Das Google Pixel 4 ist das erste Smartphone mit eingebautem Radar, besitzt eine sehr gute Kamera und eine pfeilschnelle Gesichtserkennung. Trotzdem wird es von kleinen Kompromissen in seinem Potenzial gebremst.
- Das Pixel 4 ist in natura viel schöner als auf Bildern
- Aktuelle Technik von der Stange
- Beim Akku hat Google gepatzt
- Das Display ist schön, aber dunkel
- Die hohe Stirn und die Gesichtserkennung
- Das Pixel 4 hat Dich auf dem Radar
- Die Pixel-Kamera mit Licht und Schatten
- Im Video-Bereich lässt das Pixel 4 Federn
- Was zum Pixel 4 sonst noch wichtig ist
- Fazit: Google schöpft sein Potenzial (noch) nicht aus
Ich bin seit der Nexus-Reihe ein großer Fan der Google-Smartphones. Das Pixel 3a gehört für mich sogar zu den besten Mobiltelefonen des Jahres. Doch mit dem neuen Pixel 4 tue ich mich nach einer Woche Test immer noch viel schwerer, als ich erwartet hätte. Warum, will ich in diesem Testbericht verdeutlichen.
Das Pixel 4 ist in natura viel schöner als auf Bildern
Optisch finde ich das Pixel 4 wirklich schön. Die weiße Variante mit der matten Glasrückseite und dem mattschwarzen Aluminiumrahmen ist in natura unerwartet stylish. Selbst der rechteckige Kamera-Buckel passt gut zum restlichen Design des Smartphones, das einerseits sehr reduziert und andererseits sehr markant daherkommt. Google hat einen Look gefunden, in dem das Pixel 4 eigenständig und frisch wirkt – ähnlich wie seinerzeit das Pixel 2.
Aktuelle Technik von der Stange
Das Innenleben des Pixel 4 ist eines Flaggschiff-Smartphones im Jahre 2019 würdig, kann jedoch niemanden wirklich vom Hocker reißen. Der Hauptprozessor vom Typ Qualcomm Snapdragon 855 ist pfeilschnell, 6 GB RAM sorgen dafür, dass das Gerät auch bei mehreren parallel laufenden Apps nicht ins Schwitzen kommt, und 64 beziehungsweise 128 GB an internem Speicher dürfen für die meisten Nutzer ausreichend sein.
Ähnliche oder sogar bessere Specs finden sich in so ziemlich allen Flaggschiff-Smartphones der letzten Monate. Doch wichtig ist einzig und allein, dass die Hardware keinerlei Flaschenhälse produziert und perfekt auf die verschiedenen Nutzungsszenarien Pixel 4 zugeschnitten zu sein scheint.
Beim Akku hat Google gepatzt
Das gilt jedoch nicht für den Akku. Der hält beim Pixel 4 bei alltäglicher Nutzung maximal anderthalb Tage durch und ist damit merklich schwächer als der des iPhone 11 oder Samsung Galaxy S10. Der Grund dafür ist relativ simpel: Der Akku ist mit 2.800 mAh einfach vergleichsweise klein. Und nein: Google schafft es an dieser Stelle nicht, mit Software-Optimierung die Gesetze der Physik auszuhebeln. Wireless-Charging wird bis zu einer Geschwindigkeit von 11 Watt unterstützt.

Das Display ist schön, aber dunkel
Auf der Vorderseite des Google Pixel 4 befindet sich eines der besten Smartphone-Displays aller Zeiten. Bei der Farbdarstellung bewegt sich der OLED-Screen etwa auf dem Niveau von Samsung Galaxy S10 und iPhone 11 Pro und bei der Bildwiederholrate dank 90-Hertz-Display auf dem Level des OnePlus 7 Pro.

Zu beschreiben, wie toll 90 Hertz auf einem Smartphone-Display wirken, ist praktisch unmöglich. Wer die Möglichkeit hat, sollte das Pixel 4 deshalb einmal in einem Geschäft ausprobieren. Kurz gesagt: Fast alle Aktionen auf dem Screen wirken dank der hohen Bildwiederholrate sehr geschmeidig – flüssiger als auf anderen Smartphones.
Ab Werk unterstützt das Pixel 4 den 90-Hertz-Modus nur, wenn die Displayhelligkeit mindestens auf 75 Prozent eingestellt ist. Allerdings lässt sich eine 90-Hertz-Bildwiedergabe in den versteckten Entwicklereinstellungen des Smartphones dauerhaft aktivieren. Leider wird der dauerhaft aktivierte 90-Hertz-Modus einen merklichen negativen Effekt auf die Akkulaufzeit des Smartphones haben. Insgesamt wirkt das 90-Hertz-Display damit mehr wie ein Feature, mit dem sich gut Werbung machen lässt, und nicht wie eine konsequent für die Alltagsnutzung zu Ende gedachte Idee.
Mit einer Diagonale von 5,7 Zoll ist der Screen des Pixel 4 übrigens minimal kleiner als der des iPhone 11 Pro. Die Auflösung von 2.280 x 1.080 Pixeln geht für diese Größe vollkommen in Ordnung. Beim größeren Pixel 4 XL gibt es übrigens 6,3 Zoll und eine Auflösung von 3.440 x 1.440 Bildpunkten.
Die hohe Stirn und die Gesichtserkennung
Während das Pixel 3 noch mit einer ungewöhnlich tiefen Display-Kerbe am oberen Bildschirmrand von sich reden machte, sorgt das Pixel 4 mit seiner hohen Stirn für Aufsehen. Anders als bei Smartphones der Konkurrenz gibt es bei Google keine Notch und kein Kamera-Loch, sondern einen relativ dicken Rand.

