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Kann "Mogli" mit Disneys "Dschungelbuch"-Adaptionen mithalten?

Andy Serkis erweckt Rudyard Kiplings "Dschungelbuch" zu neuem Leben.
Andy Serkis erweckt Rudyard Kiplings "Dschungelbuch" zu neuem Leben. Bild: © Netflix 2018

"Das Dschungelbuch" hat auch über hundert Jahre nach seiner Erstveröffentlichung nichts von seiner Faszination eingebüßt. Nur zwei Jahre nach der Disney-Realverfilmung "The Jungle Book" versucht sich nun Motion-Capture-Spezialist Andy Serkis an dem zeitlosen Stoff rund um einen Jungen, der im Dschungel aufwächst. Doch kann er der altbekannten Geschichte mit "Mogli: Legende des Dschungels" neue Facetten abringen?

Das wollte ich zu gerne selbst unter die Lupe nehmen und bin wagemutig in den Urwald des Netflix-Films eingetaucht. Und während es mich freute, dass der Fokus mehr denn je auf Hauptfigur Mogli und seiner Suche nach seinem Platz in der Welt lag, haben mich die tierischen Darsteller leider enttäuscht.

Unvergessen: "Das Dschungelbuch" von 1967

Wie die meisten Menschen bin ich mit Rudyard Kiplings "Das Dschungelbuch" durch die gleichnamige Disney-Zeichentrickadaption von 1967 in Berührung gekommen. Das fröhliche Zeichentrickabenteuer besticht auch mit gut fünfzig Jahren auf dem Buckel durch eine farbenfroh gestaltete, wunderschöne Dschungelwelt und die skurril-liebenswerten Tiere, die sie bewohnen.

Die vom Bären Balu, dem Affenkönig King Louie und Co. dargebotenen Ständchen wie "Probier's mal mit Gemütlichkeit" oder "Ich wäre gern wie du" boten tierische Unterhaltung und ließen mich wünschen, selbst Teil dieser Welt zu sein. Die Bedrohung durch den Tiger Shir Khan war das Einzige, was den Spaß etwas trübte, konnte aber schnell aufgelöst werden.

Düstere Neuauflage des Klassikers 2016 mit "The Jungle Book"

Im neuen Jahrtausend verfolgte Disney selbst mit "The Jungle Book" einen sehr viel düsteren Ansatz an sein Dschungelmärchen. In dem Live-Action-Film von 2016 von Jon Favreau werden die Bedrohungen des Dschungels sehr viel stärker in den Fokus gerückt. So wird King Louie kurzerhand zu einem gigantischen, furchterregenden Menschenaffen und selbst der gemütliche Bär Balu ist sehr viel egoistischer und nutzt Mogli zunächst für seine Zwecke aus.

Dass die Story trotz dieser radikalen Neuausrichtung mit Zuhilfenahme von viel CGI funktioniert, bewies der große finanzielle Erfolg von "The Jungle Book". Das Remake spielte laut Box Office Mojo weltweit 966,5 Millionen US-Dollar ein. Und auch die Kritiker ließen sich von der Realverfilmung auf ganzer Linie überzeugen. Kein Wunder, dass der Mäusekonzern bereits an einer Fortsetzung arbeitet.

Serkis setzt in "Mogli" auf das Motion-Capture-Verfahren

Umso erstaunlicher ist es, dass Andy Serkis es nur zwei Jahre nach diesem großen Erfolg wagt, eine weitere Neuadaption zu präsentieren. Doch ganz beabsichtigt ist die schnelle Aufeinanderfolge der Filme nicht. Serkis arbeitete schon länger an seiner eigenen Version des Dschungelbuchs, die ursprünglich zeitgleich mit Favreaus Film in die Kinos kommen sollte. Der Starttermin wurde von Warner Bros. aber aus verständlichen Gründen verschoben, bis "Mogli" schließlich überraschend ganz auf Netflix landete.

