Ja, ich weiß. Der Titel dieses Recaps ist nahezu identisch mit meiner Headline zur ersten Folge von "His Dark Materials". Doch er passt einfach zu gut, denn im Staffelfinale schließt die "Der Goldene Kompass"-Serie den Kreis auf clevere Weise. Perfekt ist die achte Episode von Staffel 1 leider dennoch nicht.
- "Eltern machen mehr Ärger, als sie wert sind"
- Die Ruhe vor dem Sturm
- Kann denn Staub Sünde sein?
- Der Wolf und das Opferlamm
- Kein Zurück
- Fazit
- Gedanken, die mir nach Folge 8 noch im Kopf herumschwirren
Die Vorträge über Staub. Asriels hochstrebende Ziele, die schon an Größenwahn grenzen. Die kindlich-unschuldigen Momente mit Roger und Lyra. Die Stadt im Himmel: Folge 8 von "His Dark Materials" greift viele Plot-Fäden wieder auf, die seit der Premierenfolge weitestgehend ruhten, und spinnt sie auf spektakuläre Weise weiter. Am Ende schlagen die Handlungsstränge eine Brücke (ha!) zur kommenden Staffel 2.
Ein letztes actionreiches Gefecht darf ebenfalls nicht fehlen, doch der Fokus liegt in Folge 8 auf den zwischenmenschlichen Momenten. Lyra und Lord Asriel. Lyra und Roger. Marisa Coulter und Lord Asriel. Ein emotionales Auf und Ab, besonders getragen von der herausragenden Performance der Lyra-Darstellerin Dafne Keen, die mit ihren Tränen einen ganzen Eisberg in Svalbard zum Schmelzen bringen könnte.
Das Finale von Staffel 1 hätte somit zufriedenstellend sein können, eine überzeugende TV-Adaption der komplexen Romanvorlage von Philip Pullman. Wenn sich nicht die eine oder andere Ungereimtheit eingeschlichen hätte, über die der Zuschauer unwillkürlich stolpert.
"Eltern machen mehr Ärger, als sie wert sind"

Lyra verliert in Episode 8 keine Zeit. Kaum bei Lord Asriel angekommen, stellt sie ihren vermeintlichen "Onkel" zur Rede. Warum er ihr nie gesagt hat, dass er ihr Vater ist? Da muss selbst der sonst so unerbittliche Lord Asriel schlucken. Tatsächlich hat Darsteller James McAvoy sogar Tränen in den Augen und verleiht seinem Charakter damit eine verletzliche Seite, die der Roman-Asriel nie zeigt. Eines steht für den Wissenschaftler aber nach wie vor fest: "Ich habe mich nie als Vater verstanden." Man meint, Lyras Herz geradezu brechen zu hören, so intensiv ist die Mimik von Schauspielerin Dafne Keen. Als die Familien verteilt wurden, hat Lyra Listenreich in der Eltern-Lotterie die Niete erwischt.
Statt ein guter Papa zu sein, sieht sich Asriel als der ultimative Rebell: Im Gespräch mit seinem treuen Diener Thorold offenbart Asriel, dass er "DEN Feind" verfolgen will. Gemeint ist Gott. Yep, Lord Asriel will niemand Geringeren als die höchste Autorität ausschalten, den Herrn im Himmel höchstpersönlich. Lyras kostbares Alethiometer, das sie "den ganzen Weg vom Jordan College hierher" gehütet hat, benötigt er dafür jedoch nicht. Stattdessen hat sein Töchterchen ihm ein anderes wichtiges Werkzeug geliefert – ganz ohne es zu wissen.
Die Ruhe vor dem Sturm
Während die Erwachsenen Ziele verfolgen, die an Größenwahn grenzen, sorgen die Kinder für die leichtherzigen Momente. Rogers verspieltes Klopfzeichen an der Badezimmertür und das gemeinsame Picknick mit Lyra in einer Höhle aus Decken stehen im krassen Gegensatz zum wahnhaften Streben von Asriel und den gesichtslosen Soldaten des Ministeriums, die mit "Feuerkraft und Glauben" anrücken. Es sind unschuldige Momente, die allerdings von drohendem Unheil überschattet werden.
Kann denn Staub Sünde sein?
So ist es auch Asriel, der Lyra mitten in der Nacht weckt, um noch einmal mit ihr über Staub zu sprechen. Dabei schreckt "His Dark Materials", anders als der Film von 2007, erneut nicht vor der Kritik an institutionalisierter Religiosität zurück, die auch Pullman in seinen Büchern immer wieder übt: Das Magisterium halte Staub für die manifestierte Erbsünde, die auf die Menschen herabregnet und sie mit dem Bösen infiziert. Im Grunde gehe es nur darum, die Menschen zu kontrollieren.
Hier weichen die Serienmacher erneut von der Romanvorlage ab. Im Buch hätte sich der Egomane Asriel nie so ernsthaft und intensiv mit seiner Tochter beschäftigt. Für ihn war sie "nur ein Kind". In der TV-Adaption ist Lyra hingegen "das Produkt von etwas Außergewöhnlichem". Diese einfühlsamen Szenen lassen Asriels späteres Handeln nur noch schlimmer erscheinen.
Der Wolf und das Opferlamm
So weit, so gut. Doch ab diesem Moment wird die Episode holprig.
Als Lyra später aufwacht, sind Roger und Asriel verschwunden. Im Halbschlaf erinnert sich die 12-Jährige an Asriels Worte, dass bei der Abtrennung von Dæmonen eine immense Menge an Energie frei wird. "Energie! Er trennt ihn von seinem Dæmon", schlussfolgert das Mädchen im Bruchteil einer Sekunde. Als Nachfolger von Columbo wäre Lyra eine gute Wahl!
Praktischerweise wartet Bärentaxi Iorek mit einer ganzen Horde von Panzerbären direkt hinter der Hütte von Lord Asriel. Weil Iorek "so eine Ahnung" hat, dass die Bären noch gebraucht werden. Zusammen nehmen sie die Verfolgung auf.
Unterdessen erfährt der Zuschauer, mit welchem Vorwand Asriel Roger fortgelockt hat: Das Ganze wird natürlich eine "Überraschung für Lyra"! Fühlt sich noch jemand an die Schluchten-Szene aus "König der Löwen" erinnert? Allerdings ist Roger nicht so naiv wie Simba. Schließlich hat er Lyra erst kurz zuvor erklärt, dass er sich vor Asriel fürchtet. Der habe ihn angesehen "wie ein Wolf oder sowas". Schwer zu glauben, dass Roger mit ebenjenem "Wolf" mitten in der Nacht und mutterseelenallein auf einen Berg klettert, oder? Aber was soll's: Hakuna Matata.

