Das Huawei P10 packt die Technik des Phablet-Hits Mate 9 in ein 5,1 Zoll großes Smartphone. Das riesige Vorbild hatte uns bereits sehr gut gefallen. Ist das Huawei P10 eine ebenbürtige Alternative oder hapert es irgendwo? Unser Test gibt Aufschluss.
Design: Ein kleiner Schritt für ein Smartphone
Das Huawei P10 ähnelt größtenteils seinem Vorgänger Huawei P9, der sich wiederum beim iPhone-Design bedient. Das frische Modell ist minimal dünner, aber ansonsten setzt Huawei wie beim Vorgänger auf ein edles Metall-Gehäuse. Die größte Neuerung: Der Fingerabdruckscanner ist von hinten nach vorne gewandert und wurde in einen multifunktionalen Home-Button integriert. Das hat den Vorteil, dass sich das Smartphone nun auch mit dem Finger entsperren lässt, wenn es mit dem Rücken auf dem Tisch liegt.

Das Huawei P10 ist von Haus aus mit einer fest angebrachten Displayschutzfolie versehen. Laut Android Central hat das den folgenden Grund: Auf das Display wurde, im Gegensatz zu fast allen anderen modernen Smartphones, keine ölabweisende Schicht aufgetragen. Das bedeutet, dass das eigentliche Display schnell verschmutzt, sobald man die Folie abnimmt.
Laut Huawei handelt es sich um ein Feature und nicht um einen Fehler: "Wir haben die fettabweisende Schicht beim Huawei P10 und Huawei P10 Plus reduziert, um sicherzustellen, dass der ebenfalls vom Displayglas bedeckte kapazitive Home-Button mit integriertem Fingerabdrucksensor und Touch-Gesten ordnungsgemäß funktioniert", so das Unternehmen gegenüber AreaMobile. Wer sowieso immer eine Displayschutzfolie verwendet, den dürfte das nicht weiter stören, allerdings wirkt das Design dadurch etwas weniger rund.
Urteil Design: Der P10-Look ist zwar wenig originell, aber schick und das Smartphone ist einwandfrei verarbeitet – bis auf den Umstand, dass das Display auf die inzwischen obligatorische Schicht für den Schutz vor Flecken verzichtet.
Ausstattung: Mate 9 mit Bonus
Die Technik im Inneren des Huawei P10 ist mit jener des Phablets Mate 9 identisch. Durch die neue Software ergeben sich hier und da leichte Abweichungen bei den Benchmarks, aber essenziell handelt es sich technisch um ein Mate 9 im Mini-Format. Das ist nicht schlimm, denn das P10 kann so mit anderen Flaggschiffen wie dem Galaxy S7 und dem LG G6 mithalten. Erst das Galaxy S8 und das Sony Xperia XZ Premium werden mit einer deutlich höheren Leistung aufwarten.

Konkret bedeutet das einen Octa-Core-Chip namens Kirin 960 nebst 4 GB Arbeitsspeicher, 64 GB internen Speicher, der um bis zu 256 GB erweitert werden kann, eine Dual-Kamera mit 12 Megapixeln und 20 Megapixeln Auflösung hinten sowie eine Selfie-Cam mit einer Auflösung von 8 Megapixeln vorne. Die 20-MP-Kamera nimmt monochrome Bilder auf, also Schwarz-Weiß-Fotos. Moderne Features wie optische Bildstabilisierung und Laser-Autofokus sind bei der Dual-Cam an Bord.
Das Display misst 5,1 Zoll und löst mit Full HD auf, während der Akku eine Kapazität von 3200 mAh mitbringt. Der große Akku sorgt für eine mehr als solide Laufzeit von guten zwei Tagen bei gemischter Nutzung. Der Dauerläufer Galaxy A3 (2017) übertrifft das P10 zwar um einen weiteren Tag, aber beim Galaxy S7 und das Xperia XZ schaltet sich der Bildschirm schon etwas früher ab.

Neue Features sind die Smartphone-Steuerung durch Klopfgesten und durch Home-Button-Gesten. Beide sind tatsächlich recht praktisch. So klopft man etwa einmal auf das Display und malt dann ein "C", um die Kamera zu öffnen. Dadurch erspart man sich die Navigation durch die Android-Menüs. Noch praktischer: Der Home-Button ersetzt auf Wunsch die Android-Navigationsbuttons für Zurück (einmal kurz draufdrücken), Home (länger draufdrücken) und App-Drawer (wischen). Mit diesem Feature navigiert man spürbar schneller durch das Betriebssystem.
Urteil Ausstattung: Die Ausstattung entspricht größtenteils dem sehr hohen Niveau des Mate 9 und zusätzlich ist eine gelungene Gestensteuerung an Bord.
Leistung: Spüre den Unterschied
Was bringt die Flaggschiff-Leistung im Alltag? Das hängt davon ab. Apps wie Facebook laufen vor allem bei einer stabilen und schnellen Internetverbindung rund und die scheitert in der Regel nicht an der Smartphone-Ausstattung. Die Flaggschiff-Leistung spürt man eher beim Öffnen von Apps, beim schnellen Wechsel zwischen Apps, bei leistungsintensiven Anwendungen wie Foto- und Videobearbeitung sowie beim Gaming.

