Maxïmo Park – "Risk to Exist"-Kritik: Politische Rollschuhdisko

Melden sich mit ihrem sechsten Album zurück: Maxïmo Park.
Melden sich mit ihrem sechsten Album zurück: Maxïmo Park. Bild: © Steve Gullick 2017

Auf ihrem sechsten Album entfernen sich Maxïmo Park noch weiter von der schnittigen Rockmusik ihrer Anfangstage. Ob das neue musikalische Rezept von "Risk to Exist" aufgeht und ob man der Band um den passionierten Hutträger Paul Smith ihr neu erwachtes politisches Bewusstsein abnimmt, erfährst Du in unserer Albumkritik.

Keiner hätte es nach Gangsta-Rap, Big Beat und Massen-Raves noch für möglich gehalten: Mitte der Nuller Jahre war rasant gespielter Rock'n'Roll plötzlich wieder die coolste Musik des Planeten. Bands wie The Libertines, Franz Ferdinand, Kaiser Chiefs, Razorlight, Arctic Monkeys und Bloc Party kombinierten den schneidigen Art-Punk der späten Siebziger mit der unterkühlten New-Wave-Attitüde der frühen Achtziger. Ihr Look: Heroin-Chic 2.0 mit Skinny Jeans, Turnschuhen, eng taillierten Sakkos, schmalen Krawatten und hohlen Wangen.

Die Gitarrenmusik feierte ihre große Renaissance und alle wollten Hof halten: Supermodel Kate Moss zog mit Libertines-Sänger Pete Doherty um die Häuser. Modedesigner Karl Lagerfeld nahm 42 Kilo ab, nur um in die schmalen Anzüge seines Konkurrenten Hedi Slimane zu passen. Ganz oben auf dem Kamm der neuen Indie-Rock-Welle surfte auch die 2003 im englischen Newcastle gegründete Band Maxïmo Park mit. Deren charismatischer, stets Hut tragender Sänger Paul Smith wurde zu einem prägnanten Gesicht der sogenannten "Class of 2005" und Maxïmo-Park-Songs wie "Apply Some Pressure" und "Books From Boxes" zu prägenden Indie-Rock-Hymnen des Jahrzehnts.

Maxïmo Park kehren der Rockmusik den Rücken

Auch weil sie beharrlicher als die meisten anderen "Klassenkameraden" von damals neue Wege gingen, machten Maxïmo Park schnell klar, dass sie den Hype auf jeden Fall überleben wollen. Fünf Alben haben sie bis heute in gesunden Abständen veröffentlicht und sich dabei kontinuierlich weiterentwickelt. Die Musik wurde ruhiger, detailverliebter, elektronischer. Und wie manche Kritiker und Rockfans der ersten Stunde bemängeln: blutarmer.

Mit "Risk to Exist" melden sich Maxïmo Park wieder zurück. fullscreen
Mit "Risk to Exist" melden sich Maxïmo Park wieder zurück. Bild: © Steve Gullick 2017
Auch heute noch gut behutet: Paul Smith (2.v.l.) mit seinem Markenzeichen. fullscreen
Auch heute noch gut behutet: Paul Smith (2.v.l.) mit seinem Markenzeichen. Bild: © Steve Gullick 2017
Elf neue Songs befinden sich auf dem neuen Album von Maxïmo Park. fullscreen
Elf neue Songs befinden sich auf dem neuen Album von Maxïmo Park. Bild: © Steve Gullick 2017
Mit "Risk to Exist" melden sich Maxïmo Park wieder zurück.
Auch heute noch gut behutet: Paul Smith (2.v.l.) mit seinem Markenzeichen.
Elf neue Songs befinden sich auf dem neuen Album von Maxïmo Park.

