"Horizon Zero Dawn" im Test: Mit Aloy in die Zukunft

Wird "Horizon Zero Dawn" dem Hype um das PS4-Game gerecht?
Wird "Horizon Zero Dawn" dem Hype um das PS4-Game gerecht? Bild: © Sony Computer Entertainment Europe 2017

Mit “Horizon Zero Dawn” veröffentlicht Guerilla Games eines der meist erwarteten Spiele des frischen Jahres 2017. In Zeiten von Remakes, Reboots und Sequels machen die Abenteuer der Heldin Aloy Hoffnung auf ein völlig neues Spielerlebnis. Unser Test zeigt, was das große Open-World-Adventure mit RPG-Einschlag wirklich drauf hat.

Der Hype ist groß – was bisher vom PS4-Exklusivtitel “Horizon Zero Dawn” zu sehen war, ließ durchscheinen, dass Guerilla mit seinem Titel erneut in Richtung Technikreferenz abzielt: Schon mit der “Killzone”-Reihe wurde gezeigt, was die Konsolengeneration von Sony zum jeweiligen Zeitpunkt leisten konnte. Allerdings wagt sich das niederländische Studio mit “Horizon Zero Dawn” nun an ein anderes Genre – statt eines weiteren First-Person-Shooters präsentiert man uns ein Open-World-Adventure mit Rollenspiel-Elementen. Ob das Game den vielen Vorschusslorbeeren gerecht wird, soll unser Test zeigen.

Fesselnde Handlung: Survival in der Post-Post-Apokalypse

Schon in den ersten Test-Spielstunden wird klar: Trotz des hohen technischen Aufwands ist die Story bei “Horizon Zero Dawn” der eigentliche Star. Mittendrin die charismatische Heldin Aloy, eine Art postapokalyptische Lara Croft. Von Anfang an, wir begleiten Aloy schon von klein auf, schafft es Guerilla Games, dass wir uns mit der erzählten Geschichte und deren Hauptfigur ständig verbunden fühlen. Dabei werden Rollen-Klischees oder eine sexualisierte Darstellung von Aloy jederzeit gekonnt vermieden, die junge Frau entwickelt stattdessen eine starke Persönlichkeit mit glaubwürdigen Beweggründen.

Die Natur hat die Welt in “Horizon Zero Dawn” zurückerobert – Menschen leben in Stämmen in steinzeitlichen Verhältnissen. Allerdings durchstreifen Maschinenwesen in Gestalt von Urzeit-Tieren die Landschaft und an vielen Orten sind die Überreste einer längst vergangenen High-Tech-Zivilisation zu sehen, die von den Menschen gemieden werden. Die Welt der “Alten” verbreitet Angst unter den Bewohnern und befeuert gleichzeitig die Neugier des Spielers, mehr über die Geschichte der Spielwelt herauszufinden. Aloy wächst darin als Ausgestoßene auf, weiß aber selbst nichts über die entsprechenden Gründe. Auch dies will man als Spieler aufklären, was einen weiteren Anreiz bietet, sich mit den vielen NPCs und Hinweisen der Welt von “Horizon Zero Dawn” auseinanderzusetzen. Die Motivationen der Figuren wirken realistisch und im Gegensatz zu vielen anderen Open-World-Spielen, in denen die geschaffene Welt die Handlung dominiert, passt hier alles in einer Art zueinander, die in Games bisher nur selten zu sehen war.

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Charakterstark: Die Heldin Aloy. Bild: © Sony Computer Entertainment Europe 2017

Nicht neu aber gut: Open-World-Adventure mit solidem Gameplay

Was das Gameplay angeht, setzt Guerilla Games dagegen auf bewährte Open-World-Mechaniken. Neben vielen illustren Quests und Nebenquests – die sich, ähnlich wie etwa in "The Witcher 3", wunderbar in die Hauptstory integrieren  – verbringen wir unsere Zeit auch damit, mit Aloy auf Ressourcen-Jagd zu gehen. Ein übersichtliches und zugleich solides Crafting- und Waffenmod-System lädt dazu ein, Materialien von Umgebung und Maschinenwesen zu sammeln. Und der verständlich gestaltete Skill-Baum ermöglicht es uns, Aloys Fähigkeiten mit der Zeit stetig auszubauen. Die neuen Skills werden mit kleinen aber feinen Video-Animationen erklärt – ein tolles Feature, das das Spiel noch hochwertiger erscheinen lässt. Ähnlich wie Nathan Drake aus der “Uncharted”-Reihe hüpft und springt die Heldin ansonsten durch die malerische Landschaft und hat teils beeindruckende Nahkampf-Fähigkeiten zu bieten.

