Huawei bewirbt das neue Mate 10 Pro als eine intelligente Maschine und behauptet, den besten Prozessor für die Umsetzung von künstlicher Intelligenz (KI) zu haben. Doch die Revolution, die der Hersteller einleiten möchte, geschieht eher im Verborgenen.
Als letzter großer Hersteller des Jahres hat Huawei am Montag sein neues Flaggschiff namens Mate 10 Pro in München offiziell vorgestellt. Als Nachfolger des hervorragenden Mate 9 tritt das Gerät in große Fußstapfen und möchte diese mit einem beinahe randlosen OLED-Display, einem wasserdichten Gehäuse, einer neuen Leica-Dual-Kamera und einem riesen Akku füllen. Vieles auf dem Datenblatt des Mate 10 Pro liest sich dabei wie eine Blaupause dessen, was beinahe alle Top-Smartphones dieses Jahr zu bieten haben.
Kein Smartphone, sondern eine intelligente Maschine
Den Großteil der Pressekonferenz sprach Huawei-Geschäftsführer Richard Yu allerdings nicht über die Specs des Smartphones, sondern über die neuen KI-Features, die das Mate 10 Pro mitbringen soll. Angepriesen wurde das Gerät jedenfalls mit dem markigen Slogan: "Das ist kein Smartphone. Das ist eine intelligente Maschine."
Im neuen Flaggschiff der Chinesen arbeitet mit dem Kirin 970 nämlich der erste mobile Prozessor, der neben einer CPU und einer GPU auch über eine sogenannte NPU verfügt, eine Neural Processing Unit. Diese wurde speziell für die Durchführung von Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz entwickelt. Und ganz speziell in diesem Segment soll der Kirin 970 auch wesentlich schneller und energieeffizienter performen als der A11 Bionic von Apple, der Snapdragon 835 von Qualcomm oder der Exynos 8895 von Samsung.
Die KI ist längst auf dem Vormarsch
Tatsächlich werden KI-Berechnungen für Smartphones zunehmend wichtiger und kommen in immer mehr Bereichen zum Einsatz. Eine Anwendung, wie die Gesichtserkennung Face ID des iPhone X wäre beispielsweise ohne KI wesentlich schwieriger umsetzbar, weil das Smartphone ein Gesicht nicht nur erkennen, sondern auch zuordnen und von Tausenden anderen Gesichtern unterscheiden können muss. Bilderkennung spielt aber auch bei Google eine zentrale Rolle. Mit dem Google-Lens-Feature des Pixel 2 soll das Smartphone in der Lage sein, alle möglichen Kamera-Motive zu erkennen und auf Wunsch eine Beschreibung oder Hintergrundinformationen auf dem Display einblenden.

Huawei präsentiert auch eigene Tricks
Das Huawei Mate 10 Pro beherrscht auch ganz eigene Tricks: So erkennt die Kamera beispielsweise automatisch, ob wir eine Person, eine Pflanze, Lebensmittel oder eine Katze fotografieren und schaltet vollautomatisch die dazu passende Bildoptimierung hinzu. Wo Nutzer früher noch manuell den richtigen Filter auswählen mussten, übernimmt das jetzt also in Sekundenbruchteilen die NPU des Smartphones.
Erste Praxis-Tests, die wir heute morgen in der Redaktion durchgeführt haben, zeigen, dass dieses Feature wirklich so zu funktionieren scheint, wie vom Hersteller versprochen. Beim Fotografieren im Porträt-Modus soll die NPU zudem dabei helfen, die einzelnen Tiefenebenen des Bildes besser zu erkennen und zu unterscheiden.
Auch andere KI-Tricks soll das Mate 10 Pro beherrschen: Ein Beispiel dafür ist Stimmerkennung für bessere Gesprächsqualität. So soll das Smartphone mit der Zeit lernen, die Stimme seines Besitzers besser zu verstehen und diese auch in lauten Umgebungen bestens herausfiltern und für den Gesprächsteilnehmer am anderen Ende der Leitung verstärken können. Der Nutzer soll so sogar gut zu verstehen sein, wenn er eigentlich flüstert.
Zusätzlich möchte der Hersteller auch die Apps und Anwendungen für KI-Dienste unterstützen, die Google, Microsoft oder Facebook entwickeln und mit dem Mate 10 Pro das Smartphone anbieten, das diese momentan am besten, schnellsten und energiesparendsten umsetzen kann. Das Ziel des Herstellers ist die Schaffung eines "offenen KI-Ökosystems", was auch immer der Hersteller darunter explizit verstehen mag.
Die Nutzer bekommen von der KI wenig mit
Die Problematik für Huawei dürfte allerdings darin bestehen, die neue KI-Power den Nutzern zu verkaufen. Denn diese bekommen von den meisten Optimierungsprozessen, die im Hintergrund ablaufen, nur wenig mit. Im Alltag zeigen diese sich dann vor allem darin, dass das Smartphone gewisse Dinge schneller erledigt als andere und dabei der Akku weniger belastet wird. Wie groß der Vorteil dabei sein wird, den das Mate 10 Pro mit dem Kirin 970 dabei bietet, wird sicherlich massiv davon abhängen, wie stark Features genutzt werden, bei denen KI-Prozesse berechnet werden müssen.
So gesehen ist es eher eine stille Revolution, die Huawei mit dem Mate 10 Pro startet und eine, die sich möglicherweise schwerer verkaufen lässt, als 2 Megapixel mehr für die Kamera, eine höhere Displayauflösung oder ein besseres Rating im Benchmark-Test. Unterm Strich dürfte die KI-Revolution für die Zukunft jedoch eine wesentlich größere Bedeutung haben. Heimlich und leise werden unsere Smartphones nämlich immer mehr Prozesse für uns übernehmen, von denen wir gar nicht merken, dass sie eigentlich stattfinden.
Nur ein Gimmick oder schon ein Killer-Feature?
Das macht es auch schwer, die KI-Power des Mate 10 Pro wirklich adäquat in einem Test zu berücksichtigen. Selbst wenn wir Huawei glauben wollen, dass der Kirin-970-Prozessor bei der Berechnung derartiger Prozesse wesentlich flinker arbeitet als die Chips der Konkurrenz, so lässt sich dennoch nur schwerlich eine Voraussage dafür treffen, wie sehr dies den Alltag der Nutzer erleichtert oder verbessert. Die Frage: "Ist das nur ein Gimmick oder vielleicht doch DAS Killer-Feature?" wird zumindest am Anfang auch für uns Tester nur schwer zu beantworten sein.