Das NUC-9-System von Intel könnte der erste Schritt zur Neuerfindung des Desktop-PCs sein. Patrick erklärt, was ein NUC überhaupt ist, welche Neuerungen es bringt und welche Stolpersteine noch auf dem Weg liegen.
- Intel schrumpft den Desktop-PC
- Das NUC-Compute-Element: Mini-Mainboard mit Prozessor
- Ein High-End-PC in der Größe einer Konsole
- Kompaktheit hat ihren Preis
- Fazit: Der PC der Zukunft?
Der Trend, Computer in immer kleinere und schickere Gehäuse zu stecken, lässt sich seit einigen Jahren beobachten. Der erste Mac Mini beispielsweise wurde bereits vor 15 Jahren vorgestellt, zahlreiche andere Hersteller bieten seit einigen Jahren ähnliche Geräte an. Ich denke da beispielsweise an die ThinkCentre-Computer von Lenovo und die Veriton-Reihe von Acer.
Auch im Selbstbau-Segment sind die Computer in den vergangenen Jahren immer kompakter geworden. ITX-Systeme mit Mini-Gehäusen und kleinen Mainboards erfreuen sich bei vielen Nutzern großer Beliebtheit und sind sogar vergleichsweise modular. Die Kompaktheit eines Mac Mini oder einer Spielekonsole erreichen sie jedoch nicht.
Intel schrumpft den Desktop-PC
Der Herausforderung, Kompaktheit und Modularität in einem PC zu vereinen, stellt sich Intel nun mit seinem neuen NUC 9 Extreme und dem darin enthaltenen Compute Element. Vorgestellt wurde das Gerät bereits Anfang des Jahres auf der CES in Las Vegas, im Handel landet es im Laufe des Sommers.

Die Abkürzung NUC steht für "Next Unit of Computing" und formuliert bereits den Anspruch, den Intel an sein neues Produkt hat. Intel selbst bietet ein vorkonfiguriertes System mit dem Namen NUC 9 Extreme Ghost Canyon an, das mit seinen Abmessungen von 238 x 216 x 96 Millimetern noch kompakter ausfällt als eine PlayStation 4 Pro. Es lässt sich jedoch mit deutlich leistungsfähigerer Technik ausstatten und ist obendrein voll modular. Möglich wird diese Bauweise, weil Intel mit dem NUC Compute Element ein ganz neues Bauteil anbietet, das für Computer eine kleine Revolution darstellt.
Das NUC-Compute-Element: Mini-Mainboard mit Prozessor
Das Compute Element ist vielleicht das spannendste Produkt, das Intel seit Jahren abgeliefert hat. Mit ihm verschmilzt der Hersteller zwei PC-Komponenten, die in der Praxis meist ohnehin untrennbar miteinander verbunden sind: Prozessor und Mainboard. Beide hat Intel in der Form einer PCI-Express-Karte untergebracht, die fast wie eine kleine Grafikkarte aussieht.
Auf dem Compute Element sitzen je nach Modell ein Intel Core i5-9300H, i7-9750H oder i9-9980HK. Bei allen handelt es sich um Notebook-Prozessoren, die mit weniger Leistungsaufnahme als ihre Desktop-Counterparts auskommen, natürlich etwas weniger Leistung bieten aber dementsprechend auch weniger Abwärme entwickeln. Das ist für eine kompakte Konstruktion nicht unerheblich.

Der Prozessor sitzt unter einer kleinen Wärmeabdeckung auf dem Compute Element. Rechts und links daneben finden sich alle weiteren Ports und Schnittstellen, die Nutzer von einem modernen Mainboard erwarten. Es gibt beispielsweise zwei M.2-Slots für SSDs, die Daten über PCIe 3.0 übertragen. Außerdem stehen zwei RAM-Slots für maximal 64 GB DDR4-RAM zur Verfügung. Auch die üblichen Ports für Lüfter, Front-Panel und Sound finden sich auf dem Compute Element.
An externen Anschlüssen bietet das Compute Element viermal USB 3.1 und zweimal Thunderbolt 3 sowie zwei Ethernet-Anschlüsse und je einen HDMI- und Audio-Ausgang. Die Anschlüsse befinden sich unter einer unscheinbaren Kunststoff-Abdeckung, in der auch ein kleiner Lüfter sitzt, um die CPU zu kühlen.

Unterm Strich ergibt das ein extrem kleines Mainboard inklusive CPU und CPU-Kühler, das über seinen PCIe-X16-Port in ein kompatibles Gehäuse eingesetzt wird. Das Gehäuse muss dafür über ein sogenanntes Baseboard verfügen. Das ist eine kleine Platine mit einem oder mehreren PCIe-X16-Steckplätzen, um ein Compute Element und eventuell eine Grafikkarte und weitere Komponenten aufzunehmen.
Ein High-End-PC in der Größe einer Konsole
In unserem Testsystem, einem Cooler Master Mastercase NC100 mit einem Fassungsvermögen von gerade einmal 7,5 Litern, hatte neben dem Element und einem 650-Watt-Netzteil sogar eine Grafikkarte vom Typ Nvidia GeForce RTX 2080 Ti Platz. Das ergibt ein richtig starkes Gaming-Paket, das jede aktuelle Konsole und auch die meisten größeren PCs locker in die Tasche steckt.

