Lautsprecher einspielen – ist das notwendig?

Verbessert das "Einspielen" von Lautsprechern wirklich ihren Klang?
Verbessert das "Einspielen" von Lautsprechern wirklich ihren Klang? Bild: © Pixabay / Comfreak 2016

Sollte man seine neuen Lautsprecher vor dem Gebrauch einspielen? Angeblich verbessert sich der Klang von Lautsprechern, wenn man sie zunächst mit einem Rauschen oder mit Musik warm laufen lässt. Aber stimmt das auch? Es gibt gute Gründe, am Einspiel-Mythos zu zweifeln.

Welche Szene ist reicher an Mythen, die Selbsthilfegruppen für vermeintliche UFO-Entführungsopfer oder die Audiophilenszene? Liest man die Ausführungen des Physikers Dr. Phillipe Leick bei den Skeptikern oder des Biologen Tobias Maier bei den Scienceblogs zum Thema Audiophilenmythen, könnte man schon ins Zweifeln geraten. Leider ist es gerade im Bereich der Technik für gehobenen Musikgenuss manchmal schwierig, Wahrheit und Mythos zu trennen. Der Grund sind die stets wissenschaftlich klingenden Erläuterungen, warum ein bestimmtes Gerät oder bestimmte Hörbedingungen den Klang verbessern sollen. Das betrifft nicht nur das Lautsprecher-Einspielen.

Auf hifi-forum.de gibt es einen ganzen Bereich, der nur dem Sound-"Voodoo" gewidmet ist. Ein Highlight ist ein satirischer Beitrag von Black_Seraph, in dem er behauptet, dass das Halten von Katzen in der Wohnung die Tonqualität verbessere. Dafür sorge die hohe statische Aufladung von Katzenhaaren, welche die Ausbreitung der Schallwellen in der Wohnung beeinflussten und eine "Glättung" des Tons bewirkten. Darum seien Katzen "audiophile Haustiere". Aber Vorsicht: Der Effekt kann je nach Katzenrasse abweichen! Die Sache mit den HiFi-Katzen ist zwar Unsinn, aber wie sieht es aus mit dem Einspielen von Lautsprechern?

Was bedeutet Lautsprecher einspielen?

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Muss man Lautsprecher erstmal gut durchrocken, damit sie richtig klingen? Bild: © Pixabay / Venomous TBag 2016

Die Lautsprecherhersteller sind unterschiedlicher Auffassung, was das Einspielen von Lautsprechern angeht. Der britische HiFi-Hersteller KEF empfiehlt es ausdrücklich und beschreibt das Vorgehen wie folgt: "Nach unserer Erfahrung ist Rauschen das beste Signal. Dieses Rauschen ist zwischen den Sendern beim Rundfunk-Empfang leicht zu erzeugen. Um den Geräuschpegel erträglich zu halten, kann man die Lautsprecher Gesicht zu Gesicht voreinander stellen (ca. 10 Zentimeter) und das Kabel eines Lautsprechers ausnahmsweise verpolen. Durch das Verpolen heben sich die abgegebenen Geräusche weitestgehend auf. Nach 12 bis 48 Stunden (je nach Lautsprecher) bei mittlerer Lautstärke (wenn sie voreinander stehen, sonst ruhig lauter) sollten die Lautsprecher eingespielt sein."

Man liest von Nutzern auch häufig, dass sie unter "Einspielen" vielmehr das gewöhnliche Abspielen von Musik über einen gewissen Zeitraum verstehen. Tut man das einige Stunden, Tage oder sogar Wochen am Stück, sollen die Lautsprecher deutlich anders klingen als zuvor. Jedenfalls gilt das wohl für die Nachbarn.

Ist das Einspielen ein Mythos?

