Der Start von "Cats" war – vorsichtig ausgedrückt – holprig. Im Netz sorgte der erste Trailer für reichlich Spott, der seltsame Look der Katzen-Menschen irritierte viele Zuschauer. Warum "Cats" dennoch sehenswert ist, ohne ein Meisterwerk zu sein, liest Du in unserer Kritik.
Von Marie Eidtmann
- Dieser Handlung kann jeder folgen
- Zu viele Pfoten verderben den Brei
- Schwindelerregend: "Cats" ist laut, bunt und wild
- Der Look ist nicht schönzureden
- Mitreißend: Der Soundtrack ist Hit
- Fazit
Dieser Handlung kann jeder folgen
Die Story ist schnell erzählt: Katze Victoria (Francesca Hayward) wird auf einem Schrottplatz ausgesetzt. Dort trifft sie auf eine Katzenschar, die Jellicle-Katzen, die sich gerade auf den alljährlichen Jellicle-Ball vorbereitet. Ihr Oberhaupt, Alt-Deuteronimus (Judi Dench), wird dort eine Katze auswählen, der sie ein neues Leben im sphärischen Raum schenkt.
In diesen Handlungsstrang reihen sich die Katzen fein säuberlich eine nach der anderen ein: Denn Alt-Deuteronimus entscheidet nach dem Charakter, und so soll jede Katze in einem Song darstellen, wer sie ist und was sie macht. Aus der Reihe tanzt nur Bösewicht Macavity (Idris Elba): Der Kater versucht, die Wahl zu sabotieren, um selbst erwählt zu werden. Das war es auch schon an Handlung. Am Ende bleibt als einziger Spannungsbogen die Frage, welche Katze ausgewählt wird.
Regisseur Tom Hooper ("The Danish Girl") daraus einen Vorwurf zu machen, wäre jedoch nicht fair. Sehr viel anders ist die Handlung im Musical "Cats" auch nicht. Anstatt sich wilde Handlungsstränge auszudenken, um dem Film mehr Pep zu verleihen, hält sich Hooper im Großen und Ganzen an die Vorlage. Daran ist nichts verwerflich.
Zu viele Pfoten verderben den Brei
"Cats" trumpft mit einer umwerfenden Besetzung auf: Neben Musikerin Taylor Swift sind Hollywood-Größen wie Judi Dench, Ian McKellen und Idris Elba mit von der Partie. Für eine gute Portion Humor sorgen Rebel Wilson als Mäusetrainerin Jennyanydots und James Corden als gefräßiger Kater Bustopher Jones. Schade nur, dass ihr Humor zuweilen ins Alberne abdriftet. Die Hauptrolle fällt Tänzerin Francesca Hayward zu. Ihre Körperspannung ist beeindruckend, die Leichtfüßigkeit ihrer Tänze passt zum Tier, das sie verkörpert.

Für den Rest des Casts gilt: Die Bühne gehört allen und niemandem. Abgesehen von kurzen Soloparts mit Ansprache an den Zuschauer kann kein Schauspieler so richtig zeigen, was er drauf hat. Die flache Handlung geht auf Kosten der Charaktere, die keine Tiefe entwickeln. So rührt Grizabellas (Jennifer Hudson) "Erinnerung" die umstehenden Katzen zwar zu Tränen, mich berührt die Szene trotz dramatischer Mimik jedoch nicht ansatzweise.
Zum Cast gehört übrigens auch Pop-Sänger Jason Derulo. Durchaus eine unterhaltsame Besetzung, wie ich finde: Die Rolle des Machos Rum Tum Tugger ist ihm wie auf den Leib geschneidert. Hier spielt ein Exzentriker sein exzentrisches Katzen-Ich. Schließlich machte Derulo zuletzt durch eine Beschwerde auf sich aufmerksam: Dass sein bestes Stück einfach wegretuschiert worden sei, stieß dem Sänger übel auf.
Schwindelerregend: "Cats" ist laut, bunt und wild
Das Filmset beschrieb Judi Dench in einem Interview als "'Alice im Wunderland'-Erfahrung": Um die Katzenperspektive für den Zuschauer greifbar zu machen, ließ Hooper überdimensionierte Requisiten wie Fahrräder, Mülltonnen, Betten, Sessel und Türen errichten. Doch so richtig stimmig sind die Größenverhältnisse nicht: Ein für Menschen gedachter Ring beispielsweise passt Victoria als Armreif – das kommt einfach nicht hin. Viele Set-Elemente wie die Küche, in der Jennyanydots lebt, die Milchbar und das verfallene Theater, in dem der Jellicle-Ball stattfindet, sind jedoch liebevoll und detailliert gestaltet, sodass die Filmkulisse insgesamt schön anzuschauen ist.

