Eine superhippe, supernerdige Gamer-Sitcom? An der auch noch der Mega-Spielehersteller Ubisoft beteiligt ist? Das klingt nach einem peinlichen Flop mit Cringe-Garantie. Ich habe die komplette erste Staffel von "Mythic Quest" schon gesehen – und was soll ich sagen: Die Serie ist viel lustiger, als es sein dürfte. Unsere Kritik.
- Das kann ja nur peinlich werden
- The Big Silicon Valley Community Theory
- Innovatives Thema, gewöhnliche Inszenierung
- Nicht realistisch, aber authentisch
- Verheißungsvoller Start
Das kann ja nur peinlich werden
Okay, full disclosure: Ich war absolut darauf eingestellt, "Mythic Quest" zu hassen. Meine Toleranz für schlechte Comedys tendiert gegen Null. Es gibt wohl nichts Schmerzhafteres als eine Serie, die lustig sein will, es aber nicht ist. Als Spielehersteller Ubisoft auf der diesjährigen E3 die Sitcom "Mythic Quest" ankündigte, zog sich bei mir alles zusammen: Ultrahipper Punchline-Humor wie in "Community", gepaart mit plumpem Heranwanzen an die Gaming-Kultur. Das war zumindest die erste Erwartung.
Und dann eben: Ubisoft. Der französische Spielegigant ist unter Gamern nicht gerade für künstlerische Integrität bekannt. Sondern eher für maximales Gewinnstreben ohne Rücksicht auf Qualität und für das endlose Wiederkäuen der immer gleichen Konzepte. Die Katastrophe war also programmiert – eigentlich.
Doch nachdem ich die erste Staffel gesehen habe, muss ich zähneknirschend zugeben: So schlecht ist "Mythic Quest" nicht. Eigentlich gefällt mir das alles sogar ganz gut. Ach verdammt, Hosen runter jetzt: Ich bin ein bisschen Fan von "Mythic Quest". Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte, aber so isses nun mal.
The Big Silicon Valley Community Theory
Allerdings lässt sich der Sitcom, die ab dem 7. Februar exklusiv bei Apple TV+ zu sehen ist, eine gewisse Formelhaftigkeit nicht absprechen. Die typisch exzentrischen Charaktere wie im NBC-Hit "Community", ein natürlich extrem verzerrter, im Kern aber nicht komplett unrealistischer Blick hinter die Kulissen eines Hightech-Unternehmens à la "Silicon Valley" und endlose Anspielungen auf zeitgeistige Popkultur und Nerd-Humor, wie wir sie aus (schauder) "The Big Bang Theory" kennen.
"Mythic Quest", das ist nicht nur der Name der Show, sondern auch eines fiktiven Computerspiels. Genauer gesagt: Des populärsten MMOs der Welt, zumindest in dieser Serie. Dass der "World of Warcraft"-Klon so wahnsinnig beliebt ist, liegt an seinem Erfinder und Mastermind: Ian Grimm (Rob McElhenney aus "It's Always Sunny In Philadelphia", der hier auch als Produzent und Autor dabei ist).
Grimm ist selbstverliebt und eitel bis zur Schmerzgrenze, aber eben auch ein kreatives Genie. So liegt es an seinem Team, den durchgeknallten Chef irgendwie auf Spur zu bringen. Die Lead-Programmiererin Poppy (Charlotte Nicdao), der alternde Storyschreiber C. W. Longbottom (Oscargewinner F. Murray Abraham) und Monetarisierungs-Experte Brad (Danny Pudi aus "Community"), der davon träumt, einen riesigen Geldspeicher wie Dagobert Duck zu haben – eine Macke haben sie alle. Aber hilft ja nix, der Laden muss laufen.

