ...". Vielleicht alles nur eine Frage der Wortwahl. Teilweise hatte ich auch das Gefühl, dass der Sensor mich nicht richtig wahrnahm, wenn mir nur wenige Minuten, nachdem ich kurz in der Büroküche war, schon wieder vorgeschlagen wurde, mir für ein bis zwei Minuten die Beine zu vertreten.
An den Workouts des Tages scheiterte ich ehrlich gesagt nach einigen Durchgängen, da es mir peinlich war, sie im Großraumbüro anzugehen. Sie lassen sich zwar am Sitzplatz gut ausführen und sorgten für Dehnung oder Lockerung, doch Aufmerksamkeit der Kollegen ist einem dabei sicher. Da hätte ich meinem Rücken zuliebe einfach mutiger sein sollen. Ein kleineres Büro ist in dieser Hinsicht sicherlich von Vorteil.

Mein Fazit nach 4 Wochen mit dem Sitzsensor
Letztlich kann ich weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung meiner Rückengesundheit feststellen. Geschadet hat Garmins und Interstuhls Sitzsensor mir ganz bestimmt nicht. Ich habe häufiger die Sitzposition gewechselt und mich bewegt und hatte es besser auf dem Schirm, wenn ich mal wieder lange in einer Sitzposition verharrte.
Doch nach einer Weile begann ich, die Aufforderungen der App zu ignorieren oder vergaß manchmal sogar, sie überhaupt zu Beginn des Tages zu starten. Dennoch halte ich die Active Sitting Solution S 4.0 für eine gute Möglichkeit, mehr Bewegung in den Arbeitsplatz zu integrieren. Wer am Ball bleibt, kann von dem Sitzsensor nur profitieren.
Das hat mir gut gefallen | Das hat mir weniger gefallen |
+ leichte Einrichtung | - Sitzqualität könnte besser aufgeschlüsselt werden |
+ dezente Benachrichtigungen | - man bleibt nicht bei der Stange |
+ animiert zu mehr Bewegung | |
+ Einsicht in Sitzhistorie |