Mobile Payment in Deutschland nutzen: Es geht auch ohne Apple Pay

Mobile Payment in Deutschland nutzen: Wie gut funktioniert das eigentlich im Alltag?
Mobile Payment in Deutschland nutzen: Wie gut funktioniert das eigentlich im Alltag? Bild: © TURN ON 2018

Mobile Payment fristet in Deutschland weiterhin ein Schattendasein, während Apple Pay, Samsung Pay und Google Pay einen großen Bogen um das Land machen. Ich habe dennoch den Selbstversuch gewagt und ausprobiert, ob das Bezahlen mit dem Smartphone im Alltag schon funktioniert.

Das Versprechen klingt gut: In Zukunft ist es nicht mehr nötig, EC- und Kreditkarte in der Geldbörse mit sich herumzutragen. Zum Bezahlen können wir einfach unser Smartphone nehmen, also das Gerät, das ohnehin immer mehr Aufgaben in unserem Alltag übernimmt. Gegeben wurde dieses Versprechen schon im Juli 2015 mit dem Start von Apple Pay in Großbritannien. Nur einen Monat später folgte Samsung Pay und im September 2015 schließlich Android Pay (mittlerweile in Google Pay umbenannt). Technisch gesehen sind seither mehrere Hundert Millionen Smartphones in der Lage, als virtuelle Kreditkarte kontaktlos an der Ladenkasse im Geschäft zu bezahlen.

Doch meine Geschichte spielt nicht in der Vergangenheit. Sie spielt in Deutschland Anfang 2018, wo Mobile Payment noch immer ein weitgehend uneingelöstes Versprechen für die Zukunft ist. Ich wollte wissen, warum das so ist und ob es trotz der Abwesenheit von "großen" Mobile-Payment-Lösungen wie Apple Pay oder Google Pay hierzulande möglich ist, auf kontaktloses Bezahlen mit dem Smartphone umzusteigen.

Warum ich mich für Mobile Payment interessiere

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Das Bezahlen mit dem Smartphone ist nicht so unsicher, wie viele vermuten. Bild: © Getty Images/Hero Images 2018

Wenn ich mit Leuten in meinem Umfeld über Mobile Payment spreche, stoße ich meistens auf Skepsis. Das häufigste Argument, das ich dabei zu hören bekomme, geht ungefähr so: "Und wenn jemand Dein Handy klaut oder in die Finger bekommt, dann hat diese Person auch Zugriff auf das Bankkonto? Das ist viel zu unsicher. Nein, danke!".

Zugegeben, diese Vorstellung ist ziemlich beängstigend – aber eigentlich auch ziemlich unsinnig. Denn selbst wenn ich mein Smartphone verlieren sollte und es eine andere Person in die Finger bekommt, dann wäre es immer noch gesperrt. Wer auch immer über das Handy Zugriff auf mein Konto haben will, müsste also zumindest meine PIN oder meinen Fingerabdruck haben oder zufällig ein wirklich hochbegabter Hacker sein. Und selbst wenn Letzteres zuträfe, so hätte ich bis zu einem erfolgreichen Hack sicherlich genug Zeit, um das auf dem Smartphone hinterlegte Konto sperren zu lassen.

Bei einer physischen Kreditkarte hingegen wäre der Verlust ungleich gefährlicher. Dort stehen nämlich alle Daten, die jemand braucht, um beispielsweise in einem Online-Shop einzukaufen, schon außen drauf. Es ist für mich also gerade der Faktor Sicherheit, der im Vergleich zu einer echten Kreditkarte für Mobile Payment spricht.

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Der Verlust einer physischen Kreditkarte wiegt schwer. Bild: © Getty Images/Image Source 2018

Natürlich habe auch ich meine Bedenken, aber die gehen in eine ganz andere Richtung: Beispielsweise, ob es erstrebenswert ist, ausgerechnet Unternehmen wie Apple oder Google, die schon so viel über uns wissen, auch noch unsere Finanzgeschäfte anzuvertrauen. Klar, die Konzerne sagen, dass sie unsere Daten nur verwalten und nicht anfassen, aber wer garantiert, dass das immer so bleibt und wer überwacht das? Aber gut, um Apple, Google oder auch Samsung soll es hier nicht weiter gehen, denn deren Mobile-Payment-Dienste sind, wie schon erwähnt, in Deutschland noch nicht verfügbar.

Mobile Payment: Welche Anbieter gibt es und was bieten diese?

Zunächst stand deshalb natürlich etwas Recherche an. Ich hatte schon von einigen Anbietern für Mobile Payment gehört, die in Deutschland aktiv sind, jedoch noch keinen davon genutzt. Erstmal musste ich mir also einen Überblick über das Angebot verschaffen. Überraschenderweise gibt es hierzulande bereits eine ganze Reihe von Diensten, die das kontaktlose Bezahlen mit dem Smartphone unterstützen. Doch schon nach kurzer Recherche merkte ich, dass die meisten davon für mich nicht infrage kamen.

