Mit "Gran Turismo Sport" feiert Sonys legendäre Rennspielreihe ihr Debüt auf der PS4. Edle Autos, tolle Grafik, beeindruckende Fahrphysik – das sind seit jeher feste Bestandteile von "Gran Turismo". Warum der PlayStation-4-Exklusivtitel viele Spieler dennoch enttäuschen dürfte, verrät unser Test.
- Ohne permanente Internetverbindung geht in "Gran Turismo Sport" nicht viel
- Wer kein PlayStation Plus hat, schaut in die Röhre
- Eine Singleplayer-Kampagne, die ihren Namen kaum verdient
- Grafik, Sound und Fahrgefühl auf allerhöchstem Niveau
- Neuer Fotomodus "Scapes": Setze Dein Auto in Szene
- Fahrphysik so gut, dass sogar die FIA Deine Fahrkünste anerkennt
- Der Online-Modus: Das Herzstück von "Gran Turismo Sport"
- Fazit: Nur was für Online-Gamer
Angekündigt auf der Paris Games Week 2015, sollte der Release von "Gran Turismo Sport" ursprünglich schon im November vergangenen Jahres über die Bühne gehen. Doch das Erscheinungsdatum wurde, wie schon oft in der Seriengeschichte, nach hinten verlegt – auf den 18. Oktober 2017.
Die bange Frage lautet nun natürlich: Hat sich das lange Warten gelohnt? Immerhin erschien der letzte Ableger der "GT"-Serie bereits im Jahr 2013, seinerzeit noch für die PlayStation 3. Und die kurze Antwort: Kommt drauf an.
Ohne permanente Internetverbindung geht in "Gran Turismo Sport" nicht viel
Fangen wir mit dem an, was offensichtlich ist – und was schon kurz nach dem Release für viel Unmut bei den zahlreichen Fans der Rennsimulation sorgte. Die Rede ist vom Online-Zwang, der zwar offiziell nicht existiert, de facto aber da ist. Dass "Gran Turismo Sport" einen starken Fokus auf Online-Features legen wird, war schon lange für alle Gamer klar, die sich vorab intensiv mit dem neuesten Werk aus dem Hause Polyphony Digital beschäftigt haben. Doch was Publisher Sony den treusten Fans hier garniert, ist für einen Vollpreistitel schon etwas frech.
Wer kein PlayStation Plus hat, schaut in die Röhre
Nicht nur, dass selbst klassischen Offline-Disziplinen wie Fahrschule und Co. eine permanente Internetverbindung erfordern. Selbst das Speichern des Spielfortschritts ist ohne Anbindung an das Internet nicht möglich oder nur äußerst eingeschränkt. Wer also einen WLAN-Verbindungsabbruch zu beklagen hat, sollte "Gran Turismo Sport" lieber so lange nicht schließen, bis die Leuchten am Router wieder okay melden. Ohnehin muss man ganz klar festhalten: Wer kein aktives und kostenpflichtiges PlayStation-Plus-Abo besitzt, kann sich den siebten Teil der Racer-Reihe im Grunde sparen.
Eine Singleplayer-Kampagne, die ihren Namen kaum verdient
Werfen wir dazu einen Blick auf die Fakten: Wer gerne offline spielt, kann auf einen Arcade-Modus und eine Kampagne zurückgreifen. Im Arcade-Modus warten mit Einzelrennen, Zeitfahren oder auch Drift die Klassiker auf den Spieler. Die Kampagne dagegen besteht nur aus der Fahrschule und etlichen Missionen, für deren Absolvierung man stets Preisgelder und Erfahrungspunkte sammelt, die man im Shop wiederum gegen neue Autos oder Tuningteile einlösen kann.
Das ist alles ganz nett, aber nichts revolutionär Neues. Die Fahrschule gleicht dabei immer noch der des Originals von 1997. Eine echte Kampagne, also einen motivierenden Karrieremodus, suchst Du jedoch vergebens.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es ist gut, dass die Entwickler auch Neulinge langsam an das doch sehr fordernde Game heranführen. Nur bekommt man beim Spielen unweigerlich den Eindruck, dass Sony den Online-Modus deutlich zulasten der Singleplayer-Kampagne verbessert hat. Ein richtiges Gleichgewicht lässt sich nicht erkennen, denn einen echten Reiz dürfte der Singleplayer in "Gran Turismo Sport" langfristig nicht bieten. Wer also gar nicht plant, online über die durchaus beeindruckenden Pisten zu rasen, sollte das vor einem eventuellen Kauf berücksichtigen.