Bislang hatte ich selbst größtenteils Einsteiger- bis Mittelklasse-Smartphones zu Testzwecken in den Händen. Im Alltag verwende ich mein LG V10 von 2015. Den Leistungsunterschied zu einem aktuellen Flaggschiff bemerke ich auf jeden Fall. Apps öffnen sich schneller, die Navigation klappt in Sekundenbruchteilen, Fotos sind auf Knopfdruck bearbeitet und Games wie "Asphalt Xtreme" laufen in den höchsten Einstellungen schnell und ruckelfrei über den Bildschirm. Braucht man das? Die Frage kann nur jeder für sich selbst beantworten. Das alltägliche Chatten und Surfen klappt auch mit langsameren Smartphones, aber man erhält als Power-User einen spürbaren Gegenwert, wenn man sich ein Flaggschiff besorgt.
Urteil Leistung: Die Flaggschiff-Leistung ist im Alltag durchaus zu spüren und mit der von Konkurrenzgeräten wie dem Galaxy S7 vergleichbar.
Kameras: Verspielte Super-Knipser

Das Dual-Kamera-Setup des Huawei P10 vom Branchen-Urgestein Leica besteht aus einer 12-Megapixel-Farbkamera mit einem für schlechte Lichtverhältnisse weniger optimalen Blendenwert von f/2.2 sowie einem 20-Megapixel-Monochromsensor, der Informationen über Tiefe und Details bezieht. Letzterer funktioniert auch unabhängig als Schwarz-Weiß-Kamera. Besonders Fotos mit einem Tiefenschärfeeffekt gelingen dank der Dual-Cam hervorragend. Bei schlechteren Lichtverhältnissen verschwimmen derweil die Details und spätestens dann erkennt man, dass es sich um Smartphone-Aufnahmen handelt.
Die Monochrom-Kamera hat es mir besonders angetan, denn damit lassen sich die qualitativ besten Fotos schießen. Für Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind aber nur besondere Motive geeignet, die bei einer düster-romantischen Stimmung eingefangen werden sollen, etwa Sozialstudien. Als Beispiel für die Grenzen der Schwarz-Weiß-Fotografie haben wir ein Bild von einem Donut in die Galerie aufgenommen, der nun wie ein trauriger, einsamer Endzeit-Donut und somit unfreiwillig komisch wirkt.
Unfreiwillig komisch wirkt leider oftmals auch der Porträt-Modus mit seinem simulierten Bokeh-Effekt. Hier werden regelmäßig zu große oder zu kleine Bereiche des Bildes scharf gestellt und die Haare bekommen eine Art Heiligenschein verliehen. Ohne den Effekt gelingen Selfies derweil sehr gut. Auch andere "Spielereien" wie Lichtmalerei und Zeitlupe haben im Test nicht immer optimal hingehauen. Die Videoaufnahmen sind qualitativ sehr gut, nur Störgeräusche wie Wind werden dabei nicht perfekt herausgefiltert. Wir haben die Stärken und Schwächen der Kameras des Huawei Mate 9 und des iPhone 7 Plus in diesem Ratgeber verglichen. Dort erfährt man mehr über die Möglichkeiten und Probleme der Kameras, die sich das Mate 9 mit jenen des Huawei P10 teilt.
Urteil Kameras: Die Fotos des Huawei P10 gehören zu den besten, die aktuell mit Smartphones geknippst werden können. Schwächen erkennt man vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen und beim Porträt-Modus.
Audio: Mach mal lauter

Die Audioqualität des Huawei P10 befindet sich zwar auf einem guten Niveau, aber an Referenz-Smartphones in diesem Bereich wie an das LG V10 mit seinem Hi-Fi-Chip oder an das Samsung Galaxy A5 (2017) kommt sie nicht heran. Außerdem ist die Lautstärke über den Klinkenanschluss etwas leise, was zwar in der Regel kein Problem darstellen wird, aber für anspruchsvollere Kopfhörer reicht die Leistung nicht aus. Der Mono-Lautsprecher geht ebenso in Ordnung, ist aber nichts Besonderes.
Urteil Audio: Die Soundqualität über Kopfhörer ist gut, aber nicht auf Hi-Fi-Niveau, außerdem könnte die Lautstärke höher sein. Der Lautsprecher geht in Ordnung.
Fazit: Nicht von schlechten Eltern

Wie schon das größere Mate 9 konnte uns auch das technisch fast identische, aber kleinere Huawei P10 im Test weitgehend überzeugen. Die Leistung ist mit jener des Galaxy S7 vergleichbar, die Kameras sind großartig, das Design edel. Huawei leistet sich nur kleine Patzer wie den Verzicht auf eine schmutzabweisende Schicht auf dem Display, eher durchschnittliche Audioqualität und Lautsprecher sowie einige Kamera-Spielereien wie den Bokeh-Effekt des Porträtmodus, die eher schlecht als recht funktionieren.
Gegen das Huawei P10 sprechen aber weniger solche Kleinigkeiten, sondern höchstens der Preis von rund 600 Euro. Das ungefähr ebenbürtige Galaxy S7 kostet nur noch rund 500 Euro. Sobald der Preis des P10 fällt, können vor allem Kamera-Fans aber bedenkenlos zuschlagen.