Huawei bewirbt sein neues Mate 10 Pro als "intelligente Maschine". Im Test haben wir uns angeschaut, wie intelligent das Smartphone wirklich ist und dabei viele Stärken entdeckt.
- Ein geschrumpftes Smartphone
- Ein Glas-Gehäuse birgt Vor- und Nachteile
- Ein Upgrade für das Display
- Mehr Power durch den ersten KI-Chip der Welt?
- Die Kamera schließt zur Spitze auf
- Fotografieren mit der KI
- Das Killer-Feature ist der Akku
- Fazit: Ein würdiger Konkurrent für Apple und Samsung
"Das ist kein Smartphone. Das ist eine intelligente Maschine." Die Präsentation des Huawei Mate 10 Pro am 16. Oktober strotzte geradezu vor Selbstbewusstsein. Mit seinem neuen High-End-Phablet möchte der chinesische Hersteller endlich als vollwertiger Konkurrent zu Samsung und Apple wahrgenommen werden und ein Gerät anbieten, das sich hinter Galaxy S8 und iPhone X nicht zu verstecken braucht. Eine Woche hatte ich seither Zeit, die "intelligente Maschine" etwas besser kennenzulernen und sie auf Herz und Nieren zu testen. Da es sich um den Nachfolger des meiner Meinung nach hervorragenden Huawei Mate 9 handelt, waren meine Erwartungen natürlich nicht gerade klein.
Ein geschrumpftes Smartphone
2017 ist ganz eindeutig das Jahr der rahmenlosen Smartphones, der 18:9-Displays und der Glas-Rückseiten. Das zeigt sich auch beim Huawei Mate 10 Pro. Mit einer Bilddiagonale von 6,0 Zoll fällt der Screen sogar noch etwas größer aus als beim 5,9-Zoll-großen Vorgänger. Allerdings ist das Gerät dank des dünnen Rahmens und des neuen Display-Formats insgesamt sogar etwas schlanker geworden. Genau wie das Galaxy S8, das LG G6 oder das iPhone X hat das Mate 10 Pro einen eher länglichen Screen. Die Ränder fallen aber auch an Ober- und Unterseite sehr knapp aus, sodass das Gerät insgesamt kleiner ausfällt als beispielsweise ein iPhone 8 Plus.

Ein Glas-Gehäuse birgt Vor- und Nachteile
Auf der Rückseite muss der Metall-Body des Vorjahres einer Glas-Abdeckung weichen. Diese ist an den seitlichen Rändern leicht abgerundet, wodurch das Smartphone für meinen Geschmack wirklich hervorragend in der Hand liegt. Die Oberfläche wirkt insgesamt sehr edel und glänzt bei Lichteinstrahlung, verliert diesen Glanz allerdings, sobald ich das Gerät in die Hand nehme. Wie jedes andere Glas-Smartphone zieht auch das Mate 10 Pro Fingerabdrücke magisch an.
Einen Vorteil zieht das Gerät aus der Glas-Rückseite übrigens nicht. Anders als Galaxy S8, LG V30 oder iPhone X gibt es nämlich kein Wireless-Charging per Induktion. Angesichts dieser Tatsache hätte mir ein Metallgehäuse wesentlich mehr zugesagt, aber 2017 scheinen diese anscheinend nicht mehr besonders angesagt zu sein.
Nur der äußere Rahmen besteht aus Metall und bietet den obligatorischen USB-C-Anschluss. Eine Kopfhörer-Buchse gibt es hingegen nicht, sie ist laut Hersteller dem wasserfesten IP67-Gehäuse zum Opfer gefallen. Hier ist allerdings kritisch anzumerken, dass es Samsung und LG sehr wohl schaffen, einen Kopfhöreranschluss zu verbauen und mit IP68 sogar noch eine höhere Stufe der Wasserfestigkeit erreichen. Immerhin gibt es im Lieferumfang ein USB-C-Headset und einen Adapter für andere Kopfhörer.
