Mit "Need for Speed Heat" versucht Electronic Arts das gute alte "Need for Speed Underground"-Feeling wiederzubeleben. Die Street-Racing-Komponente bei Nacht wurde aber um legale Rennen am Tag ergänzt. Ob das Konzept knallt oder eine Fehlzündung ist, erfährst Du hier im Test.
- Klischeebehaftete Story & selten dämliches Gequatsche
- Das Fahrgefühl ist gut, die Rennen leider wenig spannend
- In Palm City gibt es viel zu tun
- Die große Stärke von "NfS Heat": Das Tuning
- Technik: Toller Sound, gute Grafik und Palmen aus Pappe
- Fazit: Kein Highlight, aber das beste "Need for Speed" seit Jahren
"Need for Speed Underground 2" ist für viele "NfS"-Fans der Höhepunkt der Serie. Trotz besserer Grafik, größerer Karten und zusätzlicher Online-Funktionen kam für viele Hobby-Rennfahrer keiner der Nachfolger je wieder an das Spielgefühl des Klassikers heran. Und tatsächlich erinnert "Need for Speed Heat" ein wenig an die gute alte Zeit. Aber: Es ist nicht alles Chrom, was glänzt und auch der neueste Teil hat mit alten Leiden zu kämpfen.
Klischeebehaftete Story & selten dämliches Gequatsche

Dass die Story von "Need for Speed Heat" keinen Oscar gewinnen wird, war klar. Etwas weniger Klischees und bodenständigere Charaktere hätten dem Spiel aber sehr gut getan. Du bist wieder der typische Racer-Neuling, der sich in der Racing-Szene von Palm Beach einen Namen machen will. Deshalb kaufst Du dem ehemaligen Rennfahrer und jetzigen Mechaniker Lucas Rivera eine alte Kiste ab und seine kleine Schwester Ana schleust Dich in die Street-Racer-Szene ein, wo Du fleißig "Reputation" sammelst, um tagsüber auch von Profi-Rennfahrern respektiert zu werden.
Das hat man so ähnlich schon häufiger gesehen oder gezockt und reißt niemanden vom Hocker. Doch damit noch nicht genug, denn zur schwachen Story gesellen sich Charaktere ohne Tiefgang, die ohne Pause dummes Gewäsch von sich geben – zum Fremdschämen. Das beschränkt sich leider nicht nur auf Deine Crew und Deine Kontrahenten. Selbst die Polizisten im abgehörten Polizeifunk quatschen nur Mist: "Ich verfolge hier einen BMW M3. Mal schauen, was der Rookie so drauf hat."

Was dem Ganzen dann aber noch noch die Krone der Absurdität aufsetzt, ist, dass das Spiel Dir weismachen möchte, dass die Cops böse und korrupt und die Street-Racer die Guten sind. Wohl niemand hätte ein Problem damit, wenn man als Street-Racer den Bad Boy oder das Bad Girl mimt und die Polizei einfach ihrer normalen Arbeit nachginge. Warum man hier die Rollen vertauscht, verstehe ich nicht.
Ein Gutes hat die Story aber doch: Sie ist relativ lose ins Spiel eingewebt und lässt sich leicht ignorieren. Aber die Rennen sind doch bestimmt geil, oder? Manchmal ja ...
Das Fahrgefühl ist gut, die Rennen leider wenig spannend

Gelegentlich machen die Rennen in "Need for Speed Heat" richtig Bock – vor allem in der Nacht, wenn die Polizei ordentlich mitmischt. Je nachdem, wie fehlerfrei Du fährst, sind die Duelle aber meist recht unspektakulär. Setzt Du Dich direkt zu Beginn an die Spitze und fährst einigermaßen perfekt, lässt Du Deine Kontrahenten weit hinter Dir. Hier fehlt leider die sonst so verhasste Gummiband-Mechanik. So bleiben spannende Zweikämpfe um die Spitze meistens leider aus, zumindest gegen die dummen CPU-Gegner.
Die Events in "Need for Speed Heat" lassen sich aber auch online gegen echte Fahrer spielen, was deutlich fordernder ist. Die Rennen gegen menschliche Gegner haben zudem den Vorteil, dass es die Polizei nicht nur auf Dich abgesehen hat. Allerdings kann es zu hohen Wartezeiten kommen, da man darauf warten muss, dass genug Mitspieler das gleiche Event spielen wollen.

