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Ein Jahr Google Pay in Deutschland: Ist Mobile Payment bereits Alltag?

Alex und Patrick nutzen seit dem Start von Apple Pay und Google Pay Mobile Payment – und haben sich den Status Quo angeschaut.
Alex und Patrick nutzen seit dem Start von Apple Pay und Google Pay Mobile Payment – und haben sich den Status Quo angeschaut. Bild: © TURN ON 2019

Seit einem Jahr ist Google Pay in Deutschland verfügbar, seit einem halben Jahr auch Apple Pay – doch was hat sich seitdem getan? Hat der Markteintritt der Tech-Schwergewichte tatsächlich einen Boom für mobiles Bezahlen ausgelöst? Diese und viele andere Fragen versuchen wir zu klären.

Von Alexander Mundt und Patrick Schulze

Mobile Payment – das mobile Bezahlen mit dem Smartphone ist schnell, unkompliziert und sicher. Das versprechen zumindest die Anbieter von solchen Systemen, doch im Alltag haben sich diese Vorteile augenscheinlich nicht überall herumgesprochen. Wenngleich es auch hierzulande voranzugehen scheint in Sachen Mobile Payment, so ist Deutschland doch nach wie vor Bargeldland und somit Bastion für Münzen und Banknoten. Google Pay, vor allem aber auch Apple Pay wollen diese Vorherrschaft brechen – und locken mit schlagkräftigen Argumenten.

Das Smartphone als Kreditkarte

Sollte das Prinzip noch nicht überall bekannt sein: Wer ein Android-Smartphone oder ein iPhone besitzt, kann eine Kredit- oder Debitkarte einfach über ein digitales Wallet zu seinem Gerät hinzufügen und bezahlt fortan nicht mehr mit einer physischen Karte oder mit Bargeld – sondern mit dem Smartphone. Die Basis dafür ist im Falle von Google und Apple Pay ein ins Gerät integrierter NFC-Chip, der für das kontaktlose Bezahlen an handelsüblichen Kartenterminals genutzt werden kann.

Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Du kannst Dein Portemonnaie einfach mal zu Hause lassen und mit Deinem Smartphone (oder auch Deiner Smartwatch) die eigenen vier Wände verlassen und trotzdem in vielen Geschäften bezahlen. Während kleinere Läden oftmals noch kein Mobile Payment akzeptieren und die generelle Bekanntheit derartiger Bezahlmethoden gerade im ländlichen Raum noch ausbaufähig ist, lässt sich das Modell in Großstädten, und dort vor allem in größeren Geschäften, schon recht umfassend nutzen. Die Unterstützung ist nicht flächendeckend, aber doch recht umfassend.

Erobert Mobile Payment das Bargeldland Deutschland?

Stellt sich die Frage, wie groß die Akzeptanz für mobiles Bezahlen bei den Deutschen tatsächlich ist? Handfeste Zahlen für die gesamte Branche gibt es leider nicht – Apple und Partnerbanken halten sich sehr bedeckt, vermeiden Zahlen wie der Teufel das Weihwasser und verschanzen sich hinter Superlativen.

Die späte Einführung des iPhone-Bezahldienstes Apple Pay stieß in Deutschland offenbar auf rege Nachfrage: Der Deutschland-Start im zurückliegenden Weihnachtsgeschäft sei ein "Riesenerfolg" gewesen, erklärte Apple-Chef Tim Cook in einer Konferenzschaltung mit Finanzanalysten nach Bekanntgabe der jüngsten Geschäftszahlen. Die Deutsche Bank habe "innerhalb einer Woche mehr Aktivierungen von Apple Pay vermeldet als für Android innerhalb eines ganzen Jahres", betonte Cook.

Der Deutschlandstart von Apple im vergangenen Dezember habe die Erwartungen der Branche übertroffen, hieß es seinerzeit. N26 verzeichnete einen "deutlichen Anstieg von Neukunden", Comdirect konnte sich nach eigenen Angaben direkt am Starttag über Registrierungen in fünfstelliger Höhe freuen. Apple-Chef Tim Cook sprach zu Beginn des Jahres im Rahmen einer Telefonkonferenz mit Anlegern von einem "Riesenerfolg". Die Deutsche Bank, betonte Cook, habe "innerhalb einer Woche mehr Aktivierungen von Apple Pay vermeldet als für Android innerhalb eines ganzen Jahres" (via Heise).