Ein Upgrade für das Display
Beim Display setzt Huawei in diesem Jahr auf ein OLED-Panel, das einen wesentlich besseren Schwarzwert bietet als der Screen im Mate 9 und mit knackigen Farben hervorragenden Kontrasten aufwarten kann. Dabei wirkt die Anzeige aber nie zu bunt oder übersättigt, sondern besticht mit einer angenehm natürlichen, ja geradezu zurückhaltenden Darstellung.
Die Tatsache, dass der Screen lediglich eine Auflösung von 2160 x 1080 Pixeln bietet und damit weniger hochauflösend ausfällt als bei der direkten Konkurrenz, ist für mich verschmerzbar. Einzelne Pixel sind auf dem Display nicht auszumachen und durch die niedrigere Auflösung dürften Akku und Prozessor im Alltag etwas entlastet werden.
Mehr Power durch den ersten KI-Chip der Welt?
Apropos Prozessor: Dieser soll laut Huawei das eigentliche Highlight des Mate 10 Pro sein. Im Inneren werkelt nämlich der neue HiSilicon Kirin 970, der neben einer CPU (Compute Processing Unit) und einer GPU (Graphic Processing Unit) auch eine NPU (Neural Processing Unit) besitzt. Letztere ist vor Allem für die Berechnung von Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) zuständig und soll dabei deutlich effizienter arbeiten als Prozessor-Chips der Konkurrenz.
Über die Vorteile einer solchen NPU im Alltag wirklich zu bewerten, hatte ich bereits einen anderen Artikel geschrieben. Tatsächlich ist es so, dass so eine NPU je nach Anwendungszweck im Alltag verschiedene Prozesse übernimmt, von denen der Nutzer im Idealfall gar nichts mitbekommt. Er merkt nur, dass bestimmte Dinge besonders leicht oder besonders gut funktionieren.
Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass der Kirin 970 in praktisch jeder Situation eine hervorragende Arbeitsgeschwindigkeit bietet. Der sehr große Arbeitsspeicher von 6 GB leistet natürlich ebenfalls seinen Teil. Der interne Speicher fällt mit 128 GB zwar sehr groß aus, lässt sich aber im Gegensatz zum Vorgänger nicht mehr per microSD-Karte erweitern. Sehr schade, dass Huawei hier den Rotstift angesetzt hat, zumal der Dual-SIM-Slot erhalten bleibt und jetzt sogar doppelt LTE bietet.
Die Kamera schließt zur Spitze auf
Wie schon beim Mate 9 oder beim Huawei P10 kommt auch eine Leica-Dual-Kamera zum Einsatz. Diese besitzt einen 12-Megapixel-Hauptsensor mit einer lichtstarken f/1.6-Blende und einen Monochrom-Sensor mit 20 Megapixeln. Die üblichen Dual-Kamera-Tricks wie Porträt-Modus und Bokeh-Effekt beherrscht das Mate 10 Pro damit problemlos. Da beide Linsen über unterschiedliche Brennweiten verfügen, kann ich als Nutzer für einen natürlichen Zoom auch zwischen ihnen hin und herschalten.
Insgesamt wurde die Kamera gerade im Vergleich zum letztjährigen Mate 9 deutlich verbessert. So wirken die Bilder bei guten Lichtverhältnissen sehr natürlich, farbecht und scharf. So performt das Mate 10 Pro beim Fotografieren auf einem ähnlichen hohen Niveau wie die aktuellen Flaggschiffe von Samsung oder Apple. Ein echtes Highlight sind für mich die Aufnahmen bei Nacht oder generell bei schwachen Lichtverhältnissen. Hier kitzelt das Huawei-Flaggschiff viele Details heraus und liefert scharfe Motive selbst bei Lichtverhältnissen, bei denen die meisten Smartphone-Kameras schon längst schlappgemacht haben.
Zum Teil mag diese gute Performance sicherlich an der großen f/1.6-Blende liegen, die einfach viel Licht einfangen kann. Auch die Tatsache, dass das Mate 10 Pro auf die Daten von zwei Kamera-Sensoren zugreifen kann, mag eine Rolle spielen.