Grafik, Sound und Fahrgefühl auf allerhöchstem Niveau
Die vielen positiven Dinge wollen wir nicht verschweigen: Wie üblich zaubert auch "Gran Turismo Sport" eine grafische Pracht auf den heimischen TV-Bildschirm, die ziemlich beeindruckt. Die Boliden sind voller Details, die Strecken hervorragend designt, die Lichteffekte spektakulär. Wer eine PS4 Pro sein Eigen nennt und womöglich noch einen 4K-Fernseher mit HDR besitzt, dürfte aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.
Der Sound ist gut und knackig, die Motorengeräusche überzeugen, die einzelnen Tracks sind größtenteils sehr stimmig – insbesondere die Cinematic-Musik vor einem Online-Duell stimmt einen perfekt auf den bevorstehenden Wettkampf ein. Während der Rennen wirkt der Soundtrack bisweilen etwas anstrengend. Geschmacksache. Puristen stellen die Hintergrundmusik sowieso aus und lauschen allein den Sounds der Motoren.
Die Fuhrparkgröße in "Gran Turismo" nahm in der Vergangenheit mitunter titanische Ausmaße an – und wurde jetzt auf ein normales Maß heruntergefahren. Zum Release stehen rund 150 Fahrzeuge bekannter Automarken zur Verfügung, erstmalig ist auch der deutsche Hersteller Porsche mit von der Partie. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen weitere Flitzer dazukommen. Seien wir ehrlich: Qualität sollte hier vor Quantität gehen – von daher ein richtiger und sinnvoller Schritt, den die Entwickler mit dem neuesten Teil eingeschlagen haben. Wer richtig aufdrehen möchte, darf sich sich auf 20 exklusive Konzeptfahrzeuge freuen, die in Zusammenarbeit mit Mercedes oder Bugatti entstanden.
Neuer Fotomodus "Scapes": Setze Dein Auto in Szene
Für alle ambitionierten Hobby-Bastler bietet "Gran Turismo Sport" mehr als genügend Möglichkeiten, um sich auszutoben. So kannst Du Deine Wagen nach eigenem Gusto lackieren und tunen, was das Zeug hält. Aufhängung, Reifen, Traktionskontrolle – all das lässt sich ändern. Im Gegensatz zu früheren Teilen wurde der Umfang beim Tunen aber eingeschränkt.
Neu ist der Fotomodus "Scapes": Hier kannst Du Deinen Schlitten gekonnt in Szene setzen und vor eindrucksvollen realen Schauplätzen platzieren, etwa vor dem Arc de Triomphe in Paris. Bei Nacht, versteht sich. Dabei kannst Du nicht nur die Position verändern, sondern auch die Belichtung anpassen oder beeindruckende Effekte verwenden. Dein Werk kannst Du anschließend in der Welt teilen. Im Prinzip eine Spielerei, aber ein netter Zeitvertreib, der überraschend gut umgesetzt wurde.
Fahrphysik so gut, dass sogar die FIA Deine Fahrkünste anerkennt
Doch wie steht es eigentlich um die Fahrphysik? Schließlich trägt auch der neueste Ableger den Untertitel "The Real Driving Simulator". Durchaus zurecht. Wohl nur wenige andere Rennspiele wirken derart realistisch, die Boliden lassen sich eben nicht wie Matchbox-Autos steuern. Im Gegenteil: Die Steuerung ohne Fahrhilfen erfordert höchste Präzision. Schon der kleinste Fehler wird, zumindest online, sofort bestraft.
Während Anfänger wie gewohnt auf zahlreiche Fahrhilfen zurückgreifen können, etwa eine automatische Bremssteuerung, so verzichten Profis natürlich auf derlei Stützen. Beim Kampf um jedes Hundertstel behindern die Fahrhilfen echte "GT"-Cracks ohnehin nur.
