Die nächste Disney-Realverfilmung kommt angeritten: "Mulan" soll die alte chinesische Legende rund um eine furchtlose Kriegerin wieder aufleben lassen. Ob sie Ehre für den Mauskonzern bringt oder besser von einer Lawine begraben werden sollte, erfährst Du in unserer Kritik.
- Ein Mädchen wird zur legendären Heldin: Die Story
- Keine 1:1-Kopie des Zeichentrickfilms
- Realfilm mit Emanzipation in zwei Varianten
- Hauptdarstellerin Yifei Liu darf glänzen
- Es geht auch ohne Mushu und Gesang
- Fazit
Ein Mädchen wird zur legendären Heldin: Die Story
Das Kaiserreich China wird von nördlichen Invasoren unter der Führung von Böri Khan aus dem Stamm der Rouran bedroht. Die Unterstützung der mächtigen Hexe Xianniang macht ihn fast unbesiegbar. Um sein Volk zu schützen, lässt der Kaiser (Jet Li) einen Mann aus jeder Familie abziehen, um ein gewaltiges Heer aufzustellen. Darunter ist auch der loyale Kriegsveteran Zhou. Der Vater von zwei Töchtern muss dem Einberufungsbefehl trotz Kriegsverletzung Folge leisten.
Das kann seine älteste Tochter Mulan, die auf Wunsch der Eltern bald heiraten soll, nicht hinnehmen. Sie tritt in Männerverkleidung an die Stelle ihres Vaters und absolviert unter Kommandant Tung eine harte Ausbildung. Unter dem Decknamen Hua Jun kann sie endlich zeigen, was in ihr steckt – lebt jedoch in ständiger Angst davor, enttarnt zu werden und damit ihre Familie zu entehren. Doch die junge Frau wächst über sich hinaus und ist die Rettung für das gesamte Kaiserreich.
Keine 1:1-Kopie des Zeichentrickfilms
"Mulan" hatte bereits in der Version von 1998 eine Sonderstellung unter Disneys Zeichentrickklassikern. Nie zuvor gab es eine so starke weibliche Heldin. Statt sich von Prince Charming retten zu lassen, nimmt die Chinesin ihr Schicksal selbst in die Hand. Und nicht nur das: Mulan ist eine waschechte Kriegerin, die sich auch auf dem Schlachtfeld behauptet. Ein so starkes Rollenbild ist wie gemacht für das neue Jahrtausend. Und die Neuverfilmung baut diese Stärken gekonnt aus.
Die Realverfilmung spielt die Disney-Vorlage nicht eins zu eins nach. Stattdessen besinnt sie sich auf die Ballade, auf der beide Verfilmungen beruhen, und bringt noch viel mehr von dem kulturellen Erbe ins Spiel als je zuvor. Das beginnt bei der prächtigen Ausstattung, die einen in die Zeit des chinesischen Kaiserreichs eintauchen lässt, und endet bei Verweisen auf das Wuxia-Genre, das Kampfkunst und Fantasy verbindet. Letzteres äußert sich beispielsweise, wenn Mulan vom Dach zu schweben scheint oder die Invasoren schwerelos senkrecht an den Wänden hochgehen.
Realfilm mit Emanzipation in zwei Varianten
Interessant ist an "Mulan" zudem, dass sich nicht nur die Titelheldin von klassischen Rollenbildern befreit, sondern es eine zweite wichtige Frauenfigur mit Ambitionen gibt. Xianniang entspricht zunächst dem Typus der bösen Hexe, gewinnt aber über den Film an Tiefe. Zumindest so viel, wie in einer Handvoll Szenen möglich ist. Ihre eher tragische Geschichte macht deutlich, wie tapfer und pflichtbewusst Mulan tatsächlich ist.
Mulan gewinnt Respekt, ohne ihre Ideale zu verraten, wird ausgezeichnet, ohne dass sie die Macht an sich reißt. Sie verwirklicht sich, ohne letzten Endes auf die Liebe ihrer Familie verzichten zu müssen. Anders als Xianniang, die einen anderen Weg eingeschlagen hat, um Anerkennung zu finden. Ähnlich ist Disney bereits bei der "Aladdin"-Realverfilmung verfahren, in der Bösewicht Dschafar kein reiner Bösewicht mehr ist und seine Beweggründe zumindest nachvollziehbar sind.
Hauptdarstellerin Yifei Liu darf glänzen
Die Schauspieler, allen voran die wunderbar vielseitige Yifei Liu, überzeugen auf ganzer Linie. Es gelingt der Hauptdarstellerin scheinbar mühelos, Mulans Unsicherheit und Zweifel mit ihrer Stärke stimmig zu paaren. Besonders die Chemie zwischen ihr und Tzi Ma, dem Darsteller von Mulans Vater, stimmt und wird dem einen oder anderen Zuschauer einen Kloß im Hals bescheren. Zudem hat mir gefallen, dass in der Realverfilmung eine Liebesgeschichte, hier mit dem einfachen Soldaten Honghui, nur angedeutet wird.
Ihm und anderen Figuren mag vielleicht nicht genug Zeit eingeräumt werden, doch sie unterstützen dabei, Mulans zahlreiche Facetten hervorzulocken. Und das ist vollkommen gerechtfertigt. Dieser Film ist ganz klar Mulans Bühne. Fans von Jet Li steht eine echte Überraschung bevor. Ich habe den Kampfkunst-Experten, ausstaffiert als ältlichen Imperator, nicht erkannt. Dafür darf er in einer Kampfszene einen überraschend agilen Herrscher zeigen.
Es geht auch ohne Mushu und Gesang
Und was ist mit Wächtergeist und Drache Mushu, mag manch ein Fan fragen? Der existiert nur noch als ein mystischer Phönix, der die Kriegerin leitet, wenn sie nicht weiter weiß. Auch die Glücksgrille Cri-Kree glänzt mit Abwesenheit. Aber ganz ehrlich: Disneys Praxis, jeder seiner Heldinnen einen tierischen Sidekick zu verpassen – vermutlich vor allem für Marketingzwecke –, gehört ohnehin überholt. Dass Mulan keine tierische Unterstützung hat, hilft der Story und verdeutlicht, wie allein sie auf ihrer Mission ist.

Auch der Gesang fehlt, er würde aber tatsächlich nicht in die Story passen. Ganz müssen wir dennoch nicht auf die geliebten Stücke wie "Sei ein Mann" verzichten. Sie werden in einigen Szenen instrumental angedeutet. Genug, um die Erinnerung an den Zeichentrickfilm aufleben zu lassen wie an eine alte Legende ...
Fazit: Sieg auf (fast) ganzer Linie
Disney gelingt es mit "Mulan", Fans des Zeichentrickklassikers, aber auch Zuschauer mit Interesse an der Ballade zufriedenzustellen. Es ist erfrischend, dass sich die Realverfilmung traut, stärker auf die Ballade und die chinesische Kultur einzugehen, statt die Story des Zeichentrickfilms 1:1 nachzuerzählen. Die Gefahr bestand durchaus, "Die Schöne und das Biest" und "Der König der Löwen" sind das beste Beispiel dafür.
Das Feeling der Vorlage kann die Realverfilmung mithilfe talentierter Darsteller und einer prächtigen Ausstattung in jedem Fall transportieren. Nur gegen Ende zeigt der Film einige Längen – und die Vorliebe für lange Close-ups ist Geschmackssache. Ich habe mir aber sagen lassen, dass sie typisch für den chinesischen Film sind. Es gibt also wirklich fast nichts zu meckern.