60 Bilder pro Sekunde bei 4K-Auflösung sind mit der verwendeten Grafikkarte bei den meisten Titeln durchaus machbar. Das ist zwar keine neue Erkenntnis – aber bemerkenswert, da eine RTX 2080 Ti normalerweise in einem sehr viel größeren PC stecken würde. Dank des neuen NUC-Systems von Intel ist es jetzt möglich, eine der größten Grafikkarten überhaupt in ein 7,5-Liter-Case zu pressen und trotzdem ein voll modulares System zu behalten.

Innerhalb des Spiele-Universums ließe sich ein PC auf Basis des Intel Compute Element am ehesten mit einer Konsole oder einem Gaming-Laptop vergleichen. Bei diesen Geräten steckt ebenfalls eine Menge Gaming-Power in einem vergleichsweise kleinen Gehäuse – in der Regel ist die Bauweise aber nicht modular. Und speziell die GPU wird oft niedriger getaktet als in Gehäusen, die genügend Kühlleistung bieten. Möglich, dass es mit dem NUC-System gelingt, diese bisherigen Beschränkungen aufzubrechen. Die Chancen stehen so gut wie noch nie.
Kompaktheit hat ihren Preis
Ein paar Knackpunkte gibt es bei Intel's neuem Compute Element aber noch: So werden in der ersten Generation bislang nur Mobile-Prozessoren angeboten – und auch nur Chips der 9. Generation. In Notebooks und klassischen Desktop-Systemen ist dagegen bereits die 10. Generation am Start. Man bekommt aktuell also weder die schnellsten noch die neuesten Intel-Prozessoren geboten.
Im Falle des Cooler-Master-Gehäuses, das wir zum Testen des Compute Element zur Verfügung hatten, machte sich die extreme Kompaktheit zudem auch negativ bemerkbar. Noch nie habe ich ein derart beengtes und unkomfortables PC-Case erlebt. Normalerweise macht es mir Spaß, an einem PC herumzuschrauben, aber beim Mastercase NC100 war ich vor allem genervt. Nahezu jedes Bauteil musste ich während des Tests mit mehreren Umbauten verschieben, drücken oder drehen. Da wäre mir ein minimal größeres Case mit etwas mehr Platz zum Bauen und Schrauben deutlich lieber gewesen.

Wer jetzt Lust bekommen hat, seinen nächsten PC rund um ein Compute Element von Intel aufzubauen, sollte einen Blick auf die Preise werfen. Die nagelneue Technik ist aktuell ziemlich teuer. Stand Mitte Juni 2020 hat der Hersteller noch keine Preise für die Stand-Alone-Varianten seines Compute-Elements verraten. In Kombination mit dem hauseigenen NUC-9-Extreme-Case werden allerdings für die Core-i9-Variante mehr als 1.500 Euro fällig, und RAM, Speicher sowie Grafikkarte kommen dann noch obendrauf.
Fazit: Der PC der Zukunft?
Eine Frage hat sich mir beim Testen des Intel Compute Element immer wieder aufgedrängt: Warum hat das nicht schon früher jemand gemacht?
Wer heute einen PC bauen will, muss sich Prozessor und Mainboard separat besorgen. Das war vor zehn Jahren schon so und auch vor 20 Jahren. Das mag manchmal wirklich sinnvoll sein. Aber in den meisten Fällen wird beim Upgrade auf eine neue CPU ohnehin ein neues Board nötig, da Platinen nach ein paar Jahren nur äußerst selten noch mit den neuesten Prozessoren kompatibel sind. Das Konzept, Prozessor und Mainboard als kombiniertes Modul anzubieten, das sich mit wenigen Handgriffen austauschen lässt, erscheint mir deshalb logisch.
Noch ist dieses Konzept aber zu teuer, um den Markt im Sturm zu erobern. Ich hoffe, das Intel dranbleibt und in den kommenden Jahren weitere Compute Elements vorstellt, die gern auch etwas moderater bepreist sein dürfen. Gleichzeitig hoffe ich, dass auch Gehäuse-Hersteller wie Cooler Master weiter in dieses System investieren, um in Zukunft Alternativen zu einem klassischen PC-Aufbau anbieten zu können.

Das Konzept, das Intel mit dem NUC-System verfolgt, hat großes Potenzial. Es könnte leicht von anderen Herstellern adaptiert werden. Warum zum Beispiel sollten Unternehmen wie Gigabyte und Asus künftig nicht eigene Compute Elements anbieten, bei denen sie ihre Stärken als Mainboard-Hersteller ausspielen? Warum sollte AMD den Ansatz von Intel nicht aufgreifen? Warum sollte nicht irgendwann ein Hersteller einen PC konstruieren, der komplett auf Module setzt und weitgehend auf Kabel verzichtet?
Der Kerngedanke des Intel-NUC-Systems ist aus meiner Sicht: Dinge müssen nicht so bleiben, wie sie sind. Manche Ideen haben das Potenzial, eine Branche nachhaltig zu verändern. Das bedeutet nicht, dass es in Zukunft keine klassischen Desktop-PCs mit ATX-Mainboard mehr geben wird. Vielleicht stellen sie aber in einigen Jahren nicht mehr die optimale Lösung für alle Nutzer dar.