Das neue "God of War" für die PS4 will ein Neustart für die Serie sein. Story, Gameplay und Grafik des Exklusivspiels wurden generalüberholt und sollen die angestaubte Hack-and-Slay-Reihe in die aktuelle Spiele-Generation hieven, ohne altgediente Fans zu verschrecken. Im Test prüfen wir, ob's klappt – und ob Kratos' neues Abenteuer den Hype wert ist.
Die "God of War"-Reihe gehört seit 2005 zu den wichtigen exklusiven Spielemarken, über die Sony seine Konsolen verkauft. Mit dem nun veröffentlichten Reboot debütiert sie auf PS4 und PS4 Pro – also auf Konsolen, die ohne Games wie "Horizon Zero Dawn", "Uncharted" oder "The Last of Us" nur wenige Vorteile gegenüber der originelleren Nintendo Switch oder der technisch leistungsfähigeren Xbox One X hätten. Aber: Sonys Strategie, ganz auf gute Spiele zu setzen, geht auf – wie sich an "God of War" wieder einmal zeigt. Das ist, so viel sei vorweggenommen, so grandios wie erwartet und rechtfertigt den Kauf einer PS4 im Alleingang.
Die Story: Der heimliche Star
Die bisherige Handlung der Reihe um Kratos, den ehemaligen Krieger aus Sparta, der den griechischen Kriegsgott Ares tötet, dessen Nachfolge antritt und später von den Göttern hintergangen wird, war ebenso überladen wie ausgelutscht. Nachdem Kratos am Ende von "God of War 3" Göttervater Zeus, Erden-Mutter Gaia und so ziemlich alle anderen wichtigen Götter spektakulär tötete, blieb in Griechenland nicht mehr viel zu tun. Folgerichtig entschieden sich die Entwickler für ein neues Setting und einen neuen Kratos.
Der kahlköpfige, blutrot tätowierte Held ist nicht nur optisch gealtert, sondern hat auch an Reife gewonnen. Im aktuellen "God of War" beginnt daher ein neuer Lebensabschnitt für den grimmigen Griechen: Er ist in der nordischen Wildnis untergetaucht, will von den Zwistigkeiten der Götterwelt nichts mehr wissen – und ist Vater eines Sohnes namens Atreus geworden, der nicht von seiner Seite weicht. Ein dramaturgischer Glücksgriff: Creative Director Corey Barlog und sein Team schaffen es gekonnt, die sensible Beziehung zwischen Kratos und Atreus zum Mittelpunkt der Story zu machen. "God of War" ist dadurch im Grunde ein Roadmovie durch die nordische Sagenwelt, in dem Vater und Sohn langsam zueinander finden.
Denn natürlich schaffen es die beiden nicht, den Göttern aus dem Weg zu gehen. Stattdessen landen sie inmitten der Intrigen zwischen göttlichen Mächten und den verschiedenen Reichen der Sagenwelt. Die umfangreiche Lore arbeiten die Entwickler immer wieder in "God of War" ein, viele Figuren verfügen über eine Backstory, die über das Menü optional im Notizbuch von Atreus nachgelesen werden kann. Da der Junge unter anderem Runen lesen kann, dient er im Spiel auch als eine Art Chronist und bildet mit Kratos ein perfekt ausbalanciertes Team.
Gameplay: Viel Neues & das Beste vom Alten
Damit zeigt das neue "God of War" eine ungewohnte Tiefe, die sich auch im Gameplay widerspiegelt. Natürlich stehen die Kämpfe wieder im Vordergrund, und keine Angst, sie sind nicht weniger brutal als zuvor. Allerdings wurde das Spiel in den unterschiedlichsten Dimensionen erweitert: Das Kampfsystem etwa ist zwar leicht zu lernen, aber wer es meistern will, muss sich zwischen verschiedenen Wegen entscheiden. Ein vielseitiger Skilltree ermöglicht es außerdem, den persönlichen Stil über verschiedene Fähigkeiten anzupassen, die jeweils noch in Stufen verbessert werden können. Auf die für die Reihe typischen Quick-Time-Events verzichtet das Game trotzdem nicht völlig.
Im Vorfeld des Releases trieb mich die Frage um, wie genau Atreus ins Gameplay von "God of War" eingebunden wird. Muss man nun etwa ständig einen hilflosen NPC eskortieren oder kommt Kratos' Sohn dem Spieler gar in die Quere? Nichts davon ist der Fall. Stattdessen lässt sich der Junge eher wie ein Begleiter aus einem MMORPG beschreiben: Er ist immer da und greift punktuell ins Kampfgeschehen ein – anfangs nur mit Pfeil und Bogen, später auch mit Nahkampfangriffen, die ich skillen kann. Im Kampf sterben kann Atreus nicht, man muss sich also im Eifer des Gefechts auch keine Sorgen um ihn machen.
Wie aus vorherigen Teilen der Reihe bekannt, sind auch im neuen "God of War" immer wieder Rätsel zu lösen. Oft dienen diese zugleich dazu, den Umgang mit der Wurfaxt von Kratos zu trainieren – zum Beispiel, wenn Schatzkisten sich nur öffnen, wenn mehrere voneinander entfernt aufgestellte Glocken innerhalb eines kurzen Zeitraums zum Klingen gebracht werden müssen. An anderer Stelle müssen mehrere Objekte gleichzeitig abgeworfen werden, der richtige Wurfwinkel ist also entscheidend. Auch Atreus und sein Bogen kommen für die ein oder andere Lösung zum Einsatz.