Die Steuerung der Wagen fühlt sich meistens recht gut an. Die Fahrzeuge zu Beginn steuern sich noch ein wenig schwammig, teurere Kisten oder hochgezüchtete Autos liegen aber gut auf der Straße und steuern sich einigermaßen präzise – jedenfalls für einen Arcade-Racer. Je nach bevorzugtem Fahrstil kannst Du Dein Auto in vier unterschiedliche Richtungen tunen: Rennen, Drift, Straße und Offroad. Grundsätzlich tendiert jedes Fahrzeug zu einem bestimmten Bereich, aber durch Tuning kannst Du es eigentlich fast immer Deinem bevorzugtem Fahrstil anpassen.
Die Fahrzeuge, die zu Beginn zur Verfügung stehen, fühlen sich noch ein bisschen träge an. Sobald Du aber ein bisschen Kohle in die Hand nimmst und Dir einen PS-starken Sportwagen gönnst oder Dein Gefährt beim Performance-Tuning hochzüchtest, kommt ein richtig guter Geschwindigkeitsrausch auf, der vor allem in der Nacht im Neonlicht richtig Laune macht.
In Palm City gibt es viel zu tun

Die fiktive Stadt von "Need for Speed Heat" bietet insgesamt 18 Bezirke mit unterschiedlichen Events und verschiedenen Sammelobjekten. Am meisten Spaß machen meiner Meinung nach die Nachtrennen, weil die Polizei da so schön aggressiv fährt. Die legalen Rennen am Tag sind ganz okay, aber eher ein notwendiges Übel um an Kohle fürs Tuning zu kommen.
Wer Spaß am Driften hat, kann sich auch in den Drift-Events austoben. Hier geht es darum, möglichst viele, aber auch saubere Schlitterpartien auszuführen, um die Punkte und den Multiplikator in die Höhe schnellen zu lassen. Wer es schmutzig mag, besorgt sich ein Rallye-Fahrzeug und rast über matschige Pisten.
Auch abseits der Events gibt es viel zu entdecken. Wer alle Werbetafeln im Spiel crasht, Neon-Flamingos plattfährt, Grafittis sammelt oder mit Highspeed durch Radarfallen brettert, bekommt als Belohnung schicke neue Wagen. Es lohnt sich also, beim Cruisen durch die Stadt die Augen offen zu halten.
Die große Stärke von "NfS Heat": Das Tuning

Das Tuning macht in "Need for Speed Heat" richtig Laune. Das Leistungs-Tuning ist schön einfach gehalten, Bauteile aus den Kategorien Motor, Chassis, Antrieb können leicht durch bessere Versionen ersetzt werden. Einige Teile haben auch eine direkte Auswirkung auf das Fahrverhalten, weshalb sie in in den vier Kategorien Rennen, Drift, Offroad und Straße verfügbar sind. Passive Items wie Reparatur-Kits oder Radarstörfelder gegen die Polizeiortung erleichtern das Raserleben.
Das Optik-Tuning ermöglicht eine vielseitige Individualisierung Deiner Wagen und gegen das nötige Kleingeld lässt sich echt eine ganze Menge ändern: Reifen, Felgen, Bremsscheibe, Kotflügel, Seitenspiegel, Scheinwerfer, Auspuff, Nummernschild, Spoiler usw. Viele der Bauteilen bieten mehr als 100 Variationen.
Außerdem kannst Du Dein Auto mit Folien ganz nach Deinem Geschmack einfärben und sogar besondere Effekte wie Chrom oder Farbwechsel hinzufügen. Die Farbe des Nitros, Reifenqualm und Neon-Beleuchtung darfst Du natürlich ebenfalls anpassen. Sogar der Auspuff-Sound lässt sich einstellen – hier bleiben wirklich keine Tuner-Wünsche offen.
Technik: Toller Sound, gute Grafik und Palmen aus Pappe

