Mit "Monster Hunter: World" wird die "Monster Hunter"-Reihe schöner und zugänglicher als je zuvor. Warum das Action-RPG auf PS4 und Xbox One nun auch hierzulande Scharen von Hobbyjägern süchtig machen wird, liest Du in unserem Test.
Jahrelang waren "Monster Hunter"-Spiele ein Vergnügen für Spezialisten, das die Spieler insbesondere auf dem japanischen Heimatmarkt in seinen Bann zog. Als Jäger mit riesigen Fantasy-Waffen auf die Jagd nach Dinosaurier-Kreaturen zu gehen, klingt zwar erst einmal nicht nach obskurer Marktnische. Die steile Lernkurve, der knackige Schwierigkeitsgrad und die unüberblickbar vielen Optionen bei der Jagd schreckten gerade Gelegenheitsspieler bislang aber eher ab. Zudem kamen die letzten "Monster Hunter"-Games vor allem für Handhelds auf den Markt, die hierzulande einfach keine Basis bei der Zielgruppe haben.
Nun soll das alles anders werden: Um "Monster Hunter" auch außerhalb Japans aus der Nische zu holen und zum Verkaufsschlager zu machen, setzt Entwickler und Publisher Capcom im Kern auf zwei Dinge: die Grafikleistung und breite Verfügbarkeit von PS4, Xbox One und PC sowie einen leichteren Einstieg in die notorisch komplexe Serie. Um es kurz zu machen: Ungefähr 75 Prozent dieses Plans gehen auf.
Streifzug durch wunderschöne Jagdgründe
Mit seinen üppigen Landschaften, majestätischen Kreaturen und seiner irgendwo zwischen Steampunk, Piraten-Kult und Anime rangierenden Ästhetik ist "Monster Hunter: World" in der getesteten Fassung auf PS4 Pro von Anfang an eine Augenweide. Der Dschungel, in dem ich die ersten Spielstunden verbringe, wirkt bunt und lebendig, überall wuseln kleine und große Tiere herum, Pflanzen entlassen Wolken von Sporen in die Luft, Regen prasselt atmosphärisch durchs Gehölz. Dazu ertönt, vor allem in den Kämpfen, ein epischer Orchester-Soundtrack. Auch die anderen Ökosysteme, in denen zur Jagd geblasen wird (darunter eine karge Ödnis und ein psychedelischer Wald aus riesigen Korallen), sind voller Leben und grafisch schön in Szene gesetzt – und die Monster sowieso.
Die sind natürlich die Hauptattraktion von "Monster Hunter: World" – im Unterschied übrigens zur in schicken Zwischensequenzen erzählten Story um eine Jägergruppe, als deren Teil ich den Drachenältesten Zorah Magdaros, eine Art wandelnden Vulkan, erforschen soll. Vom Gehalt her ist die Geschichte zu vernachlässigen, sie dient vor allem als Ausrede dafür, mir immer monströsere Kreaturen vor die Nase zu setzen, die dann zur Strecke gebracht werden müssen.
Fantasy-Dinos im lebendigen Ökosystem
Das ist – wenig überraschend – harter Tobak für Tierfreunde: "Monster" wie der etwas trottelige, aber auch sehr knuffige Laufvogel-Raptor Kulu-Ya-Ku oder der Fledermaus-Hamster-Hybrid Paolumu sind offensichtlich größtenteils friedliche Wesen und werden einfach aus Lust am Jagen (und dem Bedürfnis nach neuer Ausrüstung, die aus ihren Überresten geschmiedet wird) erlegt. Klar, das ist die Prämisse des Spiels, und in jedem anderen Game würde man sie kaum hinterfragen. Wenn das Monster aber blutend und vor Schmerzen schreiend in seine Höhle wankt – nur an solchen Hinweisen lässt sich der desolate Gesundheitszustand ablesen, denn einen Gesundheitsbalken haben die Gegner nicht – braucht es doch etwas Überwindung, um ihm dort den Rest zu geben.
Das kann man sicherlich problematisch finden, andererseits ist die Tatsache, dass die Kreaturen überhaupt solche Emotionen hervorrufen können, letztlich auch eine Auszeichnung für die Designer und Animatoren. In jedem Fall haben diese es vorbildlich geschafft, ihre virtuellen Tiere mit Leben und Persönlichkeit zu füllen – selbst wenn die Gründe für ihre Jagd manchmal etwas vage bleiben.
Auge in Auge mit der Bestie
Bei stärkeren und aggressiveren Monstern verfliegt jeder Gedanke an Mitleid sowieso schnell, denn recht bald entpuppt sich die Lernkurve von "Monster Hunter: World" als ziemlich unbarmherzig. Wer versucht, im Kampf gegen den Anjanath – einen feuerspeienden T-Rex – mit wildem Knöpfedrücken weiterzukommen, wird scheitern. Nur wer sich bemüht, das komplexe Waffensystem mit 14 völlig unterschiedlich funktionierenden Schlag- oder Schießprügeln zu meistern (meine Wahl fiel nach einigen Fehlschlägen mit trägen Nahkampfwaffen auf Pfeil und Bogen) und die Angriffsbewegungen der Monster genau verinnerlicht, hat Erfolg.