Payback Pay, die PayPal-App und Vodafone Wallet bieten alle unterschiedliche Möglichkeiten zum kontaktlosen Bezahlen, die auf ihre Art funktionieren. Aber keines der drei Systeme versprach für mich die universelle Lösung zu sein, nach der ich suchte.

Die Mobile-Payment-App meiner Wahl: SEQR

Meine Wahl fiel am Ende auf die App SEQR, die vom schwedischen Finanzhaus Seamless betrieben wird. Sie kommt dem, was Apple Pay oder Google Pay versprechen, in der Praxis am nächsten. SEQR gibt es für Android und iPhone, aber nur mit Android-Smartphones ist es möglich, das kontaktlose Bezahlen per NFC-Schnittstelle zu nutzen. Der Grund: Apple sperrt die NFC-Schnittstelle vom iPhone kategorisch für Drittanbieter und lässt Kunden nur über den eigenen Dienst Apple Pay bezahlen. Den aber gibt es in Deutschland noch nicht, was die Schnittstelle praktisch nutzlos macht.

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Die App SEQR verspricht mobiles Bezahlen per NFC für Android-Smartphones. Bild: © Screenshot SEQR/TURN ON 2018

Die SEQR-App bietet eine ganze Reihe von Funktionen, am interessantesten war für mich jedoch "Tap & Pay", denn hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich die kontaktlose Bezahlfunktion via NFC. Damit das ganze funktioniert, erzeugt die App auf dem Smartphone eine virtuelle Mastercard. Diese funktioniert dann quasi wie jede andere Kreditkarte auch und verfügt über einen Kreditrahmen, der monatlich ausgeschöpft werden kann. Der Betrag, mit welchem die Karte belastet wird, wird später vom Anbieter per SEPA-Lastschrift vom Konto (ein entsprechendes Mandat muss man als Nutzer erteilen) abgebucht.

Das kontaktlose Bezahlen im Detail

Kontaktloses Bezahlen mit dem Smartphone funktioniert dann im Wesentlichen genauso wie kontaktloses Bezahlen mit einer NFC-fähigen Kreditkarte. Bis zu einem Betrag von 25 Euro muss das Gerät einfach nur an das Terminal gehalten werden, und die Abbuchung erfolgt ohne weiteren Zwischenschritt automatisch. Klingt etwas erschreckend und ganz so leicht ist es dann in der Praxis zum Glück auch nicht.

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In der Praxis bietet Mobile Payment auf Wunsch einige Sicherheits-Mechanismen. Bild: © Getty Images/Hero Images 2018

Zumindest mit SEQR muss ich nämlich das Smartphone entsperren, die App öffnen und "Tap & Pay" aktivieren, bevor der Bezahlvorgang gestartet wird. Ein einfaches Ranhalten des Smartphones an den Kartenleser reicht also nicht aus. Zudem muss natürlich die NFC-Schnittstelle am Gerät selbst für diesen Vorgang aktiviert sein, was bei mir normalerweise nicht der Fall ist. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme habe ich auf meinem Huawei Mate 9 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die SEQR-App selbst nochmal zusätzlich per Fingerabdruck zu sperren.

Um Mobile Payment mit meinem Smartphone zu nutzen, sind im Endeffekt also fünf Schritte nötig:

  1. Smartphone entsperren
  2. NFC-Schnisttelle aktivieren
  3. SEQR-App öffnen
  4. Meine Identität nochmals per Fingerabdruck bestätigen
  5. Auf "Tap & Pay" tippen, um den Bezahlvorgang einzuleiten
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Damit mobiles Bezahlen klappt, muss die NFC-Schnittstelle aktiviert sein. Zusätzlich hatte ich die SEQR-App per Fingerabdruck gesperrt. Bild: © Screenshot Huawei/TURN ON 2018

Klingt umständlich? Keine Angst, in der Praxis ging das bislang immer relativ schnell, zumal beim Anstehen an der Kasse normalerweise auch genug Zeit dafür bleibt. Und auf zwei der Schritte, nämlich das manuelle Aktivieren der NFC-Schnittstelle und den zusätzlichen Fingerabdruck, hätte ich ja theoretisch auch verzichten können – wollte ich aber nicht.

Ist das Zahlen per NFC in Deutschland überhaupt schon verbreitet?

Auch wenn sich Mobile-Payment-Angebote in Deutschland bislang nicht wirklich durchgesetzt haben, die technische Infrastruktur zum Bezahlen mit dem Smartphone ist größtenteils schon vorhanden. Zehn-, wenn nicht sogar Hunderttausende Registrierkassen sind mittlerweile mit NFC-tauglichen Kartenlesern ausgestattet. Laut SEQR soll das System mit jedem dieser Kartenleser funktionieren. In der Theorie sollte also alles in Butter sein, die Praxis sah dann doch ein bisschen anders aus.