Beginnen wir die Abenteuer von “Horizon Zero Dawn” zu Anfang noch mit Pfeil, Bogen und Speer, so erhalten wir von Händlern schnell weitere Waffen. Etwa einen elektrischen Stolperdraht, den wir nach dem Abschuss zwischen zwei Punkten aufspannen können oder ein Gewehr, das Robo-Dinos für einige Zeit am Boden fesselt. Dabei sind viele der Waffen so ausgelegt, dass auch Aloys artistische Fähigkeiten im Kampf immer wieder zum Einsatz kommen. Und das ist anspruchsvoll: Bereits früh im Spiel wird klar, dass gerade Kämpfe gegen mehrere Gegner nicht im Handumdrehen zu gewinnen sind. Taktisches Geschick und gezielter Umgang mit den verschiedenen Munitions- und Waffentypen sind notwendig, um die Kämpfe der Haupt-Questreihe zu bestehen.

Dazu erhält Aloy gleich zu Beginn von “Horizon Zero Dawn” einen Vorteil gegenüber ihren prähistorisch ausgestatteten Mitmenschen: Ein Gerät namens Focus ermöglicht es ihr quasi per Augmented Reality taktische Informationen über ihre Umwelt abzurufen. So können nicht nur Patrouillenwege von Maschinenwesen, sondern auch deren Schwachpunkte angezeigt werden, die dann im Angriff gezielt zerstört werden sollten. Auch Fährten werden damit, ähnlich wie mit Geralts Hexersinn in “The Witcher”, einfach aufgenommen und verfolgt. Insgesamt sind also vielerlei taktische Optionen, Fähigkeiten und Gadgets vorhanden, über die man anfangs leicht den Überblick verlieren kann. Nach den ersten paar Spielstunden wusste ich die Möglichkeiten aber schnell zu schätzen – sie erlauben teils mehrere Herangehensweisen an die vielseitigen Herausforderungen im Game.

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Per Focus-Scan erfahren wir mehr über die Schwachstellen der Maschinen. Bild: © Sony Computer Entertainment Europe 2017

Ein optischer Leckerbissen – auch ohne PS4 Pro

Mit der “Killzone”-Reihe für PS2, PS3 und auch PS4 zeigte Guerilla Games meist zum Konsolen-Launch, zu was die jeweils neue PlayStation-Generation technisch im Stande war. "Horizon Zero Dawn" setzt diese Tradition nun in gewisser Weise auf der PlayStation 4 Pro fort – es ist das erste große Spiel, was von einem Sony-Studio auf die überarbeitete Konsole ausgelegt wurde und zeigt, wo es mit der PS4 Pro hingehen soll. Per Checkerboard-Rendering pumpt die Konsole das Game auf 4K-Auflösung hoch, die Partikel- und Lichteffekte in HDR sehen atemberaubend aus. Optisch ist “Horizon Zero Dawn” hier im Test wirklich kaum etwas anzukreiden.

Umso überraschender ist es, dass das Game auch auf der Standard-PlayStation 4 wirklich gut aussieht – zwar fällt mitunter auf, dass die Umgebung im sichtbaren Hintergrund nachgeladen wird und vereinzelte Treppeneffekte sind nicht zu leugnen. Der Unterschied ist aber insgesamt erst auf den zweiten Blick ersichtlich und mindert den Spielspaß kaum. Die Animationen der Figuren und die Mimik der Gesichter ist äußerst gut gelungen und gibt den vorzüglich geschriebenen Figuren noch mehr Tiefe. Allenfalls ist der deutschen Version anzukreiden, dass die Vertonung oft nicht lippensynchron ist.

