Wie wurde "Fortnite" zum Superhit der Gaming-Welt? Durch dreisten Diebstahl! Von angesagten Spielmodi über trendige Memes bis hin zu hilfreichen Features: Niemand ist so schnell mit einer Kopie zur Stelle wie der Senkrechtstarter von Epic Games. Jetzt hat sich das Game wieder ein Feature von der Konkurrenz gekrallt – aber ist das eigentlich so schlimm?
Anfang Februar betrat mit "Apex Legends" ein neuer Herausforderer den umkämpften Battle-Royale-Markt. Das Spiel der "Titanfall"-Macher begeistert mit schnellem Team-Gameplay. Die bahnbrechendste Innovation ist für viele Spieler aber das intuitive Ping-System: Per Knopfdruck können Items, Orte oder Gegner markiert werden. So wird Kommunikation mit Mitspielern möglich, ohne dazu Sprach- oder Textchat zu nutzen.
Man muss kein "Apex Legends"-Fan sein, um festzustellen: Das Ping-Feature ist genial und im Grunde eine traumhafte Ergänzung für fast jedes Multiplayer-Spiel. Seit gestern gibt es das erste Game, das die Innovation im großen Stil kopiert – und natürlich ist es "Fortnite".
Schon ganz im Kern eine Kopie
"Besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht" scheint der offizielle Leitsatz zu sein, den Epic Games mit seinem mega-populären Shooter verfolgt. Seinen ganzen Durchbruch in die höchsten Sphären der Popkultur verdankt das Spiel im Grunde einer schlauen Kopie zum richtigen Zeitpunkt: Im September 2017 war "Fortnite" eines der ersten Games, das mit einem Battle-Royale-Modus versuchte, auf der Hype-Welle um "PUBG" mitzuschwimmen – mit dem bekannten Erfolg.

Ein Meme-Shooter & Trend-Messgerät
Nicht nur in seinen Fundamenten ließ sich "Fortnite" von anderen inspirieren. Viele optische und spielerische Neuerungen, die Epic Games in seiner bunten Comicwelt einführt, erinnern mehr oder weniger deutlich an Errungenschaften der Popkultur. Der John-Wick-Skin aus Season 3 hieß zwar nicht offiziell so, sah Keanu Reeves' Killer aber verdächtig ähnlich. Der finstere Eiskönig ist sicher kein ganz zufälliger Verweis auf "Game of Thrones" und seinen Nachtkönig. Das Event "Raubzug", das die Spieler Mitte 2018 kurzzeitig zu maskierten Juwelendieben machte, erschien auf dem Höhepunkt der Netflix-Heist-Serie "Haus des Geldes".

Im Grunde ist "Fortnite" ein Meme-Shooter, der laufend Trends, vor allem aus der Online-Sphäre, aufgreift, und als eine Art Remix ins Gameplay integriert. Mit Faulheit hat das wenig zu tun, im Gegenteil: Es funktioniert nur, weil Epic Games beim Erkennen und Umsetzen dieser Trends unerreicht schnell ist – siehe Ping-System, das keine vier Wochen nach "Apex Legends" integriert wurde. Bleibenden Erfolg hat die Masche außerdem nur deshalb, weil die Entwickler sich selten mit dem bloßen Kopieren zufrieden geben.
"Fortnite" klaut und macht's dann besser
Als "Fortnite: Battle Royale" startete, war es eben kein Klon von "PUBG". Ja, das grundlegende Spielprinzip war gleich, aber die Comic-Optik, der Baumodus und die viel "arcadigere" Ausrichtung brachten ein ziemlich anderes Spielerlebnis hervor. Epic Games übernahm zwar das Battle-Royale-Prinzip, forderte aber zugleich heraus, was es leisten kann – und inspirierte andere Entwickler zu eigenen Versionen.
Weil Epic Games die populäre Unreal Engine 4 zudem selbst baut, konnte es ein technisch viel runderes Produkt liefern als die Wettbewerber und damit die Qualitäts-Ansprüche steigern. Konkurrenz belebt halt das Geschäft – und ein geschliffenes Produkt wie "Apex Legends" wäre ohne die Vorarbeit von "Fortnite" sicher nicht selbstverständlich.
Crossplay & Battle Pass hat "Fortnite" schon revolutioniert
Wenn "Fortnite" nun das Ping-System von dem Neuankömmling abkupfert, ist das für die Spieler erst einmal eine gute Nachricht. Millionen von Gamern kommen nun in Berührung mit dem Feature und gewöhnen sich vielleicht an seinen Komfort. Welche Wellen dieser Effekt schlagen kann, haben wir zuletzt beim Thema Crossplay gesehen, wo "Fortnite" selbst den Giganten Sony in die Knie zwang.

Ein weiteres Beispiel für die Marktmacht des Games: Auch das Battle-Pass-System hat "Fortnite" mitnichten erfunden, sondern von Spielen wie "Dota 2" und "Team Fortress 2" übernommen und dann verfeinert. Mittlerweile sind Battle-Pässe in vielen Service-Games enthalten und werden industrieweit als spielerfreundlichere Alternative zu den verhassten Lootboxen gehandelt. Auch für "Apex Legends" ist ein solcher Pass in Planung.
Wird das Ping-System jetzt zum Standard?
Natürlich ist es, allem Erfolg zum Trotz, eine legitime Frage, ob Epic Games mit seiner Remix-Strategie nicht zumindest moralische Grenzen überschreitet. Auch die rechtlichen Grenzen werden in letzter Zeit ja verstärkt verhandelt: anhand der Tanz-Emotes, die "Fortnite" sich aus der Popkultur zusammenklaubt, ohne die eigentlichen Urheber zu entschädigen oder zumindest zu würdigen.

Eine Grenze zu ziehen, ab wann genau Spielmechanik-Ideen geschützt werden können und müssen, ist allerdings schwer: Ping-Systeme gab es etwa auch schon vor "Apex Legends", Respawn Entertainment baute seines nur in optimierter Form in ein sehr populäres Spiel ein. Wenn "Fortnite" das Feature nun aufgreift, besteht daher Hoffnung, dass es einmal mehr als Evolutionsbeschleuniger wirkt – und wir in einigen Monaten in fast jedem Multiplayer-Spiel ein noch weiter perfektioniertes Markierungs-System finden.
Ich würde es begrüßen.