"Need for Speed: Payback" im Test: Letzte Ausfahrt verpasst

Wie gut ist "Need for Speed: Payback"? Unser Test verrät's.
Wie gut ist "Need for Speed: Payback"? Unser Test verrät's. Bild: © Electronic Arts 2017

Für Racing-Fans hat die Spieleindustrie 2017 einiges zu bieten. Auch EA bringt mit "Need for Speed: Payback" endlich eine Neuauflage der 23 Jahre alten Rennspiel-Reihe. Während seiner langen Geschichte durchlebte der Arcade-lastige Racer Höhen und Tiefen. Auf welchem Niveau sich der neueste Teil bewegt, soll unser Test klären.

Die "Need for Speed"-Reihe weist gewisse Ähnlichkeiten mit der ähnlich langlebigen Filmreihe "Fast & Furious" auf – und das nicht nur, weil es auch dort in völlig überzeichneter Weise um Autos und Rennfahrer geht. Bei den jeweiligen Fans sind beide Reihen auch unglaublich erfolgreich, dennoch kann kein Kritiker so recht erklären, woran das eigentlich liegt. Soviel vorweg: "Need for Speed: Payback" ist für alle, die die Filme mit Vin Diesel, The Rock und Co. für genial halten, wahrscheinlich das perfekte Videospiel – so lange sie sich mit dessen Gameplay-Mechaniken arrangieren können.

Die "Need for Speed"-Reihe hatte in der Vergangenheit durchaus ihre lichten Momente – "Hot Pursuit" und "Rivals" aus den Jahren 2010 und 2013 zum Beispiel. Auch "Need for Speed: Payback" bietet durch Arcade-lastiges Fahrgefühl vordergründig einiges an Spaß und ich habe mich immer wieder dabei erwischt, wie ich übertrieben viel Zeit ins Optik-Tuning meiner Fahrzeuge gesteckt habe – einfach, weil es cool ist. Trotzdem lässt es sich einfach nicht vermeiden, das Game immer wieder mit mächtigen Konkurrenten wie "Forza Horizon" oder dem knalligen "Burnout" zu vergleichen, das ebenfalls aus dem Hause EA kam. Mit vielen Alleinstellungsmerkmalen kann "Payback" gegen diese Konkurrenz leider nicht aufwarten.

Die Story: Mit Vollgas in die Anspruchslosigkeit

Auch an die "Midnight Club"-Reihe von Rockstar Games werde ich beim Spielen von "Need for Speed: Payback" immer wieder erinnert, denn die Story spielt ebenfalls im durchgeknallten Street-Racer-Milieu: Mit meiner eigenen Renn-Crew bin ich in und um die fiktive Stadt Fortune City unterwegs, die klar an Las Vegas angelehnt ist. Die Handlung der etwa 15 Stunden langen Kampagne könnte platter nicht sein: Es geht um Rache, teure Autos und konkurrierende Untergrund-Racing-Banden. Dumme Sprüche und flache Charaktere, gegen die sogar die allzu ähnlichen "Fast & Furious"-Filme wirken wie Arthouse-Kino, dominieren das Testosteron-getränkte Ambiente. Wenigstens verzichtet man bei der Darstellung von Frauen auf knappe Röcke und bauchfreie Oberteile – Fehltritte dieser Art will man sich bei EA wohl nicht mehr erlauben.

Jeder der Hauptfiguren ist an eine Fahrzeugklasse gebunden. fullscreen
Jeder der Hauptfiguren ist an eine Fahrzeugklasse gebunden. Bild: © Screenshot TURN ON 2017
Leider bleiben die Charaktere flach und austauschbar. fullscreen
Leider bleiben die Charaktere flach und austauschbar. Bild: © Screenshot TURN ON 2017
Verschiedene Racer-Gangs müssen herausgefordert werden. fullscreen
Verschiedene Racer-Gangs müssen herausgefordert werden. Bild: © Screenshot TURN ON 2017
Die eigene Crew baut nach und nach den eigenen Fuhrpark aus. fullscreen
Die eigene Crew baut nach und nach den eigenen Fuhrpark aus. Bild: © Electronic Arts 2017
Jeder der Hauptfiguren ist an eine Fahrzeugklasse gebunden.
Leider bleiben die Charaktere flach und austauschbar.
Verschiedene Racer-Gangs müssen herausgefordert werden.
Die eigene Crew baut nach und nach den eigenen Fuhrpark aus.

Um in der Kampagne voranzukommen, müssen immer neue Renn-Herausforderungen in der Open-World gemeistert werden – und hier entwickelt sich tatsächlich ab und an ein spaßiges Spielgefühl. Nach und nach rüste ich meine Autos mühsam auf (dazu später mehr), um eine Chance bei den immer schwereren Rennen zu haben. Das Fahrgefühl ist dabei für einen Arcade-Racer gut gelungen, Fans von Fahrsimulationen werden aber schnell an die Grenzen von "Need for Speed: Payback" stoßen. Das ist dem Spiel aber nur schwer anzulasten, denn Realismus á la "Forza" oder "Gran Turismo" verspricht es auch nicht.