Günther Nubert, der Leiter der renommierten deutschen Lautsprecherschmiede Nubert, ist ganz anderer Meinung. Er widerspricht laut einem Beitrag von Andreas Görtler im Nubert-Forum einem Teil seiner Kundschaft, die einen Einspiel-Effekt wahrgenommen haben möchte. Herr Nubert erklärt sich die Warhnehmung eines veränderten Klangs vielmehr durch ein psychologisches Phänomen über mehrere Tage bis Wochen, das man "Langzeit-Adaption" nennen könnte: "In dieser Zeit spielt sich eine Neu-Orientierung des Hörens ab, die oft sehr emotionelle Empfindungen auslöst. Wenn die neue Klang-Richtung 'richtig gut' wird, ist es nicht so leicht zu entscheiden, ob sich das Hörempfinden verändert hat, oder die Box nun eingespielt ist."

In Tests mit professionellen Kunden waren diese nicht in der Lage, von Nubert zuvor eingespielte Lautsprecher von Lautsprechern zu unterscheiden, die er frisch aus der Verpackung genommen hatte. Allerdings weist Andreas Görtler auf einen echten Einspiel-Effekt hin, der unter bestimmten Bedingungen auftreten kann. Wurden die Lautsprecher nämlich im Winter zum Kunden transportiert, kann es aufgrund der Kälte vorkommen, dass die Hochtöner-Membrane festklemmt. Darum muss man die Lautsprecher auch in diesem Fall zwar nicht unbedingt einspielen, aber zumindest eine Weile bei mindestens zwölf bis 15 Grad Celcius unterbringen.

Was sagen die Tests?

Herr Nubert führte also zumindest ein paar kleinere, subjektive Hörtests durch, aber was ist mit Tests des Einspiel-Effekts mit Hilfe von Messgeräten? Ein so weit verbreiteter Mythos muss doch bestimmt schon einmal aufwendig überprüft worden sein? Tatsächlich findet man weniger Messungen zu diesem Thema, als man vermuten könnte. Das Fachmagazin Audioholics führte jedoch solche Tests durch und maß jeweils die Amplituden von eingespielten, nicht-eingespielten und über längere Zeit, bis hin zu vier Jahren eingespielten Lautsprechern. Das Ergebnis lässt sich nicht einfach auf "Mythos" oder "Nicht-Mythos" reduzieren, allerdings gibt es eine klare Richtlinie für Konsumenten.

Laut Audioholics muss tatsächlich die Zentrierspinne im Lautsprecher zunächst durch Einspielen ausgedehnt werden, die für die Zentrierung der Schwingspule und für die Rückführung der Membran in die Ruhelange zuständig ist. Allerdings: Dieses Einspielen durch sinusförmige Schallwellen dauert nur ein paar Sekunden. Und: Es wird bereits bei der Herstellung der Lautsprecher vorgenommen. "Ein fertiges System benötigt [...] kein zusätzliches Einspielen durch den Konsumenten, sobald er den Lautsprecher vom Händler mit nach Hause genommen hat." Außerdem erfährt man bei Audioholics, dass das zusätzliche Einspielen zu Hause von bereits bei der Produktion eingespielten Lautsprechern so gut wie überhaupt keine Auswirkungen hat, egal, wie viel Zeit man damit verbringt.

Zusammenfassung

  1. Kunden müssen ihre im Handel gekauften Lautsprecher in der Regel nicht einspielen
  2. Der "hörbare" Unterschied zwischen einem nach dem Kauf eingespielten und einem nicht eingespielten Lautsprecher ist auf einen psychologischen Effekt zurückzuführen und ist nicht objektiv messbar
  3. Eine Ausnahme sind Lautsprecher, die bei Kälte, etwa im Winter, transportiert oder gelagert wurden. Diese müssen eine Weile lang im Warmen untergebracht werden, damit sie normal klingen
  4. Das benötigte Einspielen wird bereits bei der Herstellung der Lautsprecher vorgenommen, um die sogenannte Zentrierspinne auszudehnen
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