Vor zehn Jahren erschien der erste Teil der "Mass Effect"-Reihe und legte den Grundstein für einige der besten Space-Rollenspiele aller Zeiten. "Mass Effect: Andromeda" konnte den hohen Standard der vorangegangenen Trilogie leider nicht halten, wir wünschen uns trotzdem, dass BioWare die Serie fortsetzt – vor allem aus diesen fünf Gründen.
1. Charaktere mit Persönlichkeit

Ein Hauptkritikpunkt an "Mass Effect: Andromeda" war die Tatsache, dass es die neue Hauptfigur Ryder einfach nicht mit ihrem Vorgänger aufnehmen konnte: Commander Shepard drückte der "Mass Effect"-Trilogie als Protagonist (oder Protagonistin, je nach Wunsch) einen unverwechselbaren Stempel auf – und zwar bei jedem Spieler einen anderen. Schließlich war der Hauptcharakter eigentlich eine Blaupause, die nach Belieben mit Inhalt gefüllt werden konnte . Shepards Vorname, Geschlecht Persönlichkeit, moralischer Kompass und sogar Sexualität lagen komplett in den Händen der Spieler.
Doch auch wenn es um fertig gescriptete Charaktere ging, enttäuscht BioWare in der "Mass Effect"-Trilogie nicht. Wir begegneten in der Milchstraße des 22. Jahrhunderts einer Vielzahl von menschlichen und außerirdischen Freunden, Feinden, Kollegen und Liebhabern, die allesamt ihre eigenen Biografien, Motivationen und Ziele hatten und meist liebevoll und hochprofessionell vertont waren. Auch hier blieb "Mass Effect: Andromeda" nach Meinung vieler Spieler teils hinter den Erwartungen zurück, die dank der Trilogie aber auch ziemlich hoch angesetzt waren. Wenn Electronic Arts und BioWare die Reihe irgendwann wieder in Angriff nehmen, sollte dieser Punkt auf jeden Fall ganz oben auf der Liste stehen.
2. Ein Universum voller Geschichten

Echte Open-World-Spiele waren die "Mass Effect"-Games nie, auch wenn sich "Mass Effect: Andromeda" dem Sandbox-Modell sehr deutlich annäherte. In guter alter "Star Trek"-Manier stand aber dennoch immer das Erkunden und Erforschen fremder Welten mit im Vordergrund. In ihren besten Momenten schafften es die Spiele dabei, ihre malerischen außerirdischen Landschaften zum Sprechen zu bringen und den Entdeckerdrang mit epischen Erzählsträngen wachzukitzeln wie kaum ein anderes Franchise. Dass den Games in allzu offenen Passagen manchmal die erzählerische Puste ausging, ist da verschmerzbar – und für BioWare vielleicht in Zukunft ein Anreiz, sich auf die linearen Singleplayer-Wurzeln zu besinnen, die in der ursprünglichen "Mass Effect"-Trilogie noch viel deutlicher als im vergleichsweise schwächeren "Andromeda" angelegt waren.
3. Dialoge mit Bedeutung

Klar, die "Mass Effect"-Spiele hatten als waschechte Action RPGs immer auch knallige Science-Fiction-Kämpfe zu bieten, in denen mit futuristischen Wummen allerlei Kleinholz produziert werden durfte. Aber: Die Action war nicht, was die Serie so populär gemacht hat. Vielmehr waren es der RPG-Anteil und insbesondere die Dialoge, in denen der Charme der Games so richtig zum Vorschein kam. Von Drohszenarien über Verhandlungsgespräche bis hin zu intergalaktischen Flirts und Romanzen mit Menschen und Aliens blieben hier keine Wünsche offen. Das sogenannte Dialograd, ein kreisrund angeordnetes Auswahlmenü für eine intuitive Auswahl von Gesprächsbeiträgen, half dabei, auch traditionell eher öde Redepassagen mit Spannung zu füllen – ein Verdienst, der die "Mass Effect"-Games auch heute noch positiv von zahlreichen Konkurrenten abhebt.
4. Entscheidungen mit echten Konsequenzen

Ein weiteres Feature, das die "Mass Effect"-Trilogie aus der Masse der RPGs hervorhob, war die Art und Weise, wie die Games den Entscheidungen der Spieler Gewicht und moralische Substanz verliehen. Treten wir unseren Mitmenschen (und Mit-Aliens) als freundlicher Gesprächspartner und Teamplayer gegenüber? Oder verhalten wir uns wie die Axt im Walde und nehmen Probleme lieber ohne Rücksicht auf Verluste selbst in die Hand – beziehungsweise aufs Korn? Lassen wir einen gefährlichen Terroristen laufen und beugen uns damit seinem Willen? Oder bekämpfen wir ihn und opfern dadurch das Leben seiner Geiseln?
Richtungsweisende und moralisch komplexe Entscheidungen in Dialogen und Kämpfen beeinflussten dabei nicht nur das einzelne Spiel, sondern reichten sogar darüber hinaus in die nachfolgenden Teile der Trilogie, in die frühere Speicherstände importiert werden konnten. In sich geschlossene Karma-Systeme, wie das eines "Fallout 3", wirken dagegen regelrecht simpel und so viel Konsequenz wünschen wir uns entsprechend auch von einem möglichen neuen "Mass Effect"-Teil. Streng genommen müssten die Entwickler dafür natürlich sogar gleich mehrere neue Spiele liefern ...
5. EA hat's versprochen

Apropos "liefern": Wann ein neues Spiel aus dem "Mass Effect"-Universum erscheinen soll, ist bislang noch völlig offen. Tatsächlich ist die jüngere Geschichte des Franchises eher gezeichnet von Hiobsbotschaften – etwa der Schließung des für "Mass Effect: Andromeda" verantwortlichen Studios BioWare Montreal und der Nachricht, dass das jüngste Spiel der Reihe weder mit einem Singleplayer-DLC noch mit sonstigen Updates versorgt wird.
Publisher Electronic Arts hat aber eine Wiederbelebung des "Mass Effect"-Franchise dezidiert nicht ausgeschlossen. Im August 2017 sagte EA-Vizechef Patrick Soderlund, er sehe "keinen Grund, warum wir nicht zu dem Titel zurückkehren sollten". "Es ist ein spektakuläres Universum, eine beliebte Serie, es hat eine große Fangemeinde und der Titel hat viel für EA und auch BioWare getan", sagte er weiter – und macht damit allen Hoffnung, die gespannt auf die nächsten zehn Jahre "Mass Effect" blicken.