Gameplay: Unausgegorener Mix aus Open-World und linearen Abschnitten

Schwerer wiegt, dass es auch bei den Arcade-Aspekten schwächelt. Dafür, dass viele Gamer die Reihe mit Verfolgungsjagden mit der Polizei verbinden, verschenkt das Spiel hier nämlich jede Menge Potential. Sequenzen, in denen ich vor den Ordnungshütern auf der Flucht bin, werden zwar immer wieder ins Spiel eingewoben. Ramme ich bei diesen Verfolgungsjagden Polizeiwagen (oder die konkurrierender Gauner) von der Straße und erwische sie im richtigen Winkel, gibt es auch eine schöne Zeitlupen-Animation im "Burnout"-Style. Allerdings wirkt das Gameplay hier völlig unpräzise, außerdem sind diese Getaway-Spielabschnitte komplett linear aufgebaut: So gut wie immer müssen nur einige Checkpunkte innerhalb eines Zeitlimits abgefahren werden. In der Open-World, abseits der Story-Missionen und Sidequests, kommen Polizeifahrzeuge hingegen gar nicht vor.

Grafik auf der Höhe der Zeit, aber sterile Spielwelt

Ohnehin fühlt sich die offene Spielwelt meist leblos und leer an: Selbst, wenn in Cutscenes nach Abschluss eines Rennens plötzlich die ganze Straße voller Menschen ist – in der gesamten Landschaft von "Need for Speed: Payback" gibt es keinen einzigen Passanten zu sehen. Klar, der Schwerpunkt eines Rennspiels liegt woanders, Arcade-Racing in "GTA V" bringt mir da allerdings mehr Spaß. Hier darf ich wenigstens durch Seitenstraßen abkürzen und muss nicht nur Checkpunkte abfahren.

"Need for Speed: Payback" setzt auf eine Open-World. fullscreen
"Need for Speed: Payback" setzt auf eine Open-World. Bild: © Screenshot TURN ON 2017
Ganz so frei fühlt sich das Tuning-System der Autos leider nicht an. fullscreen
Ganz so frei fühlt sich das Tuning-System der Autos leider nicht an. Bild: © Screenshot TURN ON 2017
Auch die Verfolgungsjagden mit der Polizei sind zu linear angelegt. fullscreen
Auch die Verfolgungsjagden mit der Polizei sind zu linear angelegt. Bild: © Electronic Arts 2017
Immerhin bringt das Optik-Tuning Spaß! fullscreen
Immerhin bringt das Optik-Tuning Spaß! Bild: © Screenshot TURN ON 2017
"Need for Speed: Payback" setzt auf eine Open-World.
Ganz so frei fühlt sich das Tuning-System der Autos leider nicht an.
Auch die Verfolgungsjagden mit der Polizei sind zu linear angelegt.
Immerhin bringt das Optik-Tuning Spaß!

Technisch ist "Need for Speed: Payback" immerhin auf der Höhe der Zeit. Die Frostbite-Engine kommt mit einem Highspeed-Rennspiel offenbar ebenso klar wie mit "FIFA 18", "Star Wars: Battlefront 2" oder "Battlefield 1". Vor allem die Wracks, die wie die Scheunenfunde in "Forza Horizon" erst aufgespürt werden wollen, sehen toll aus: Rost, Beulen und Farbreste kommen vorzüglich zur Geltung.  Generell hat sich die Auswahl an verfügbaren Autos im Hinblick auf den direkten Vorgänger "Need for Speed" von 2015 weiter verbessert: Das breite Angebot von Tuning- und Muscle-Cars sowie exotischen Supercars kann sich durchaus sehen lassen.

Speed-Karten: Ohne Lootboxen geht es wohl nicht mehr ...

Weniger gut gelungen ist das Upgrade-System von "Need for Speed: Payback". Damit Dein Auto schneller wird, wirst Du "Speed-Karten" sammeln müssen – diese erhältst Du nach dem Zufallsprinzip beim Abschluss von Rennen oder gegen Ingame-Währung in einem der Geschäfte auf der Map. Nicht benötigte Karten können gesammelt und in einem Lotterie-System eingelöst werden, bei dem sich wiederum bessere Speed-Karten gewinnen lassen.

Dann gibt es mit den sogenannten Lieferungen natürlich auch ein Lootbox-System, das sich über Echtgeld bedienen lässt, zum Glück allerdings auch durch den Einsatz von erspielbarer "Reputation", die in "Need for Speed: Payback" wortwörtlich auf der Straße liegt. Weshalb der Erfolg im Spiel allerdings so stark an die Speed-Karten gebunden ist, die noch dazu nach dem Zufallsprinzip verteilt werden, ist mir schleierhaft. Hier kommt viel öfter Frust als Spaß auf, denn ein solches System passt vielleicht zu einem Free-to-play-Spiel, aber nicht zu einem AAA-Vollpreis-Rennspiel.

Fazit: Ist bei "Need for Speed" die Luft raus?

Es tut mir leid um die traditionsreiche Reihe, aber "Need for Speed: Payback" hat mich in weiten Teilen enttäuscht. Unter der Haube ist das Game ein anständiger Arcade-Racer, aber die flache Story, das auf einem Sammelkartenspiel basierende Tuning-System und die seelenlose Spielwelt konnten mich absolut nicht mitreißen. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass der Style von "Payback" noch einige Spieler vom Kauf überzeugt. Vielleicht sollte sich EA beim nächsten Anlauf aber doch auf eine Wiederbelebung der "Burnout"-Reihe konzentrieren.

Angebot
Need for Speed Payback
Need for Speed Payback
  • Datenblatt
  • Hardware und software
  • Release-Datum
    10. November 2017
  • Genre
    Arcade-Rennspiel
  • Plattform
    PC, PS4, Xbox One
  • Publisher
    Electronic Arts
  • Entwickler
    Ghost Games
  • USK
    12
TURN ON Score:
2,3von 5
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