"NFC? Nie gehört! Was ist das?"

Es stimmt schon, dass mittlerweile viele NFC-Kartenleser im Umlauf sind, aber bei den Verkäufern hinter den Kassen ist das bislang anscheinend nur zum Teil angekommen. Oft reagierten diese verdutzt, wenn ich ihnen sagte, ich wolle mit dem Smartphone zahlen – oder überhaupt kontaktlos zahlen. Möglicherweise gibt es bislang einfach zu wenige Kunden, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen? In vielen Fällen musste ich beim Einkaufen jedenfalls Pionierarbeit leisten und den Damen und Herren hinter der Kasse erst demonstrieren, dass sie sehr wohl über einen NFC-fähigen Kartenleser verfügen, an dem man sogar mit dem Smartphone bezahlen kann. Einige waren dann überrascht, andere sogar ehrlich interessiert an der Technik selbst. In solchen Fällen fand ich es schade, dass an der Ladenkasse meist wenig Zeit bleibt, um Dinge zu erklären.

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Für den Bezahlvorgang muss das Handy am Ende an das Kartenlesegerät gehalten werden. Bild: © Screenshot SEQR/TURN ON 2018

Doch leider ging das längst nicht in jedem Fall gut. In der Praxis funktioniert SEQR nämlich offenbar doch nicht mit jedem NFC-Kartenleser. Öfter tauchte auf dem Display auch der Hinweis "Der Bezahlvorgang konnte nicht abgeschlossen werden" auf. Woran das im Einzelnen lag, darüber kann ich nur spekulieren. Anscheinend sind aber verschiedene Kartenleser in Umlauf und nicht jeder versteht sich gut mit SEQR – oder mit meinem Smartphone.

Wenn es klappt, dann wirkt es beinahe magisch

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Das Bezahlen mit dem Smartphone im Supermarkt hat fast etwas Magisches - wenn es denn funktioniert. Bild: © TURN ON 2018

In den Fällen, in denen es geklappt hat, fand ich das Bezahlen mit dem Smartphone aber ehrlich gesagt ziemlich cool. Es dauerte nämlich in solchen Fällen nur den Bruchteil einer Sekunde und die Sache war gegessen: Ranhalten, warten, bis es vibriert und auf dem Bildschirm der Hinweis erscheint, dass die Zahlung ausgeführt wurde, und schon war es erledigt. Von allen Bezahlmöglichkeiten, die ich bislang an einer Ladenkasse genutzt habe, ist Mobile Payment damit tatsächlich die eleganteste und schnellste.

Fazit: Vielleicht ist Deutschland einfach noch nicht reif

Ich habe SEQR mehrere Wochen getestet und dabei in verschiedenen Geschäften eingekauft, die kontaktloses Bezahlen via NFC unterstützen. Dabei konnte ich viele neugierige und interessierte Blicke und Kommentare ernten – aber ich stieß auch auf einiges Unverständnis oder auf technische Hürden. Einige Male musste ich Verkäufer sogar regelrecht dazu überreden, den Kartenleser einzuschalten, um ihnen zu demonstrieren, dass Bezahlen mit dem Smartphone möglich ist. In einigen anderen Fällen waren Verkäufer selbst enttäuscht, wenn es trotz angeblich kompatibler Kartenleser einfach nicht funktionieren wollte.

In all diesen Fällen hatte ich aber nie das Gefühl, dass das Problem generell am Mobile Payment, am Smartphone oder an der App lag. Vielmehr beschlich mich im Laufe der Wochen mehr und mehr der Eindruck, dass die Infrastruktur in Deutschland vielleicht wirklich einfach noch nicht reif für diese neue Art des Bezahlens ist. Denn viele Verkäufer sind es offenbar nicht gewohnt, dass Kunden kontaktlos bezahlen wollen und die Hardware, die in den Geschäften verwendet wird, ist zum Teil anscheinend manchmal doch nicht so fortschrittlich und kompatibel, wie sie es laut Papier sein sollte.

Vermutlich ist das auch einer der Hauptgründe, warum Apple, Google, Samsung und Co. mit ihren mobilen Bezahlsystemen bislang noch einen Bogen um Deutschland machen. Es scheint in dieser Hinsicht einfach andere Märkte zu geben, die sich viel stärker aufdrängen.

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Noch steckt Mobile Payment in Deutschland in den Kinderschuhen. Bild: © TURN ON 2018

Ich selbst habe mich noch nicht entschieden, wie lange ich SEQR weiter nutzen werde. In Geschäften, von denen ich weiß, dass es funktioniert, nutze ich mein Smartphone mittlerweile gerne zum Bezahlen. Allerdings bin ich noch weit davon entfernt, auf Bargeld oder EC-Karte verzichten zu können. Einen großen Vorteil kann ich aus der Technik bislang also noch nicht ziehen.

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