"Mogli" besticht mit gleich zwei großen Unterschieden zu Favreaus Film. Zum einen hält sich Serkis sehr viel stärker an die Vorlage von Rudyard Kipling, auf dessen Erzählungen und Gedichten alle drei Verfilmungen beruhen. Zum anderen setzt der ehemalige Gollum-Darsteller ganz auf das Motion-Capture-Verfahren.

Schauspieler und Tier verschmelzen zu einer Figur

Das bedeutet im Fall von "Mogli: Legende des Dschungels", dass die Mimik und Stimmen von prominenten Hollywoodstars wie Christian Bale (Baghira), Cate Blanchett (Kaa) und Benedict Cumberbatch (Shir Khan) in diesem Verfahren eingefangen werden, während erfahrene Motion-Capture-Darsteller die Körperbewegung beisteuern. Und auch optisch sind die Darsteller noch auszumachen.

"Wir nehmen das Bild des Schauspielers und das Bild des Tieres und verändern beide so, dass sie sich in der Mitte treffen", erklärt Produzent Jonathan Cavendish den weiteren Prozess in einer Pressemitteilung. Serkis ließ es sich natürlich nicht nehmen, auch selber einen Charakter zu übernehmen: Er ist als Bär Balu zu sehen. Doch gerade diese bestimmt arbeitsintensive Verwandlung der Schauspieler in Tiere, ist nicht immer gelungen. Ich konnte in keinem der Dschungelbewohner wirklich das "Original" ausmachen.

Die Schlange Kaa und ... fullscreen
Die Schlange Kaa und ... Bild: © Netflix 2018
... der Tiger Shir Khan wirken wie seltsame Zwitterwesen aus Tier und Mensch. fullscreen
... der Tiger Shir Khan wirken wie seltsame Zwitterwesen aus Tier und Mensch. Bild: © Netflix 2018
Die Schlange Kaa und ...
... der Tiger Shir Khan wirken wie seltsame Zwitterwesen aus Tier und Mensch.

Das ist vielleicht auch nicht weiter schlimm, doch diese Vorgehensweise macht aus den Dschungelbewohnern seltsam anthropomorphe Wesen, die ähnlich wie Mogli selbst weder richtig in die Tier- noch Menschenwelt zu passen scheinen. Besonders "negativ" fiel mir dabei die übergroße Schlange Kaa auf, deren eigenartige Schnute mich den ganzen Film über störte. Und auch Cumberbatchs Shir Khan wirkte mit seinem merkwürdig platten Kopf mehr wie ein Plüschtiger als eine echte Bedrohung.

Mogli als Vermittler zwischen den Welten

Trotz seiner prominenten Tier-Darsteller steht jedoch nach wie vor ein Mensch im Fokus: Das Findelkind Mogli (Rohan Chand), das nach dem Tod seiner Eltern von einem Wolfspaar großgezogen wird. Auch wenn es von ihnen und seinen Wolfsbrüdern viel Liebe erfährt, macht der Film von Anfang an klar, dass die Tiere sich nicht ganz selbstlos des Menschenkindes annehmen. Da die Behausungen der Menschen immer tiefer in den Dschungel vorstoßen, soll Mogli als Vermittler zwischen den beiden Welten dienen.

Mogli wurde von Wölfen aufgezogen, .... fullscreen
Mogli wurde von Wölfen aufgezogen, .... Bild: © Netflix 2018
... findet jedoch auch am Leben bei den Menschen Gefallen. fullscreen
... findet jedoch auch am Leben bei den Menschen Gefallen. Bild: © Netflix 2018
Der Jäger Lockwood wird zu einem väterlichen Freund. fullscreen
Der Jäger Lockwood wird zu einem väterlichen Freund. Bild: © Courtesy Netflix 2018
Mogli wurde von Wölfen aufgezogen, ....
... findet jedoch auch am Leben bei den Menschen Gefallen.
Der Jäger Lockwood wird zu einem väterlichen Freund.