Laut einer aktuellen Studie der Strategieberatung Oliver Wyman (via Horizont), bei der gut 1.500 Verbraucher zu ihren Zahlungsgewohnheiten befragt wurden, habe immerhin schon fast die Hälfte (47 Prozent) kontaktlos bezahlt. Damit sind aber auch kontaktlose Zahlungen via Girocard erfasst, die sich besonders in Deutschland hoher Beliebtheit erfreut.

Immerhin jeder Vierte (26 Prozent) habe schon einmal mit dem Smartphone bezahlt, wovon knapp 5 Prozent auf Google Pay und fast 4 Prozent auf Apple Pay entfallen. Zahlen, die zeigen, dass beide Zahlungssysteme den Massenmarkt noch lange nicht erschlossen haben, unter Berücksichtigung der relativ kurzen Zeit aber beachtliche Akzente setzen konnten.

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2018 zahlten Kunden im Einzelhandel erstmals öfter mit Karte als mit Bargeld. Bild: ©EHI 2019

Laut einer Erhebung des Handelsforschungsinstitut EHI wurden 2018 im Bargeldland Deutschland mehr Einkäufe mit Giro- und Kreditkarten als mit Bargeld bezahlt – bahnt sich hier etwa eine Trendwende an? 2017 noch bezahlten die Deutschen die Hälfte ihrer Einkäufe mit Bargeld, vergangenes Jahr waren es "nur" noch 48,3 Prozent, während der Umsatzanteil von Kartenzahlungen auf 48,6 Prozent gesteigert werden konnte. Welchen Anteil mobile Zahlungen mit dem Smartphone dazu beigetragen haben, geht aus der Erhebung nicht hervor.

Zumindest auf Händlerseite ist nicht jeder von Apple Pay vollends überzeugt: Der Modehändler Zalando etwa strich die Bezahlvariante überraschend nach nur drei Monaten wieder. Das Unternehmen begründete diesen Schritt damit, dass es sich nur um eine Testphase gehandelt habe. Die technischen Limitierungen von Apple Pay ließen sich nicht mit unterschiedlichen Versandarten, Lieferung an Packstationen oder dem Einlösen von Gutscheinen vereinbaren, hieß es seinerzeit. Kurzum: Apple Pay ist schnell und einfach, mitunter aber auch unflexibel.

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Auch offline eine beliebte Zahlungsart: Paypal. Bild: © Statista 2019

Deutsche Banken mischen mit eigenen Angeboten mit

Doch wie steht es um Mobile Payment abseits der globalen Tech-Player? Gerade in Deutschland, wo viele Kunden noch keine Kredit-, dafür aber fast immer eine Girokarte ihr Eigen nennen, haben sich unter anderem die Sparkassen im letzten Jahr mit einer eigenen Lösung auf den Markt gewagt. Die zugehörige App hört auf den Namen "Mobiles Bezahlen" und lässt sich mit einem bestehenden Sparkassen-Konto nutzen.

Doch wie schlägt sich dieses Angebot? Dazu haben wir den Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V befragt, der uns mit Informationen zur Mobile-Payment-App der Sparkasse versorgte. Die App "Mobiles Bezahlen" steht aufgrund Apples restriktivem Zugang zur NFC-Schnittstelle derzeit nur für Android-Geräte zur Verfügung – die Zahlen beeindrucken dennoch. Hier einige Eckdaten (Stand: Mai 2019):

  • Die App "Mobiles Bezahlen" wurde 535.000 Mal heruntergeladen
  • 87 Prozent der hinterlegten Karten sind Girocards, 13 Prozent Kreditkarten (derzeit nur Mastercard)
  • Seit dem Start des Mobile-Payment-Systems wurden mehr als 2 Millionen Transaktionen darüber getätigt
  • Der durchschnittliche Warenkorb beträgt 22,01 Euro

Was uns die Zahlen klar mitteilen: Wer Mobile Payment fit für den Massenmarkt machen will, kommt um die Unterstützung der Girocard kaum herum – ein klarer Vorteil der Sparkassen-App gegenüber Diensten wie Apple Pay und Google Pay. Denn: Die Kreditkarte ist in Deutschland längst nicht so weit verbreitet wie etwa in den USA und anderen Regionen der Welt, in denen es Alltag ist, selbst kleinste Beträge mit Visa- oder Mastercard zu zahlen.