Diese Hörer werden von "Risk to Exist" einmal mehr enttäuscht sein: Auch das sechste Maxïmo-Park-Album ist keine Rückkehr zur wuchtigen, mit Pathos aufgeladenen Rock'n'Roll-Power der Anfangsjahre. Aufgenommen wurde es zusammen mit Produzent Tom Schick (Beck, Norah Jones) im Studio der Alternative-Country-Veteranen Wilco, was man ihm aber nicht anhört. "Risk to Exist" klingt nicht handgemachter als seine Vorgänger, nicht erdiger, weder nach Wüste noch nach Weite, im Gegenteil: Klanglich ist "Risk to Exist" das poppigste Album, das Maxïmo Park je aufgenommen haben. Der Albumauftakt "What Did We Do to You to Deserve This?" und die Singleauskopplung "What Equals Love" sind tanzbar, funky, synthlastig. Man denkt an Bands wie Phoenix oder The 1975. Indie-Pop für die Rollschuhdisko.

Paul Smith, der selbst schon bei vielen Projekten als Gastsänger mitwirkte, hat sich auf "Risk to Exist" zum ersten Mal gesangliche Unterstützung ins Studio geholt. Mimi Parker, Schlagzeugerin und Sängerin der Indie-Rock-Leisetreter Low singt auf fünf Songs die zweite Stimme. Stücken wie "I'll Be Around" und "Make What You Can" verleiht sie mit ihrem sanften Timbre eine weiche Grundierung. Die rasiermesserscharfen Gitarrenriffs, die den Klang von Maxïmo Park einst ausmachten, sind größtenteils abgeschliffen oder ganz verschwunden. Beim sonnigen "The Hero" kommen sogar Bläser zum Einsatz.

"Risk to Exist" soll ein politisches Statement sein

Zumindest inhaltlich täuscht der Eindruck von sorgloser Glätte jedoch, denn Maxïmo Park verstehen "Risk to Exist" auch als politisches Statement. Die Songs sollen "Machtverhältnisse hinterfragen", wird Paul Smith in der offiziellen Pressemitteilung zitiert. "Das Album handelt letztendlich von Empathie", so der 38-Jährige an gleicher Stelle. Der Titelsong fühlt sich beispielsweise in die Perspektive eines Bootsflüchtlings ein: "I cannot breathe/ Put your arms around me/ I've come too far and the ocean's deep/ Where's your empathy?" (dt. Ich kann nicht atmen/ Nimm mich in die Arme/ Ich bin so weit gekommen und der Ozean ist tief/ Wo ist dein Einfühlungsvermögen?). Eine mutige Botschaft, der es im heiter aufpolierten Gesamtsound jedoch an Dringlichkeit fehlt. Etwas mehr Wut wäre nicht nur an dieser Stelle durchaus angebracht gewesen.

Maxïmo Park 2017: Große Melodien und Monotonie

Das Tempo bleibt auf "Risk to Exist" fast durchgängig angezogen, Refrains und Strophen sind melodieselig wie eh und je. Gleichzeitig schlagen Maxïmo Park im 14. Jahr ihres Bestehens nicht mehr über die Stränge. Nie treiben die Gitarren richtig nach vorne, nie klingt Paul Smiths herbe Stimme so atemlos wie früher. Ernüchternde Erkenntnis nach spätestens neun von elf Songs: Große Melodien schützen auf Dauer nicht vor Monotonie.

Weg vom schnittigen Post-Punk von einst bewegen sich Maxïmo Park mit "Risk to Exist" mehr und mehr auf niveauvollen Salon-Pop im Stil von Roxy Music zu. Wie deren Sänger Bryan Ferry liebt auch Paul Smith die große Geste, hinter der sich aber nicht immer auch Substanz verbirgt.

TURN ON-Albumwertung: 3/5

Angebot
Maxïmo Park - Risk to Exist
Maxïmo Park - Risk to Exist
  • Datenblatt
  • Hardware und software
  • Länge
    39
  • Songs
    11
  • Label
    Daylightning
  • Singles
    "Risk to Exist", "What Did We Do to You to Deserve This?", "Get High (No, I Don't)"
  • 21.04.2017
  • 1
    What Did We Do to You to Deserve This?
  • 2
    Get High (No, I Don't)
  • 3
    What Equals Love?
  • 4
    Rist to Exist
  • 5
    I'll Be Around
  • 6
    Work and Then Wait
  • 7
    The Hero
  • 8
    The Reason I Am Here
  • 9
    Make What You Can
  • 10
    Respond to the Feeling
  • 11
    Alchemy
TURN ON Score:
3,0von 5
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