Auf seinem fünften Album hat James Blunt seine Musik mit modernsten Popzutaten angereichert. Warum er seinen typischen Sound dabei trotzdem nicht verwässert hat und wie er sich heute über seinen alten Hit "You're Beautiful" lustig macht, erfahrt ihr in unserer Albumkritik zu "The Afterlove".
"Ihr glaubt, 2016 war ein schlimmes Jahr? 2017 erscheint mein neues Album!" Es sind Twitter-Kommentare wie diese, mit denen James Blunt sein Image als Sensibelchen mittlerweile endgültig abgeschüttelt hat. Schlagfertig und selbstironisch den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, in dem man in ihre Häme mit einstimmt – der Mann hat Humor, soviel steht fest. Überhaupt: Wer sich die Mühe macht, ein bisschen weiter hinter die zaghaft zarte Fassade des Musikers vorzudringen, entdeckt eine vielschichtige Persönlichkeit mit bewegter Geschichte.
Vor seiner Pop-Karriere kommandierte der aus einer Soldatenfamilie stammende Brite eine Panzereinheit. Im Kosovokrieg stand er als Nato-Offizier an vorderster Front, seine Gitarre führte er dabei angeblich immer in Reichweite mit sich. Gerade mal zwei Jahre, nachdem James Blunt seinen Militärdienst abgeleistet hatte, landete er 2004 mit seinem Album "Back to Bedlam" einen Überraschungserfolg. Vor allem die Single "You're Beautiful" rotierte monatelang lang auf allen Kanälen. Und das weltweit. Seitdem hat der Songwriter mit der näselnden Singstimme auf drei weiteren Alben seinen ureigenen Folk-Pop perfektioniert. Und auch wenn Blunt für viele bis heute immer noch als One-Hit-Wonder gilt, spiegeln die Zahlen ein anderes Bild wider. Jedes seiner Alben verkaufte sich überdurchschnittlich, mindestens ein Song pro Platte kletterte irgendwo auf der Welt in die obersten Chartregionen. Auch seine Konzerte finden nach wie vor in den großen Hallen statt. Vielleicht ist es das, was viele Menschen so an James Blunt provoziert: Ihm scheint einfach alles zu gelingen.
James Blunt 2017: Nicht auf Nummer sicher
Und doch kann man ihm nicht vorwerfen, nur auf Nummer sicher alte Rezepturen aufzukochen. So trägt "The Afterlove", sein fünftes Album, wie keines zuvor den Stempel seines Heimatortes Ibiza, der für seine exzessiven Techno-Partys berüchtigt ist. Allein der Song "Lose My Number" dürfte mit seinen Trance-Elementen und den pochenden Beats bald in Form diverser Remixe die Club-Tanzflächen füllen.
Mit der zweiten Single "Bartender" hat Blunt zudem seine eigene Version von zeitgenössischem R&B aufgenommen, inklusive Dancehall-Samples, Drum-Loops und hymnischen Backing-Vocals. Dass diese ungewohnt gut gelaunten, tanzbaren Pop-Produktionen immer noch unverkennbar nach James Blunt klingen, liegt neben der barmenden Stimme vor allem daran, dass der Sänger die textliche Tiefe seiner Lieder nie vernachlässigt. Und das bedeutet, dieses Mal sogar Witze über sich selbst zu reißen. In "Love Me Better", das er zusammen mit Ryan Tedder von OneRepublic aufgenommen hat, bezieht sich Blunt selbstironisch auf seinen größten Hit: "I would have said you are beautiful but I used this line before" ( "Ich hätte dir gesagt, dass du wunderschön bist, aber den Satz habe ich schon mal gebracht"), singt er da, während im dazugehörigen Video ein schelmisches Lächeln seine Lippen umspielt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bekannte Blunt kürzlich, er habe mittlerweile seinen Frieden mit "You're Beautiful" gemacht. "Ich freue mich auf jedem Konzert, wenn ich ihn spiele. Das bedeutet nämlich, dass ich gleich fertig bin und mir ein Bier an der Bar holen kann".
"The Afterlove" verbindet Modernes mit Altbewährtem
Natürlich wäre "The Afterlove" kein richtiges James-Blunt-Album, wenn der Melancholiker nicht auch dieses Mal wieder ein paar schwelgerische Balladen von genau dieser Sorte aus dem Ärmel geschüttelt hätte. "Don't Give Me Those Eyes" ist eine von zarten Pianoklängen getragene Ode an die Versuchung einer verbotenen Liebe, die in ihrer verzweifelten Tonlage aber vor allem das schlechte Gewissen widerspiegelt, das sich nach einem Seitensprung einstellt.
In dem zusammen mit Ed Sheeran geschriebenen "Make Me Better" bedankt sich Blunt wiederum bei seiner Frau, die ihn zu einem besseren Menschen gemacht habe. "Du hast mir ein Baby geschenkt und er hat dein Lächeln", heißt es da unter anderem. Musikalisch ist zur Abwechslung wieder alles handgemacht, von der zurückhaltenden akustischen Gitarre bis zum rhythmischen Fingerschnipsen, das die zweite Strophe begleitet.
Fazit: James Blunt wagt sich ohne große Sprünge auf neues Terrain
Menschen, die James Blunt ohnehin als weinerlichen Schmusesänger abgeschrieben haben, werden auch bei "The Afterlove" behaupten, jeder Song klinge gleich beziehungsweise gleich langweilig. Tatsächlich hat sich James Blunt auf seinem fünften Album ein gutes Stück weiterentwickelt, ohne seinen ureigenen Sound dabei zu verwässern. "The Afterlove" ist ein abwechslungsreiches, erwachsenes Pop-Album, dem es trotzdem nicht an zeitgemäßer Frische fehlt.