Innovatives Thema, gewöhnliche Inszenierung
Handwerklich ist das alles erst einmal wenig aufregend. Inszenatorische Highlights gibt's kaum, in fast jeder Einstellung sitzen oder stehen sich die Charaktere einfach nur gegenüber und hauen sich die Pointen im Sekundentakt um die Ohren. So sehen amerikanische Sitcoms heutzutage nun mal aus. Daran haben wir uns so sehr gewöhnt, dass es uns fast nicht mehr auffällt, wie langweilig das alles ist, zumindest fürs Auge. Dass sich Komik visuell aufregend inszenieren lässt und warum vor allem US-Comedy das mittlerweile fast verlernt hat, analysiert dieses YouTube-Video sehr schön:
So ist der Inhalt spannender als die Form. Die Probleme, mit denen sich das "Mythic Quest"-Team herumschlägt, beschäftigen Spielemacher durchaus auch in der Realität: Wie soll man nicht in Panik geraten, wenn der weltweit einflussreichste Gaming-YouTuber eine schlechte Wertung für das Spiel abgibt, nämlich nur ein halbes Po-Loch von vier möglichen? Wie kriegt man die ganzen Nazis wieder weg, die massenweise die Server überrannt haben? Wie überzeugt man die Community, noch mehr Geld für kosmetischen Krimskrams im spieleigenen Casino auszugeben? Und vor allem: Wird sich das jemals ändern, dass Gamer immer sofort einen Penis malen, wenn man sie was designen lässt? Das Übliche also aus der Welt des Gamings.

Nicht realistisch, aber authentisch
Apropos Gaming: Jeder Spielefan sitzt natürlich mit Argusaugen vor dem Monitor und sucht jede Einstellung, jeden Satz, jeden beiläufigen Gag nach inhaltlichen Fehlern ab. Nichts regt uns Gamer so sehr auf wie das Gefühl, dass wir und unser Lieblingshobby nicht zu 100 Prozent akkurat dargestellt werden. Kleinste Ungenauigkeiten werden da sofort als Beleg für mangelnde Fachkenntnis und Ignoranz der Skriptschreiber gegeißelt. Auch "Mythic Quest" nimmt sich künstlerische Freiheiten und simplifiziert vieles. Das ist nun mal keine Doku über den realen Arbeitsalltag eines Spieleentwickers, sondern eine flotte Sitcom. Details werden zugunsten eines Gags zurechtgebogen. Das ist legitim.
Klar, "Mythic Quest", das fiktive MMO, sieht in der Serie zu keiner Sekunde aus wie ein real existierendes Game. Und an das aggressive Product Placement von Mit-Produzent Ubisoft muss man sich wirklich gewöhnen – als Szenenübergänge kommen die ganze Zeit kurze Clips aus dem Ubisoft-Game "For Honor". Bei den ersten ein, zwei Folgen wollte ich deshalb irgendetwas in den Fernseher schmeißen. The cringe is real.

Aber "Mythic Quest" geht mit Nerd-Humor und Gamer-Insidergags nicht so fahrlässig um wie etwa "The Big Bang Theory", diese Resterampe der Popkultur. Das sieht man schon an der Figur des Ian Grimm. Der ist natürlich heillos überzeichnet. Aber Games-Experten erkennen in ihm trotzdem sofort das kindische Rockstar-Gehabe des "Doom"-Erfinders John Romero, gepaart mit dem Design-Genius eines Cliff Bleszinksi, der intuitiv verstanden hat, wie man die "Gears of War"-Spiele maximal cool und maximal spaßig macht. Will sagen: So Typen wie Ian Grimm gibt es tatsächlich. Dass "Mythic Quest" bei aller Überdrehtheit zumindest mit einem halben Bein auf dem Boden der Tatsachen bleibt, finde ich sehr angenehm. Und letztlich auch reizvoller als eine durchgeknallte Gaga-Kreischorgie, die schon nach ein paar Minuten den letzten Nerv killt.

Verheißungsvoller Start
"Mythic Quest" ist nicht sensationell. Dazu ist die Fallhöhe zu niedrig, geht die Inszenierung zu sehr auf Nummer sicher, sind die Charaktere zu wenig ausgearbeitet. Sitcom-Meisterwerke wie "It's Always Sunny in Philadelphia" dienten offensichtlich als Vorbild, ohne dass die Ubisoft-Serie je deren Brillanz erreicht.
Wie so viele Games heutzutage, die zum Start noch nicht ihr volles Potenzial entfalten, kann "Mythic Quest" aber noch richtig gut werden – wenn sowohl die Macher als auch die Zuschauer die Geduld mitbringen und ihr Baby langfristig supporten. Die zweite Staffel ist bereits in Planung.
Continue? Yes.