Kein Zurück
Auf dem Gipfel zeigt Lord Asriel sein wahres Gesicht: Roger und sein Dæmon landen in Käfigen. Statt die Sache schnell hinter sich zu bringen, hält McAvoys Charakter einen Monolog über "notwendige Opfer" in einem "großen Krieg" – und spätestens jetzt ahnt jeder Zuschauer, dass Asriel nicht zu den Guten gehört. Für Mord gibt es keine Entschuldigung und keine Wiedergutmachung. Punkt.
Lyra, die sich durch einen Schusswechsel mit dem Magisterium und über eine rutschige Eisbrücke kämpfte, kommt gerade recht, um ihrem besten Freund unbemerkt die Hand zu halten, während er stirbt. Die Folge: Eine gewaltige Explosion reißt einen glitzernden Weg, eine Regenbogenbrücke, in den Himmel. Wer die "Thor"-Filme gesehen hat, erwartet unwillkürlich Heimdall am anderen Ende. Der Hüter des Bifröst ist es allerdings nicht, der nun auftaucht.
Stattdessen: Auftritt Mrs. Coulter. Die hat allerdings keine Lust, mit Asriel eine "neue Republik des Himmels" zu erschaffen. Lieber will sie in der Welt bleiben, in der ihre Tochter ist. Mutter des Jahres? Wohl eher nicht. Wie gesagt: Für Mord – und Experimente an Kindern – gibt es keine Entschuldigung und keine Wiedergutmachung, Mrs. Bolvangar.

Die herzzerreißendste Szene in Folge 8 ist Lyras Abschied von Roger. Dafne Keen brilliert in diesem Moment der tiefsten Trauer und Selbstvorwürfe. "Das ist meine Schuld", schluchzt sie, bevor sie den folgenschweren Entschluss fasst, ihre Welt zu verlassen – zur selben Zeit, in der auch der flüchtige Will ein Fenster in seiner Welt entdeckt.
Fazit: Die nächste Staffel, bitte!
Auch ohne Hexen und Lee Scoresby ist das Finale der ersten "His Dark Materials"-Staffel äußerst sehenswert. Mit Dafne Keen als Lyra haben die Serienmacher einen Volltreffer gelandet, und die Fantasy-Welt von Philip Pullman bietet jede Menge Stoff für neue Abenteuer. Wie gut, dass Staffel 2 bereits im Kasten ist! Allerdings würde ich das Alethiometer gern fragen, wie ich die Wartezeit bis zum Release überbrücken soll. Weiter geht es nämlich frühestens Ende dieses Jahres ...
Gedanken, die mir nach Folge 8 im Kopf herumschwirren
- Endlich sehen wir die Dæmonen miteinander interagieren! Rogers Dæmon und Pan spielen Fangen und verdeutlichen so die kindliche Freude ihrer Menschen. Und Mrs. Coulters goldener Affe und Asriels Stellmaria schmusen ausgiebig, noch bevor sich Lyras Eltern selbst in den Armen liegen. So bildlich sollten Dæmonen immer die Gefühlswelt ihrer Menschen spiegeln. Mehr davon bitte!