Dieser beherbergt nicht nur die 8-Megapixel-Frontkamera, sondern auch eine Reihe weiterer Sensoren. Da wären zum Beispiel zwei Infrarot-Sensoren zu nennen, die für das Entsperren per Gesichtserkennung dienen. Das funktioniert im Alltag wirklich sehr gut, extrem zuverlässig und vor allem unheimlich schnell. Verglichen mit den Tiefensensoren von Apple oder Huawei entsperrt das Face-Unlock genannte Feature des Pixel 4 das Smartphone etwa doppelt so schnell und aus einem weiteren Winkel.
Allerdings kommt diese superschnelle Form des Entsperrens mit einem kleinen Schönheitsfehler daher. Anders als etwa bei Face ID von Apple lässt sich das Pixel 4 auch mit geschlossenen Augen entsperren. Theoretisch wäre es also möglich, einer Person im Schlaf das Smartphone abzunehmen und es ohne deren Wissen zu entsperren. Google hat das Problem aber bereits erkannt und ein Update versprochen.

Schön ist: Face Unlock funktioniert auch mit Google Pay, zum Anmelden im Chrome-Browser sowie für einige Drittanbieter-Apps wie 1Password oder Keeper. Ähnlich wie zum Start von Face ID für iOS haben aber zu Beginn längst nicht alle Entwickler die Gesichtserkennung als Anmelde-Methode implementiert. Viele werden sicherlich in den kommenden Monaten nachziehen, aber bis dahin müssen Nutzer in einigen Fällen wohl oder übel wieder auf Passwörter oder Pins ausweichen.
Das Pixel 4 hat Dich auf dem Radar
Das vielleicht spektakulärste neue Feature des Google Pixel 4 ist sein verbautes Radar. Ja, ganz recht, im Smartphone selbst ist ein waschechtes Radar namens Soli verbaut, das die Umgebung der Vorderseite in einem Winkel von 180 Grad erfasst.
Das Radar kommt in drei verschiedenen Szenarien zum Einsatz:
- Für die automatische Aktivierung der Gesichtserkennung, wenn das Smartphone in die Hand genommen wird
- Für die Gestensteuerung zum Stummschalten der Wecker mit einer einfachen Handbewegung
- Für eine Gestensteuerung zum Swipen zwischen Songs bei YouTube Music oder Spotify (in Zukunft vielleicht auch in anderen Apps)
Leider funktioniert die Gestensteuerung nicht für alle diese Anwendungen gleich gut. Während die automatische Aktivierung der Gesichtserkennung im Test stets absolut zuverlässig funktionierte und das Stummschalten ebenfalls ziemlich intuitiv wirkte, war die Fehlerquote beim Swipen zwischen Songs für meinen Geschmack deutlich zu hoch. In 30 bis 40 Prozent der Fälle wurden meine Wischgesten einfach nicht vom Radar erkannt. Damit ist die Gestensteuerung in meinen Augen zu unzuverlässig, um sie wirklich sinnvoll nutzen zu können.
Es ist gut denkbar, dass Google die Zuverlässigkeit der Gesten-Erkennung mit zukünftigen Updates noch verbessern wird. Mir stellt sich allerdings die Frage, warum das Feature überhaupt in diesem unfertigen Zustand implementiert wurde. Vielleicht wäre das eher etwas für das Pixel 5 gewesen?
Die Pixel-Kamera mit Licht und Schatten
Die Formulierung "Licht und Schatten" beschreibt die Kamera des Pixel 4 in mehrerlei Hinsicht ziemlich treffend. Zum einen ist der wirklich herausragende HDR-Modus zu nennen, der gerade aus Motiven mit starken Kontrasten hervorragende Fotos zaubert. Generell kann die Kamera des Pixel 4 mit ihrer 12,2-Megapixel-Hauptlinse und einem 16-Megapixel-Teleobjektiv bei Tageslicht zur absoluten Speerspitze der Smartphone-Kameras gezählt werden.
Ein wirklich praktisches neues Feature, das Google in seine Kamera-Software integriert hat, ist das sogenannte Double Exposure (doppelte Belichtung). Über einen Schieberegler ist es möglich, die Belichtung von Vorder- und Hintergrund separat anzupassen und so zu verhindern, dass Bereiche des Bildes zu stark oder zu schwach belichtet sind. Bei meinen Tests funktionierte das so gut, dass ich es mir in Zukunft für alle Smartphone-Kameras wünsche.