Das ist zumindest der Plan des weisen Panthers Baghira – übrigens mit einer ganz neuen Backstory –, der Mogli in die Obhut des Wolfsrudels gibt und alles dafür tut, um ihn zurück zu den Menschen zu bringen. Und das gelingt nicht erst am Ende des Filmes. Nach etwa einer Stunde im Urwald wechselt der Schauplatz überraschend in die Menschensiedlung, in der Mogli langsam Vertrauen zu der jungen Einheimischen Nessua (Freida Pinto) und dem Jäger Lockwood fasst (Matthew Rhys). Mit Letzterem verbindet ihn der gemeinsame Feind Shir Khan. Nur allzu schnell vergisst der Wolfsjunge seine Freunde im Urwald, als er sich endlich akzeptiert fühlt.

Ein Junge auf der Suche nach Akzeptanz

Denn das ist neben der Vermittlung zwischen Menschen- und Tierwelt das große Thema von "Legende des Dschungels". Dass Mogli um jeden Preis dazugehören möchte, aber ganz tief im Inneren weiß, dass er das nie wird. Verstärkt wird sein Konflikt durch die Schaffung der Figur des Albinowölflings Bhoot (gesprochen von Serkis' Sohn Louis Ashbourne Serkis). Da dieser selbst ein Außenseiter ist, kann er Moglis Lage nachfühlen. Und sein Schicksal ist es schließlich auch, das für Moglis Entwicklung wegweisend ist.

Mogli steht zwischen den Welten. fullscreen
Mogli steht zwischen den Welten. Bild: © Netflix 2018
Der Wolf-Albino Booth wird zu Moglis Vertrautem, ... fullscreen
Der Wolf-Albino Booth wird zu Moglis Vertrautem, ... Bild: © Courtesy Netflix 2018
... während ihn Balu und Baghira auf die Gefahren des Dschungels vorbereiten. fullscreen
... während ihn Balu und Baghira auf die Gefahren des Dschungels vorbereiten. Bild: © Netflix 2018
Mogli steht zwischen den Welten.
Der Wolf-Albino Booth wird zu Moglis Vertrautem, ...
... während ihn Balu und Baghira auf die Gefahren des Dschungels vorbereiten.

Während mir dieser Fokus gut gefiel, war mir das Ende der Reise zu einfach gestrickt und zu gehetzt. Nach je einem Opfer auf beiden Seiten war der Konflikt quasi vom Tisch und Mogli der neue Vermittler zwischen den Welten. Dabei blieben die Menschen für mich sehr eindimensional. Freida Pinto darf nur ein paar Mal nett in die Kamera lächeln, während der Jäger Lockwood tatsächlich mehr Facetten bekommt, der Charakter am Ende jedoch einem forcierten Happy End zum Opfer fallen muss.

Fazit: Nicht ganz rund, aber ambitioniert

Abschließend muss ich sagen, dass mir die rein inhaltliche Neuausrichtung von "Mogli: Legende des Dschungels" gut gefallen hat, ihr am Ende aber die Puste ausgeht. Auf jeden Fall hat Serkis' Verfilmung von Kiplings Dschungelsaga genauso viel Berechtigung wie seine Vorgänger. Sie macht die Gefahren des Dschungels deutlicher als die Disney-Adaptionen und vermag es, eine neue Geschichte aus der Saga herauszukitzeln. Schade nur, dass das ambitionierte Motion-Capture-Verfahren leider nicht ganz den Effekt erzielen kann, wie vorgesehen.

Wer Frohsinn sucht, greife zum "Dschungelbuch" von 1967, wer einen düsteren Touch mag zu "The Jungle Book" von 2016 und wer sich lieber ganz auf den Überlebenskampf eines Außenseiters einstellen möchte, trifft mit "Mogli: Legende des Dschungels" eine gute Wahl.

"Mogli: Legende des Dschungels" steht auf Netflix zum Streamen bereit. fullscreen
"Mogli: Legende des Dschungels" steht auf Netflix zum Streamen bereit. Bild: © Netflix 2018
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