Darüber hinaus ist "Cats" zügig unterwegs, bei mancher Kamerafahrt wird mir leicht flau im Magen: Phasenweise folgt der Zuschauer den Katzen, um passend zu Ensemble-Tänzen bequem die Vogelperspektive einzunehmen und das Spektakel unbeteiligt zu genießen. Wenn die Katzen auf der Bühne im verlassenen Theatersaal performen oder Judi Dench alias Alt-Deuteronimus direkt in die Kamera blickt und den Zuschauer anspricht, kommt im Kinosaal sogar Musical-Atmosphäre auf!

Der Look ist nicht schönzureden
Ein Problem bleibt der Look: Die Katzen-Menschen sind und bleiben wenig schöner anzusehen. Besonders hart trifft es Judi Dench: Der weite Pelzmantel und das viele Fell um den Hals wirken ebenso grotesk wie die fleckige Gesichtsfarbe. Der Look schafft eine Distanz, die der Wärme, die die Ober-Katze ausstrahlen soll, entgegenwirkt. Wenn sie sich dann noch entspannt im Katzenkörbchen rekelt und Gus, dem Theaterkater (Ian McKellen), schöne Augen macht, ist bei mir endgültig Schluss.

Zudem wackeln Halsbänder und Ketten der Katzen merkwürdig schwerelos auf und ab, hier scheinen die Grenzen der Computer Generated Imagery (CGI) erreicht. Auffällig ist das auch bei den Mäusen: Die kleinen Tierchen wirken vor der riesigen Kulisse verloren und unnatürlich.
Mehrfach stelle ich mir während des Films die Frage: Sind das jetzt katzenhafte Menschen oder menschliche Katzen? Beides, habe ich mir die Frage schlussendlich selbst beantwortet. Und genau das macht den Katzen-Look so verstörend. Menschlich laufen die Katzen auf zwei Beinen, landen so gut wie nie auf ihren vier Pfoten. Augen, Nasen, Münder und Hände wurden zudem bei der Animation ausgelassen. Auf der anderen Seite putzen die Katzen sich die "Pfoten" und lecken wie Ian McKellen Wasser mit der Zunge aus einer flachen Schale. Das ist wohl witzig gemeint, wirkt aber so unpassend, dass es vom eigentlichen Geschehen ablenkt.
James Corden befand in einem Interview: "Das sind Menschen, aber es sind Katzen, das ist irgendwie überwältigend." Äh ja, im positiven wie im negativen Sinne, würde ich sagen. Fellbedeckung und Schwanz- sowie Ohrenbewegungen sind dank CGI zwar beeindruckend, ein bisschen weniger wäre aber mehr gewesen.
Mitreißend: Der Soundtrack ist ein Hit
Wer das Musical "Cats" kennt, wird im Film viele Songs wiedererkennen. Die Macher halten sich überwiegend an die erprobten Songs des Originals. Der Soundtrack ist beschwingt und unterhaltsam, schon beim ersten "Jellicle-Katzen"-Song wippe ich im Kino mit den Füßen, ebenso bei Jason Derulos Interpretation von "Rum Tum Tugger". Für Unterhaltung sorgen zudem die Choreografien von Ballet über Hip-Hop bis zu Stepptanz.
Abstriche muss der Zuschauer bei der deutschen Synchronfassung machen: Nicht nur der gesprochene Text, auch alle Songs wurden synchronisiert. Den Film in der Originalversion zu sehen, ist sicher lohnenswert. Zu bedenken ist jedoch, dass Geschichten in "Cats" fast ausschließlich über die Lieder transportiert werden. Gewisse Englischkenntnisse sollten also vorhanden sein.
Mein Tipp für die deutsche Fassung: Bleibt beim Abspann sitzen, um Taylor Swifts und Andrew Lloyd Webbers "Beautiful Ghosts" zu lauschen. Nicht umsonst ist der Titel 2020 für einen Golden Globe nominiert.
Fazit: Wer unbeschwerte Unterhaltung sucht, liegt mit "Cats" richtig
"Cats" ist buntes, humorvolles Popcornkino. Über den merkwürdigen Katzen-Look und die mangelnde Entwicklung der Charaktere kann ich zwar nur schwer hinwegsehen. Auf der Habenseite stehen aber eine hübsche Kulisse, der mitreißende Soundtrack und die gekonnten Tanzeinlagen. Zum Abschluss des Films brandet sogar Applaus auf. Ich verlasse das Kino summend und gut gelaunt – was will ich von einem Unterhaltungsfilm mehr?