Wie stark die Konkurrenz mittlerweile aufgeholt hat, zeigt sich aber unter anderem beim Nachtmodus. Dieser war im letzten Jahr ein herausragendes Merkmal des Pixel 3, mittlerweile wurde der Nachtmodus aber gut von Samsung oder Apple adaptiert. Und das Huawei P30 Pro spielt in dieser Kategorie ohnehin in einer eigenen Liga.
Das Gleiche gilt leider auch für den Rest der Kamera-Features. Beim Zoom kann das Pixel 4 mit seinem Teleobjektiv zwar zu iPhone 11 Pro und Galaxy S10 aufschließen, aber keine neuen Akzente setzen. Huawei ist mit seinem optischen Fünffach-Zoom im P30 Pro und selbst dem Dreifach-Zoom im Mate 20 Pro schlicht besser und flexibler.
Überhaupt ist Flexibilität nicht die Stärke der Pixel-Kamera. Eine Weitwinkel-Optik, die es bei den meisten Herstellern schon länger gibt, fehlt dem Smartphone komplett. Damit geht die Option auf diese neue Perspektive leider verloren. Einen manuellen Modus zum Fotografieren gibt es ebenfalls nicht.
Im Video-Bereich lässt das Pixel 4 Federn
Auch im Video-Modus ist das Pixel 4 nicht schlecht, lässt aber im Vergleich zu iPhone 11 und Samsung Galaxy S10 sichtbar Federn. Sowohl bei der Stabilisierung als auch beim Bild selbst ist die Konkurrenz Google voraus. Hinzu kommen dann noch Weitwinkel-Perspektiven, Super-Zeitlupe (bei Samsung und Huawei) und die Tatsache, dass die Konkurrenz mittlerweile auch in Ultra HD mit 60 Bildern pro Sekunde filmen kann. Mit dem Pixel 4 sind in UHD-Auflösung nur maximal 30 Bilder pro Sekunde drin. Wer mehr möchte, kann sich eine kostenlose App herunterladen.
Was zum Pixel 4 sonst noch wichtig ist
- Active-Edge ist wieder vorhanden: Der Google Assistant lässt sich also weiterhin durch das Zusammendrücken des Rahmens aktivieren.
- Wireless-Charging funktioniert auch mit Drittanbieter-Ladepads mit bis zu 11 Watt (anders als noch beim Pixel 3).
- Die neue Google-Recorder-App auf dem Pixel 4 ist in der Lage, aufgenommene Sprache in geschriebenen Text zu transkribieren. Das funktioniert hervorragend, leider vorerst nur in englischer Sprache.
Fazit: Google schöpft sein Potenzial (noch) nicht aus
Das Pixel 4 ist ein sehr gutes Smartphone, soviel steht außer Frage. Es war für mich während des Tests aber kein Gerät, bei dem ich mir an irgendeiner Stelle gesagt habe: "Das will ich unbedingt haben." Der Grund ist einfach: Es bietet mir nichts, was ich nicht auch bei diversen Konkurrenten finde.
Besonders schmerzlich ist es, dieses Urteil über die Kamera zu fällen. Für einfache Fotos mit der Hauptkamera ist das Pixel 4 zwar wie seine Vorgänger beste Wahl, es kann aber mit der Vielseitigkeit der Konkurrenz nicht mithalten.

Enttäuschend finde ich auch die Akkulaufzeit. In einem Jahr, in dem sowohl Samsung als auch Apple bei ihren Flaggschiffen endlich den Fokus auf einen größeren Akku gelegt haben, fällt Google zurück.
Es sind eher kleine Dinge, die das Pixel 4 zurückwerfen. Das Problem ist, dass die aktuellen Smartphone-Flaggschiffe ein Niveau erreicht haben, auf dem solche kleinen Schwächen schon den Unterschied machen können.
Ich finde das schade, weil das Pixel 4 auch eindeutige Stärken hat: Zum Beispiel das mutige Design, die sehr gute Gesichtserkennung und die Möglichkeit, in Fotos Vorder- und Hintergrund separat zu belichten. Die neue Recorder-App kann aktuell zwar nur englische Sprache transkribieren, ist aber grundsätzlich ein sehr smartes Tool. Ohnehin besteht das Potenzial, dass Google viele der kleineren Schwächen über Software-Updates noch löst beziehungsweise einige Features nachliefert.
Trotzdem: Die Konkurrenz ist hart. Das kleine Pixel 4 muss sich für eine UVP von 749 Euro mit dem iPhone 11, dem Samsung Galaxy S10, dem OnePlus 7T und dem Huawei P30 Pro messen. Das Pixel 4 XL hat mit dem Samsung Galaxy S10 Plus und dem Note 10 mindestens zwei ebenbürtige Konkurrenten.