Um das Spielerlebnis für unterschiedliche Ansprüche zu optimieren, bietet "God of War" vier Schwierigkeitsgrade:
- Give Me A Story: Hier steht die Handlung im Vordergrund und die Intensität der Kämpfe wird etwas reduziert
- Give Me A Balanced Experience: Wie der Name schon sagt, sind Handlung und Action hier recht ausgewogen
- Give Me A Challenge: Wer gerade erst die vorigen Teile der Reihe durchgespielt hat oder es gerne etwas härter mag, bekommt hier mehr Action
- Give Me God of War: Dieser Modus ist nur für hartgesottene Spieler geeignet. Sowohl Gegnerstärke als auch deren Platzierung und Verhalten werden angepasst. Auch lässt sich der Schwierigkeitsgrad in diesem Modus im Nachhinein nicht mehr anpassen
Völlig neu ist das Crafting-System, mit dessen Hilfe Ausrüstung hergestellt und verbessert werden kann. Damit wird auch der Look von Kratos und Atreus angepasst – zwar nicht im gleichen Umfang wie etwa in "Horizon Zero Dawn", doch wer sich mit dem Crafting im PS4-Adventure von 2017 wohlgefühlt hat, wird sich auch in "God of War" schnell zurechtfinden. Was mir besonders gefällt: Das Sammeln der notwendigen Ressourcen tritt zu keinem Zeitpunkt in den Vordergrund. Ermüdendes "Farmen" entfällt völlig, der Fortschritt kommt praktisch von allein.
Größer wirkt auch die Spielwelt, durch die sich Vater und Sohn kämpfen. "God of War" ist zwar kein Open-World-Game, allerdings fühlt es sich auch nicht an, als würde man vorgeplante Schlauch-Level durchlaufen, wie es in den Vorgängern ab und zu der Fall war. Stattdessen vermittelt die einblendbare Karte, auf der auch wichtige Orientierungspunkte und Händler eingeblendet werden, ein gewisses Gefühl von Freiheit. Hier, und das zählt auch insgesamt für das Gameplay von "God of War", haben die Entwickler die Balance zwischen zielstrebigem Design und Freiheit sehr gut getroffen.
Grafik: Atemberaubend und aus einem Guss
Fehlt noch der insgesamt beeindruckendste Aspekt von "God of War": die Grafik. Zwar hat das Spiel auf meiner PS4 Pro an einigen wenigen Stellen etwas geruckelt. Trotzdem kann man die Optik nur als atemberaubend beschreiben. Die Spielwelt quillt über vor Details und saugt mich förmlich ins Geschehen ein. Vor allem die vom Fantasy-Setting geprägte Natur ist wirklich sehenswert.
Verstärkt wird die Immersion noch durch den Effekt, der durch die Kameraführung erzeugt wird: "God of War" wird ohne einen einzigen Schnitt, quasi "in einem Schuss" dargestellt. Keine Cutscene reißt den Spieler aus der Geschichte heraus. Das Resultat, das durch diese Design-Entscheidung erzeugt wird, muss man selbst sehen um seine Bedeutung für das Spielerlebnis zu verstehen.
Auf der PS4 Pro können Spieler zwischen zwei Grafik-Modi wählen:
- Performance: Das Spiel läuft mit verbesserter Bildwiederholrate
- Resolution: "God of War" wird in einer höheren Auflösung mit 2160p (per Checkerboarding) wiedergegeben
Die Modi wurden in der Review-Version per Day-0-Patch nachgeliefert. In späteren Updates soll noch ein Foto-Modus folgen.
Um die Immersion im Spiel weiter zu erhöhen, bietet "God of War" die Möglichkeit die HUD-Bildschirmeinblendungen auf ein Minimum zu reduzieren – entweder über vorgegebene Presets oder auf Basis einzelner Elemente.
Wenn Du keinen HDR-fähigen Bildschirm besitzt und auch nicht planst, demnächst aufzurüsten, solltest Du Dir "God of War" übrigens am besten nicht auf einem TV mit dem Feature ansehen. Der Effekt, den die erweiterte Farbdynamik auf die Grafik haben kann, wird in diesem Spiel nämlich extrem verdeutlicht und wer einmal davon angefixt wurde, will vermutlich nie mehr ohne spielen. Du bist gewarnt!
Fazit: Wiederbelebung geglückt – mehr davon!
Natürlich erfindet Sony Santa Monica mit "God of War" das Rad nicht neu und so ziemlich alle Gameplay-Elemente sind schon in anderen aktuellen Spielen zu sehen gewesen. Die Präsentation ist aber erstklassig. Allein schon die spektakuläre Kameraführung macht das Spiel zu einem unglaublich fesselnden Erlebnis mit wahnsinnig spannenden Kampfszenen. Ein Meisterwerk wird "God of War" aber durch die feinsinnig erzählte Story: Sensibel wird das Verhältnis zwischen Vater und Sohn wiedergegeben, ohne dabei zur nervigen Sidestory zu verkommen. Optisch überzeugt das Spiel sowieso. Die Wiederbelebung von Kratos ist also gelungen – mit einem "God of War", das viel mehr ist als nur ein zeitgemäßes PS4-Game.