Apropos Realismus: Publisher Sony arbeitet für "Gran Turismo Sport" mit dem Automobildachverband FIA zusammen. Somit haben Spieler die Möglichkeit, sich eine echte FIA-Lizenz zu erfahren. Dafür gilt es, die Fairness-Regeln des Verbandes einzuhalten. Auch muss man dazu diverse offizielle Online-Wettkämpfe erfolgreich absolvieren. Die genauen Konditionen für das Erreichen der FIA-Lizenz sind noch nicht bekannt. Doch unabhängig davon ist den Machern damit gewissermaßen ein Marketing-Erfolg geglückt. Nach dem Motto: Seht her, unser Game ist so realistisch, dass Deine Fahrkünste sogar von der FIA honoriert werden.
Der Online-Modus: Das Herzstück von "Gran Turismo Sport"
Doch das wichtigste Argument für den Kauf von "Gran Turismo Sport" ist passenderweise genau der Modus namens "Sport". Dahinter verbirgt sich der Online-Schauplatz für Wettkämpfe unterschiedlichster Art. In regelmäßigen Abständen kannst Du an den Events teilnehmen, die Tag für Tag stattfinden.
Zuvor musst Du eine Mission namens Sportsgeist absolvieren. Doch um eine richtige Mission handelt es sich dabei gar nicht: Vielmehr musst Du Dir zwei Videos anschauen, die zusammen fast fünf Minuten lang sind und Dich über Fair Play belehren. Eine Voraussetzung für den Online-Modus, doch Du musst gut zuhören, denn die Belehrung wird nur auf Englisch vorgetragen. Ob diese zwei Clips für einen faireren Umgang untereinander sorgen, sei einmal dahingestellt.
Der Online-Modus an sich funktionierte in unserem Test reibungslos und ohne Aussetzer oder Verzögerungen. Die entsprechenden Teilnehmer wurden nach kurzer Wartezeit zusammengeführt, das Matchmaking soll annähernd faire Duelle sicherstellen – was mehr oder weniger gut funktionierte.
Fakt ist: In den richtigen Wettkämpfen wird nicht einmal der minimalste Fahrfehler entschuldigt, der Kampf um den ersten Platz wird erbittert geführt. Wer die Strecken, Kurven und Bremspunkte nicht aus dem Effeff beherrscht, hat nicht den Hauch einer Chance aufs Treppchen. Für Neulinge und Gelegenheitsspieler kann der Online-Modus schnell frustrierend wirken.
Ärgerlich: Er ist alternativlos, eine echte Singleplayer-Kampagne als Rückzugsort quasi nicht existent. Damit muss man sich arrangieren – oder die Finger von "Gran Turismo Sport" lassen.
Fazit: Nur was für Online-Gamer
Für Langzeitmotivation dürfte der Online-Modus allemal sorgen. Spannende Wettkämpfe, packende Duelle, für den schnellen Spaß zwischendurch bietet sich die Lobby an, die Rennen für die unterschiedlichsten Ansprüche bereithält. Die Profis hingegen werden ihr Können in Saison-Wettkämpfen unter Beweis stellen können, die über einen längeren Zeitraum laufen. Grundsätzlich macht "Gran Turismo Sport" vieles richtig und dürfte ohne Zweifel eines der besten Rennspiele für die PS4 sein.
Eine Kaufempfehlung können wir guten Gewissens nur für Gamer aussprechen, die über eine PlayStation-Plus-Mitgliedschaft verfügen. Wer kein kostenpflichtiges Abo des Sony-Dienstes besitzt, kann zwar mit dem Titel dennoch glücklich werden. Doch enttäuschte Gesichter – und das zeigen bereits erste Kundenrezensionen im Netz – dürften keine Einzelfälle darstellen. Bei "Gran Turismo Sport" handelt es sich im Grunde fast um ein reines Online-Game, das zwar über Offline-Modi verfügt, die aber eher stiefmütterlich behandelt wurden.
Kurzum: Wer gerne online Autorennen fährt, wird mit "Gran Turismo Sport" bestens bedient sein. Alle anderen sollten den Titel vor dem Kauf lieber erstmal testen oder nach einigen Monaten zu einem günstigeren Preis zuschlagen respektive abwarten, was Sony und Polyphony Digital an (kostenlosen) DLCs in der Hinterhand haben.