Technisch ist "Need for Speed Heat" durchwachsen. Der Soundtrack ist richtig gut und bietet eine gute Mischung aus Hip Hop, EDM und Pop. In den Rennen treiben die Tracks gut an und beim Cruisen kannst Du Dich von sanften Beats beschallen lassen. Großartig ist auch der Motoren-Sound: Du hörst förmlich, wie viel PS unter der Haube Deines Autos stecken.
Die Grafik ist zwar kein besonderes Highlight, aber doch recht schön anzusehen. Die Autos sehen durchweg schick und die Lichteffekte und Spiegelungen sehr beeindruckend aus – besonders nachts und bei Regen. Auch Palm City ist im Design gut gelungen und man fühlt sich tatsächlich ein wenig wie in Miami. Die Gegenden außerhalb der Stadt wirken hingegen etwas karg, langweilig und abwechslungsarm.
Das Schadensmodell ist leider absolut unrealistisch und so lächerlich, dass man es sich auch hätte sparen können. Selbst bei einem frontalen Hochgeschwindigkeits-Crash in eine Mauer sind nur einige Kratzer zu sehen und die "Lebensanzeige" des Autos wird minimal reduziert. Dass sich mein Auto bei Schäden wie ein Panzer verhält würde aber zumindest erklären, warum Palmen, Strommasten und sogar Bagger(!) wie Streichhölzer abknicken oder auseinanderfallen, wenn ich gegen sie fahre.
Fazit: Kein Highlight, aber das beste "Need for Speed" seit Jahren
Die Wiederbelebung von "Need for Speed Underground 2" ist nicht ganz gelungen. Trotz einiger Kritikpunkte ist "Need for Speed Heat" aber der beste Serienableger seit Jahren – was wohl größtenteils den schwachen Vorgängern geschuldet ist. Gerade Spieler mit Interesse an Tuning kommen dank der vielseitigen optischen Anpassungsmöglichkeiten für die Fahrzeuge voll auf ihre Kosten.
Auch die Rahmenbedingungen des Spiels sind ordentlich: Der Soundtrack ist super, die Grafik hübsch und es macht Spaß durch Palm City zu fahren, auch wenn einige Gebiete optisch zu wünschen übrig lassen. Leider kann "Need for Speed Heat" aber nicht da überzeugen, wo es am wichtigsten wäre: bei den Rennen.

Ja, die Wagen steuern sich ganz gut und es gibt viele unterschiedliche Events. Aber die Rennen sind leider viel zu langweilig. Gegen menschliche Gegner macht das Spiel schon mehr Spaß – wenn genug Spieler auf das gleiche Event Lust haben. Meistens hatte ich aber keinen Bock zu warten und bin doch wieder gegen die schwache KI gefahren.
EA ist mit "Need for Speed Heat" zwar wieder auf dem richtigen Kurs, aber es gibt noch eine ganze Menge Baustellen. Wenn es den Entwicklern gelingt, die Rennen interessanter zu gestalten und der Story im nächsten Teil ein bisschen weniger Fremdscham einzuschreiben, könnte die Serie wieder zu alter Stärke zurückfinden.
Das hat mir gefallen | Das hat mir weniger gefallen |
+ tolle Tuning-Optionen | - langweilige Rennen |
+ aggressive Polizisten bei Nacht | - handzahme Polizisten bei Tag |
+ gutes Handling der Wagen | - lächerliches Schadensmodell |
+ viele Events und Sammelobjekte | - miese Story |