Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch. Smartphones werden zu Gesprächspartnern, Roboter parken oder fahren sogar unsere Autos. Eine schöne neue Welt ist aber nicht vollständig ohne neues Album des Electro-Funk-Hohepriesters Jay Kay und seiner Band Jamiroquai. Die bringen mit "Automaton" das achte Langspielwerk in die digitalen und physischen Läden, und es fiept und knarzt wie eh und je.
Man muss es sich ausrechnen: Als die Band Jamiroquai 2010 ihr letztes Album herausbrachte, waren Smartphones noch weit entfernt von massenhafter Verbreitung, da haben die meisten ihr Handy (so hießen die Dinger damals) noch aufklappen müssen, um damit zu kommunizieren. Damit ist telefonieren gemeint, denn Gott verbiete, dass das Teil sich mal mit dem Internet connecten wollte! In dem Fall wurde es wegen der potenziell horrenden Kosten schnell in eine weit entfernte Ecke gepfeffert. Jetzt scheint ein großer Teil Zukunft in unseren Leben abgekommen sein, und das ruft auch den exzentrischen Hutträger Jay Kay (inzwischen 47 Jahre alt) und seine Acid-Jazz-Truppe zurück auf den Plan. "Die Inspiration hinter 'Automaton' ist das Aufstreben der künstlichen Intelligenz und Technologie in unserer heutigen Welt, und wie wir Menschen darüber die schöneren, einfachen Dinge des Lebens und der Umwelt vergessen, inklusive unserer Beziehungen zueinander als menschliche Wesen", fabulierte Jay Kay in einem Statement zum Werk. Alles klar?
Das klingt, als würde sich der Meister der Zukunftsmusik gegen seine eigene Kreation wenden. Immerhin erschaffen Jamiroquai seit 1992 eine der damaligen Clublandschaft und keimenden Technoszene entsprungene Mischung aus Pop, Rock und Electronica. "Virtual Insanity" wurde 1997 zum Megahit, während die Welt noch gar keine Ahnung hatte, welche Schritte virtuelle Realität bis heute machen würde. Im Soundtrack zu "Godzilla" gingen die Londoner 1998 "Deeper Underground" und etablierten sich als feste Größe der Musiklandschaft. Bis heute sind sie aus kaum einer gut gemischten Soulfunk-Clubnacht wegzudenken. Der scheinende Stern begann aber zu sinken, ihr letztes Album "Rock Dust Light Star" verkaufte sich 2010 nur schlecht. Es wurde Zeit für eine Neuerfindung, einen frischen Tanz zwischen dem "Buffalo Man" und dem "Cosmic Girl".
Mit den 1970ern unterm Arm in die Zukunft getanzt
Mit dem Titeltrack und gleichzeitig der ersten Single aus "Automaton" machten Jamiroquai ernst, der Song verbindet alte Poptugenden mit den Markenzeichen der Band, allerdings alles zeitgemäß aufgepimpt. Industriehallen-Sounds verbinden sich mit einem sphärischen Refrain, jäh unterbrochen von funky Sounds, zu denen sogar "Star Wars"-Androiden butterweiche Hüften bekommen würden. Ein Hit und der stärkste Song des Albums. Auch "Dr Buzz" beschwört eine im Detail spannende Future-Sounds-Kulisse herauf, die Tanzlaune macht. Bei dem Rest der Lieder ist allerdings etwas Ernüchterung angesagt, es scheint, als wäre die Modernisierungsmaschine nur teilweise angesprungen und das Innovationsbudget hauptsächlich für Jay Kays freshen LED-Helm draufgegangen.
So klingt etwa schon die weitere Single "Cloud 9", die sich sowohl mit seinen kleinen Gitarrenriffs und dem einblendenden Beat an Daft Punk anlehnt, etwas schal. Der lässige Mitklatsch-Rhythmus lässt auch dezente Drehungen um sich selbst auf der Tanzfläche zu. Aus "Hot Property" pluckert dann wieder so viel Retrosoul, dass James Brown in seinem schimmerndsten, himmelblausten Onesy-Anzug aufzuerstehen scheint. Da ist der Acid-Funk wieder, den Fans lieben, aber ehrlich gesagt auch seit Jahrzehnten schon in- und auswendig kennen. Wo ist der anfängliche Mut geblieben?
Ab der Mitte, ca. dem etwas uninspirierten "Something About You", sind die Prozessoren schon wieder zu warm gelaufen. Als Album funktioniert Jamiroquais "Automaton" nur in kleinen Portionen, auf lange Sicht ermüdet sich die vermeintlich modernisierte Rückkehr zu den Bandwurzeln wie eine überstrapazierte Urlaubsfoto-Slideshow aus dem letzten Italienurlaub des schrulligen Onkels. Bei Stücken wie "Summer Girl" muss man unweigerlich ans schwingende Lochkinn John Travoltas und "Saturday Night Fever" der 1970er-Jahre denken, was natürlich Fans der Ära Spaß machen wird. War das Hightech-Cover und der futuristische Schriftzug am Ende nur ein roter Hering, eine falsche Fährte, mit der uns Jay Kay und Co. zurück in einfachere Musikzeitalter entführen wollten? Diese bunt leuchtenden Schlingel …
Fazit: Discofox zwischen gestern und heute
An den wenigen Stellen wie dem genialen Titeltrack bringt Jamiroquais "Automaton" den frischen Wind, den das Album auf den ersten Blick versprach. Ansonsten gibt es gewohnte Funky-Retrokost der Londoner Kulttruppe, die in kleinen Portionen auf der Tanzfläche durchaus bockt. An dem Genuss des ganzen Albums aber werden sich wieder nur beinharte Jamiroquai-Jünger erfreuen können.