Mag sein, dass "Monster Hunter: World" die Spieler anfangs, verglichen mit anderen Teilen der Reihe, ein bisschen mehr an die Hand nimmt. Mag sein, dass die Einstiegshürde etwas gesenkt wird – etwa durch ein Trainingsareal oder die leuchtenden Spähkäfer, die vorausfliegen und die Monsterfährte und interessante Gegenstände markieren. Unterm Strich ist das Game trotzdem vor allem Spielern zu empfehlen, die sich wirklich intensiv ins Kampfsystem einarbeiten wollen und dafür in Kauf nehmen, recht schnell an ihre Frustgrenze zu stoßen.
Harte Kämpfe gegen Monster & Menüs
Was für die Kämpfe gilt, gilt für die Vorbereitung und das Crafting doppelt: Es gibt unzählige Items, die bei der Jagd zum Einsatz kommen können – von Pfeilbeschichtungen über Fallen, Sprengfässer, Tränke, Gifte und Gegengifte bis zur Munition für eine Steinschleuder, die jeder Jäger unabhängig von der ausgewählten Waffe dabei hat. In den Jagdgründen selbst gibt es so viel zu entdecken und zu sammeln, dass die Übersichtskarte zunächst als völlig rätselhaftes Wirrwarr voller bunter Symbole erscheint.
In der Stadt Astera, dem Hub, von dem aus die mit einem Zeitlimit belegten Jagdmissionen und die freien Expeditionen gestartet werden, sieht es ähnlich aus: Zur Schmiede, in der ich nach der Jagd neue Ausrüstung schmieden kann, gesellen sich unter anderem eine Ressourcenzentrale, die Sammelquests anbietet, die ökologische Forschungszentrale, wo Informationen über die Monster notiert werden und ein persönlicher Garten, wo ich Pflanzen-Items anbauen lassen kann. Eine Inventartruhe mit Crafting-Station gibt's auch noch und als Leitmotiv dieser unterschiedlichen Systeme wird alles durch ausladende Tabellen verwaltet und in textreichen Tutorials erklärt. Zugänglichkeit oder Übersichtlichkeit sehen echt anders aus, hier ist "Monster Hunter: World" dann tatsächlich gewöhnungsbedürftig und in seiner Komplexität selbst eines der größeren Monster, die es beim Spielen zu bezwingen gilt.
Aber das ist okay, denn nach der Einspielphase nimmt einen das Game umso schneller gefangen und der Gameplay-Loop aus Vorbereitung, Jagd und Crafting entfaltet einen irren Sog. Dass sich Monster, die eben noch Endgegner einer ganzen Mission waren, mit Wissen und besserer Ausrüstung bald immer und immer wieder erlegen lassen, macht den Fortschritt greifbar und motiviert ungeheuerlich. Kaum von einer Mission oder Expedition zurückgekehrt, stand ich jedenfalls regelmäßig schon wieder am Quest-Brett, um mich ins nächste Abenteuer zu stürzen. Vorher gab's aber natürlich noch einen Abstecher zur Schmiede – Ausrüstung verbessern.
Multiplayer: Alleine gut, im Koop genial
Besonderes Lob verdient "Monster Hunter: World" dann noch für seinen nahtlosen Online-Koop-Modus: Jederzeit können sich bis zu vier Jäger zusammenschließen und Monster im Teamwork erlegen. Wer merkt, dass er einem Biest alleine unterlegen ist, kann auch mitten im Kampf ein Notsignal absetzen, andere Jäger können dann aus der Stadt heraus direkt dazustoßen. Das funktioniert meist reibungslos, sich konkret für Partys zu verabreden hat allerdings manchmal seine Tücken: So können Missionen etwa nur im Team gespielt werden, wenn alle Spieler die gleichen Zwischensequenzen schon angesehen haben – warum das so ist, bleibt rätselhaft und macht das ganze Prozedere etwas sperrig.

Das sind aber Kleinigkeiten, die mit etwas Übung schnell überwunden werden. Insgesamt ist dringend zu empfehlen, "Monster Hunter: World" idealerweise mit Freunden oder mit zufällig zugeteilten Fremden aus aller Welt zu zocken. Einziger Wermutstropfen: Das Spiel ist damit auch eine wandelnde Werbeanzeige für PS Plus oder Xbox Gold. Wer gratis online spielen will, muss wohl auf die PC-Version warten.
Fazit: Ein Jagdtrip, der süchtig macht
"Monster Hunter: World" schickt sich an, das weltweite Highlight des Frühjahrs 2018 zu werden, auf das die Entwickler hoffen. Dank kluger Veränderungen an der Einstiegshürde dürften sich mehr Spieler als je zuvor für die Jagd erwärmen, zugleich steigt der Schwierigkeitsgrad schnell genug an, dass auch Veteranen ihren Spaß haben. Frustresistenz und Lernwille sind zwar dringend zu empfehlen, dafür entlohnt das Spiel die Mühen mit taktisch fordernden Bosskämpfen, in denen sich ein Sieg absolut verdient anfühlt. Vor allem aber gibt es immer die wohlige Gewissheit, die Tiefe von "Monster Hunter: World" noch längst nicht völlig durchdrungen zu haben – und die ist fast noch motivierender als jede Saurierjagd.