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Akzeptiert auch die besonders in Deutschland verbreitete Girocard: die Bezahl-App der Sparkasse. Bild: © Sparkasse 2019

Da Apple die NFC-Schnittstelle in seinen iPhones nicht für Drittanbieter von Zahlungssystemen freigibt, müssen Geldhäuser wie die Sparkasse in den sauren Apfel beißen, sofern sie auch auf Geräten von Apple präsent sein wollen. Nachdem die Sparkasse zum Start von Apple Pay noch die Freigabe der NFC-Schnittstelle forderte, wurde der Ton wenig später schon versöhnlicher.

So könnte die Sparkasse noch in diesem Jahr Apple Pay offiziell unterstützen, dann vermutlich aber nur mit Kreditkarten der Sparkasse – Girocards blieben wohl außen vor. Dass Apple aufgrund regionaler Unterschiede sein System an deutsche Verhältnisse anpassen wird, darf eher nicht erwartet werden.

"Wenn sich schon die altehrwürdige Institution der Sparkasse mit Mobile Payment beschäftigt, zeigt das eines: Die Technologie kommt langsam in der Mitte der Gesellschaft an."
Quelle

Die Kreditkarte ist in Deutschland der größte Stolperstein

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Während fast jeder Deutsche eine Debitkarte besitzt, sieht es bei Kreditkarten nach wie vor mau aus. Bild: ©Statista 2019

Viele Deutsche können auch in 2019 mit einer Kreditkarte wenig anfangen, was auch nicht verwundert. Im Einzelhandel wird die Girocard fast flächendeckend akzeptiert, was man von Kreditkarten nach wie vor nicht behaupten kann. Solange Apple, Google und Co. sich weigern, in diesem Punkt die Gegebenheiten des hiesigen Marktes anzuerkennen, werden sie mit ihren Zahlungssystem die breite Masse der Nutzer wohl nicht erreichen.

Zwar gibt es auch in Deutschland einen leichten Trend hin zur Kreditkarte, aber grundsätzlich liegt die Girocard bei der Nutzung beinahe uneinholbar vorn. 2017 lag der Anteil von Kreditkarten im bargeldlosen Zahlungsverkehr laut Statista bei gerade einmal 0,2 Prozent.

Und so ist es gar nicht das System Mobile Payment selbst, das in Deutschland einen schweren Stand hat, sondern sein Aufbau auf einem Zahlungssystem, das hierzulande generell nicht sehr verbreitet ist. Interessant wird daher sein, ob die US-amerikanischen Big-Player Apple und Google bereit sind, sich den hiesigen Gegebenheiten anzupassen und ihre Systeme für Girocards zu öffnen, oder ob es am Ende gar einheimische Banken wie Sparkassen und Volksbanken sein werden, die das Thema für sich erschließen.

Angebot
Das lange Warten auf Apple Pay hat sich gelohnt: Das System läuft rund, funktioniert zuverlässig und punktet mit unkomplizierter Bedienung. Wenn ich damit in Geschäften zahlen will, sage ich einfach, dass ich mit Karte zahle – so erspare ich mir Nachfragen in Zeiten, in denen manch Verkäufer nach wie vor der Unterschied zwischen Girocard und Kreditkarte nicht geläufig ist. Bis aber Mobile Payment ein alltäglicher Anblick an den Kassen deutscher Händler sein wird, wird wohl noch einige Zeit ins Land ziehen. Noch ist das mobile Bezahlen, jedenfalls nach meinen Beobachtungen, eher ein Exot. Die Fälle, in denen ich jemand mit einem Smartphone zahlen gesehen habe, kann ich locker an einer Hand abzählen. Dass sich das schlagartig ändern wird, ist eher nicht zu erwarten. Viel zu sehr lieben Verbraucher, aber auch Händler das gute, alte Bargeld – und das wird vermutlich auch noch einige Zeit so bleiben.
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