Von der KI von "Horizon Zero Dawn" sollte man trotz allen Fortschritts dagegen keine Wunder erwarten. Vor allem menschliche Gegner verhalten sich in Gruppen oft ähnlich dämlich wie in anderen Spielen auch. Auch die zahlreichen Robo-Dinos sind nicht gerade mit herausragendem Intellekt gesegnet, wobei man den Maschinen das wohl von Natur aus eher durchgehen lässt.

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Die Maschinenwesen treten meist in Gruppen auf und verhalten sich herdenartig. Bild: © Sony Computer Entertainment Europe 2017

Nicht grenzenlos aber riesig: Die Welt von "Horizon Zero Dawn"

Seinen Ausflug ins Open-World-Genre hat Guerilla Games also mit Lob bestanden, die Welt von "Horizon Zero Dawn" ist größer als ein erster Blick auf die Karte vermuten lässt. Darüber hinaus ist sie wunderbar gestaltet und wirkt jederzeit voller Leben – noch dazu sind die verschiedenen Regionen, in die die Reise von Aloy führt, völlig unterschiedlich gestaltet. Von grünen Wäldern, über weiße Schneelandschaften und belebten Siedlungen, bis hin zu wüstenhaften Einöden lässt uns "Horizon Zero Dawn" eine realistische und lebhafte Welt entdecken. Der Tages- und Nachtzyklus und die Wetterumschwünge tun ihr übriges. Wer wirklich jeden Winkel im Spiel erkunden will, wird lange zu tun haben. Die Hauptstory lässt sich in etwa 20 Stunden abschließen, um die vollen 100 Prozent des Spielumfangs zu entdecken, sollte mindestens das Doppelte nötig sein.

Zu geplantem DLC hält sich Guerilla Games bisher auffällig bedeckt: Im Interview mit TURN ON gab Lead-Quest-Designer David Ford die Antwort, die bisher wie ein Mantra vom Studio  wiederholt wurde: "Wir haben derzeit nichts zu verkünden." Lediglich zusätzliche Outfits und Waffen werden zunächst für Vorbesteller erhältlich sein. Dabei ist es fast unvorstellbar, dass man mit "Horizon Zero Dawn" von der gängigen Praxis abweicht. Selbst Traditions-Games wie "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" erhalten mittlerweile einen Season-Pass für Zusatzinhalte.

Absolute PS4-Spitze: Ein Traum für Open-World-Fans

Ohnehin kann man "Horizon Zero Dawn" vorwerfen, dass es in Sachen Gameplay an die ebenfalls im März erscheinenden Abenteuer von Link erinnert. Wäre "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" bereits auf dem Markt, würden Kritiker Aloy mit Sicherheit als High-Tech-Abklatsch von Link bezeichnen. Die starke Story und authentische Umsetzung der lebendigen Spielwelt von "Horizon Zero Dawn" lässt den Vergleich allerdings hinken – hier geht es um weit mehr als nur Open-World mit Pfeil und Bogen. Das Spiel ist ein ganz eigenes episches Abenteuer mit einer tiefgründigen Heldin und einer fesselnden Story.

Trotzdem, wer Open-World-Games nicht ausstehen kann, sollte vielleicht eher die Finger von "Horizon Zero Dawn" lassen. Auch wenn die Präsentation zuerst davon ablenken mag: Über kurz oder lang findet man sich auf einer riesigen Karte wieder und arbeitet seine Questliste ab. Für Genre-Liebhaber dagegen ist dies aber – wie erwartet – das PS4-Spiel des Jahres.

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Selbst wer mit Dinos nicht viel anfangen kann, wird die Welt von "Horizon Zero Dawn" faszinierend finden. Bild: © Sony Computer Entertainment Europe 2017
Angebot
Horizon Zero Dawn
Horizon Zero Dawn
  • Datenblatt
  • Hardware und software
  • Release-Datum
    01.03.2017
  • Genre
    Open-World-Adventure
  • Plattform
    PS4
  • Publisher
    Sony Computer Entertainment
  • Entwickler
    Guerrilla Games
  • USK
    12
TURN ON Score:
4,5von 5
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