Fotografieren mit der KI
Was die KI zu leisten vermag, zeigt sich dann an anderer Stelle: So gibt es ähnlich wie beim Pixel 2 von Google nun auch einen Porträt-Modus für die Frontkamera. Diese verfügt zwar nur über eine Linse, kann jedoch dank Software-Berechnungen ebenfalls einen Bokeh-Effekt in die Bilder zaubern – und das sogar ziemlich effektiv.
Die Hauptkamera wiederum besitzt eine automatische Motiverkennung. Die KI kann beispielsweise erkennen, wenn ich eine Person, eine Pflanze, einen Hund, eine Katze oder etwas zu Essen fotografieren möchte und führt automatisch eine zum Motiv passende Bildkorrektur durch. Das funktionierte beim Ausprobieren meistens zuverlässig. Nur mein Kollege Jens hatte einen Fall, in dem das Mate 10 Pro statt einer Pflanze eine Katze erkannt hat.

In Zukunft wäre ein Feature wie Google Lens geradezu ein Paradebeispiel für die Power der NPU des Mate 10 Pro. Da die smarte Kamera von Google auf Basis von Echtzeit-Bilderkennung basiert, sollte das Huawei-Flaggschiff dank des Kirin 970 dabei theoretisch deutlich besser performen als das Pixel 2 – oder irgendein anderes Smartphone.
Das Killer-Feature ist der Akku
Wenn es ein Feature gibt, mit dem sich die Mate-Serie schon immer von der Konkurrenz abheben konnte, dann ist es eindeutig der Akku. Dieser hat im Mate 10 Pro wie schon beim Vorgänger ein Fassungsvermögen von 4000 mAh. Die Laufzeit wurde dank des effizienteren Prozessors und einiger Software-Optimierungen allerdings nochmals verbessert.
Tatsächlich gibt es kein anderes Smartphone-Flaggschiff, welches dem Mate 10 Pro in puncto Laufzeit auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Selbst Power-User sollten niemals Probleme haben, über den Tag zu kommen. Für normale Nutzer dürften jedoch eher zwei volle Tage die Regel sein und wer sein Smartphone moderat nutzt, kommt sogar darüber hinaus. Aufgeladen ist das Mate 10 Pro dank Super-Charge-Netzteil übrigens in Windeseile.
Fazit: Ein würdiger Konkurrent für Apple und Samsung
Das Huawei Mate 10 Pro reiht sich für mich nahtlos neben iPhone 8, Galaxy S8 und LG V30 unter den besten Smartphones des Jahres ein. Ja, das Gerät hat Schwächen, wie den fehlenden Kopfhöreranschluss, den ebenfalls fehlenden SD-Karten-Slot und die Glas-Rückseite würde ich gerne gegen eine aus Aluminium tauschen. Unterm Strich sind das aber alles Schwächen, die zum Teil auch die Konkurrenz hat.
Die Stärken des Huawei Mate 10 Pro sind eindeutig das Design, die sehr gute Kamera und vor allem der großartige Akku. Gerade letzterer macht das Smartphone für mich zu einem absoluten Highlight. Wer sich, wie ich, eine Top-Performance und eine grandiose Akkulaufzeit wünscht, findet im Jahr 2017 kein besseres Flaggschiff.

Hinter dem KI-Prozessor mit dem das Mate 10 Pro von Huawei groß beworben wird, steht jedoch auch nach einer Woche Test noch ein großes Fragezeichen. Was genau die KI macht und an welchen Stellen die NPU arbeitet, lässt sich nicht wirklich messen. Dieses Dilemma dürfte sich auch nicht so leicht beheben lassen, schließlich geht es bei der ganzen Prozessor-Geschichte ja genau darum, dass noch mehr Prozesse unbemerkt im Hintergrund ablaufen.
Ob es vor diesem Hintergrund wirklich so klug ist, dass Mate 10 Pro offensiv als KI-Phone zu bewerben, darf zumindest angezweifelt werden. Denn KI hin oder her: Unterm Strich ist es nämlich einfach ein sehr gutes Smartphone mit herausragender Akkulaufzeit und damit eine wirklich ernstzunehmende Alternative zu den Top-Geräten von Apple, Samsung, LG und HTC.